Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dohm, Hedwig: Der Jesuitismus im Hausstande. Berlin, 1873.

Bild:
<< vorherige Seite

Außerdem handelt es sich ja bei dieser Frage nur
um eine kurze Uebergangszeit, der ganze Einwand fällt
in nichts zusammen, sobald sich ein Cultusminister
findet, so groß, einsichtig und gerecht, um auch für
Mädchen Gymnasien zu eröffnen, wo sie für den dritten
Theil des Geldes zehnmal so viel lernen könnten, als
in den theuren und schlechten Mädchenschulen.

Jch komme nach dieser kleinen Abschweifung auf
mein Thema zurück.

Daß bis jetzt nur ein geringer Bestandtheil der
deutschen Frauenwelt sich für die Befreiung der Frauen
erwärmt, daß nur Wenige eine durchgreifende Reform
fordern, das mag wahr sein.

Eine große Zahl von Frauen wird durch ein sehr
einfaches Raisonnement von der Betheiligung an den
geforderten Reformen zurückgehalten. Sie monologisiren:

Jch esse und trinke gut, ich habe elegante Kleider,
ich frequentire Theater, Bälle u. s. w. Was wollen diese
Närrinnen denn eigentlich? Jch habe was ich brauche,
was gehen mich die Andern an?

Die zehn Tausend Glücklichen spotten der Millionen
Unglücklichen.

Wer glücklich ist, fühlt selten das Unglück der An-
deren, ebenso wenig wie ein Jeder, der für sich die
Freiheit wünscht, sie auch für Andere wünscht.

Außerdem handelt es sich ja bei dieser Frage nur
um eine kurze Uebergangszeit, der ganze Einwand fällt
in nichts zusammen, sobald sich ein Cultusminister
findet, so groß, einsichtig und gerecht, um auch für
Mädchen Gymnasien zu eröffnen, wo sie für den dritten
Theil des Geldes zehnmal so viel lernen könnten, als
in den theuren und schlechten Mädchenschulen.

Jch komme nach dieser kleinen Abschweifung auf
mein Thema zurück.

Daß bis jetzt nur ein geringer Bestandtheil der
deutschen Frauenwelt sich für die Befreiung der Frauen
erwärmt, daß nur Wenige eine durchgreifende Reform
fordern, das mag wahr sein.

Eine große Zahl von Frauen wird durch ein sehr
einfaches Raisonnement von der Betheiligung an den
geforderten Reformen zurückgehalten. Sie monologisiren:

Jch esse und trinke gut, ich habe elegante Kleider,
ich frequentire Theater, Bälle u. s. w. Was wollen diese
Närrinnen denn eigentlich? Jch habe was ich brauche,
was gehen mich die Andern an?

Die zehn Tausend Glücklichen spotten der Millionen
Unglücklichen.

Wer glücklich ist, fühlt selten das Unglück der An-
deren, ebenso wenig wie ein Jeder, der für sich die
Freiheit wünscht, sie auch für Andere wünscht.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0229" n="221"/>
          <p>Außerdem handelt es sich ja bei dieser Frage nur<lb/>
um eine kurze Uebergangszeit, der ganze Einwand fällt<lb/>
in nichts zusammen, sobald sich ein Cultusminister<lb/>
findet, so groß, einsichtig und gerecht, um auch für<lb/>
Mädchen Gymnasien zu eröffnen, wo sie für den dritten<lb/>
Theil des Geldes zehnmal so viel lernen könnten, als<lb/>
in den theuren und schlechten Mädchenschulen.</p><lb/>
          <p>Jch komme nach dieser kleinen Abschweifung auf<lb/>
mein Thema zurück.</p><lb/>
          <p>Daß bis jetzt nur ein geringer Bestandtheil der<lb/>
deutschen Frauenwelt sich für die Befreiung der Frauen<lb/>
erwärmt, daß nur Wenige eine durchgreifende Reform<lb/>
fordern, das mag wahr sein.</p><lb/>
          <p>Eine große Zahl von Frauen wird durch ein sehr<lb/>
einfaches Raisonnement von der Betheiligung an den<lb/>
geforderten Reformen zurückgehalten. Sie monologisiren:</p><lb/>
          <p>Jch esse und trinke gut, ich habe elegante Kleider,<lb/>
ich frequentire Theater, Bälle u. s. w. Was wollen diese<lb/>
Närrinnen denn eigentlich? Jch habe was ich brauche,<lb/>
was gehen mich die Andern an?</p><lb/>
          <p>Die zehn Tausend Glücklichen spotten der Millionen<lb/>
Unglücklichen.</p><lb/>
          <p>Wer glücklich ist, fühlt selten das Unglück der An-<lb/>
deren, ebenso wenig wie ein Jeder, der für sich die<lb/>
Freiheit wünscht, sie auch für Andere wünscht.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[221/0229] Außerdem handelt es sich ja bei dieser Frage nur um eine kurze Uebergangszeit, der ganze Einwand fällt in nichts zusammen, sobald sich ein Cultusminister findet, so groß, einsichtig und gerecht, um auch für Mädchen Gymnasien zu eröffnen, wo sie für den dritten Theil des Geldes zehnmal so viel lernen könnten, als in den theuren und schlechten Mädchenschulen. Jch komme nach dieser kleinen Abschweifung auf mein Thema zurück. Daß bis jetzt nur ein geringer Bestandtheil der deutschen Frauenwelt sich für die Befreiung der Frauen erwärmt, daß nur Wenige eine durchgreifende Reform fordern, das mag wahr sein. Eine große Zahl von Frauen wird durch ein sehr einfaches Raisonnement von der Betheiligung an den geforderten Reformen zurückgehalten. Sie monologisiren: Jch esse und trinke gut, ich habe elegante Kleider, ich frequentire Theater, Bälle u. s. w. Was wollen diese Närrinnen denn eigentlich? Jch habe was ich brauche, was gehen mich die Andern an? Die zehn Tausend Glücklichen spotten der Millionen Unglücklichen. Wer glücklich ist, fühlt selten das Unglück der An- deren, ebenso wenig wie ein Jeder, der für sich die Freiheit wünscht, sie auch für Andere wünscht.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-07-10T17:06:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-07-10T17:06:15Z)

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_jesuitismus_1873
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_jesuitismus_1873/229
Zitationshilfe: Dohm, Hedwig: Der Jesuitismus im Hausstande. Berlin, 1873, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_jesuitismus_1873/229>, abgerufen am 27.04.2024.