demselben unbezähmbaren Kraftgefühl, das den jungen Herkules antrieb, in der Wiege seine Schlangen zu würgen.
Die Mutter bestraft Thatsachen, wann aber be- strafte sie je Nichtswürdigkeiten des Charakters? wann jene gemeinen Züge der Seele, Hinterlist, Bos- heit, Tücke, Heuchelei, die den künftigen Schurken ver- rathen.
Ungehindert läßt sie das üppige Unkraut in dem artigen Kinde wuchern.
Die gute Mutter, sie hat keine Ahnung von dem Seelenmakel ihrer Sprößlinge. Wie sollte sie auch! wie sollte sie, die vortreffliche Frau, zu einem gemeinen, ruppig gearteten Kinde kommen!
Eine absurde Voraussetzung, daß die Frau, die sich selbst nicht kennt, die Seelen ihrer Kinder verstehen, daß sie, die selber unbelehrt ist, Andere lehren sollte. Die Früchte unserer erziehlichen Thätigkeit an den Kindern stehen im engsten Zusammenhang mit unserer eigenen Erziehung. Goethe sprach das tiefe und geistreiche Wort: "Man könnte erzogene Kinder gebären, wenn die Eltern erzogen wären."
Jch frage Euch, meine Leser, auf's Gewissen, wer von Euch hat je den Muth gehabt, eine Mutter auf
demselben unbezähmbaren Kraftgefühl, das den jungen Herkules antrieb, in der Wiege seine Schlangen zu würgen.
Die Mutter bestraft Thatsachen, wann aber be- strafte sie je Nichtswürdigkeiten des Charakters? wann jene gemeinen Züge der Seele, Hinterlist, Bos- heit, Tücke, Heuchelei, die den künftigen Schurken ver- rathen.
Ungehindert läßt sie das üppige Unkraut in dem artigen Kinde wuchern.
Die gute Mutter, sie hat keine Ahnung von dem Seelenmakel ihrer Sprößlinge. Wie sollte sie auch! wie sollte sie, die vortreffliche Frau, zu einem gemeinen, ruppig gearteten Kinde kommen!
Eine absurde Voraussetzung, daß die Frau, die sich selbst nicht kennt, die Seelen ihrer Kinder verstehen, daß sie, die selber unbelehrt ist, Andere lehren sollte. Die Früchte unserer erziehlichen Thätigkeit an den Kindern stehen im engsten Zusammenhang mit unserer eigenen Erziehung. Goethe sprach das tiefe und geistreiche Wort: „Man könnte erzogene Kinder gebären, wenn die Eltern erzogen wären.‟
Jch frage Euch, meine Leser, auf's Gewissen, wer von Euch hat je den Muth gehabt, eine Mutter auf
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demselben unbezähmbaren Kraftgefühl, das den jungen
Herkules antrieb, in der Wiege seine Schlangen zu
würgen.
Die Mutter bestraft Thatsachen, wann aber be-
strafte sie je Nichtswürdigkeiten des Charakters?
wann jene gemeinen Züge der Seele, Hinterlist, Bos-
heit, Tücke, Heuchelei, die den künftigen Schurken ver-
rathen.
Ungehindert läßt sie das üppige Unkraut in dem
artigen Kinde wuchern.
Die gute Mutter, sie hat keine Ahnung von dem
Seelenmakel ihrer Sprößlinge. Wie sollte sie auch! wie
sollte sie, die vortreffliche Frau, zu einem gemeinen,
ruppig gearteten Kinde kommen!
Eine absurde Voraussetzung, daß die Frau, die sich
selbst nicht kennt, die Seelen ihrer Kinder verstehen, daß
sie, die selber unbelehrt ist, Andere lehren sollte. Die
Früchte unserer erziehlichen Thätigkeit an den Kindern
stehen im engsten Zusammenhang mit unserer eigenen
Erziehung. Goethe sprach das tiefe und geistreiche Wort:
„Man könnte erzogene Kinder gebären, wenn die Eltern
erzogen wären.‟
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(2017-07-10T17:06:15Z)
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Dohm, Hedwig: Der Jesuitismus im Hausstande. Berlin, 1873, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_jesuitismus_1873/53>, abgerufen am 16.02.2025.
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