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Dohm, Hedwig: Der Jesuitismus im Hausstande. Berlin, 1873.

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widerwärtige und gemeine Charakterzüge ihres Kindes
aufmerksam zu machen!

Jch theile übrigens nicht im entferntesten die Mei-
nung Derjenigen, die von den Müttern der Zukunft ein
gründliches Studium der Pädagogik fordern.

Meiner Meinung nach wird der Pädagoge wie der
Künstler geboren, und alles Studium der Welt ersetzt
niemals das eingeborene Talent.

Vorzugsweise intelligente Frauen möchten allerdings
dem Mangel ursprünglicher Begabung durch andauerndes
Studium und Denken (bis zu einem gewissen Grade
wenigstens) abzuhelfen im Stande sein. Wollten aber
alle Frauen, selbst die mit mittelmäßigen oder geringen
Verstandesgaben Ausgerüsteten, sich in das Studium der
Pädagogik stürzen, so würden wahrscheinlich wahre Miß-
geburten von Erziehungsplänen das Licht erblicken, und
die armen Kleinen würden in ihren Kinderstuben wie
in den Betten des Prokrustes ruhen, um sich nach pä-
dagogischen Regeln kürzen oder in die Länge ziehen zu
lassen.

Wer keinen Beruf für Pädagogik fühlt, der bleibe
den Theorien fern.

Es giebt etwas anderes, das den feinsten Erwägungen,
den tiefsten psychologischen Beobachtungen fast die Waage
hält.

widerwärtige und gemeine Charakterzüge ihres Kindes
aufmerksam zu machen!

Jch theile übrigens nicht im entferntesten die Mei-
nung Derjenigen, die von den Müttern der Zukunft ein
gründliches Studium der Pädagogik fordern.

Meiner Meinung nach wird der Pädagoge wie der
Künstler geboren, und alles Studium der Welt ersetzt
niemals das eingeborene Talent.

Vorzugsweise intelligente Frauen möchten allerdings
dem Mangel ursprünglicher Begabung durch andauerndes
Studium und Denken (bis zu einem gewissen Grade
wenigstens) abzuhelfen im Stande sein. Wollten aber
alle Frauen, selbst die mit mittelmäßigen oder geringen
Verstandesgaben Ausgerüsteten, sich in das Studium der
Pädagogik stürzen, so würden wahrscheinlich wahre Miß-
geburten von Erziehungsplänen das Licht erblicken, und
die armen Kleinen würden in ihren Kinderstuben wie
in den Betten des Prokrustes ruhen, um sich nach pä-
dagogischen Regeln kürzen oder in die Länge ziehen zu
lassen.

Wer keinen Beruf für Pädagogik fühlt, der bleibe
den Theorien fern.

Es giebt etwas anderes, das den feinsten Erwägungen,
den tiefsten psychologischen Beobachtungen fast die Waage
hält.

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[46/0054] widerwärtige und gemeine Charakterzüge ihres Kindes aufmerksam zu machen! Jch theile übrigens nicht im entferntesten die Mei- nung Derjenigen, die von den Müttern der Zukunft ein gründliches Studium der Pädagogik fordern. Meiner Meinung nach wird der Pädagoge wie der Künstler geboren, und alles Studium der Welt ersetzt niemals das eingeborene Talent. Vorzugsweise intelligente Frauen möchten allerdings dem Mangel ursprünglicher Begabung durch andauerndes Studium und Denken (bis zu einem gewissen Grade wenigstens) abzuhelfen im Stande sein. Wollten aber alle Frauen, selbst die mit mittelmäßigen oder geringen Verstandesgaben Ausgerüsteten, sich in das Studium der Pädagogik stürzen, so würden wahrscheinlich wahre Miß- geburten von Erziehungsplänen das Licht erblicken, und die armen Kleinen würden in ihren Kinderstuben wie in den Betten des Prokrustes ruhen, um sich nach pä- dagogischen Regeln kürzen oder in die Länge ziehen zu lassen. Wer keinen Beruf für Pädagogik fühlt, der bleibe den Theorien fern. Es giebt etwas anderes, das den feinsten Erwägungen, den tiefsten psychologischen Beobachtungen fast die Waage hält.

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Zitationshilfe: Dohm, Hedwig: Der Jesuitismus im Hausstande. Berlin, 1873, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_jesuitismus_1873/54>, abgerufen am 28.04.2024.