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Dohm, Hedwig: Der Jesuitismus im Hausstande. Berlin, 1873.

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Diogenes mit der Laterne, sich aus dem Kreise seiner
Bekannten die wahrhaft Bescheidenen heraussucht.

Man darf nur Bescheidenheit nicht mit jenem
stumpfen Gleichmuth oder jener passiven Zufriedenheit
verwechseln, die kümmerlichen Pflanzennaturen eigen ist,
die auf jedem Erdreich fortvegetiren. Am allerwenigsten
darf man Bescheidenheit von einer Menschenklasse ver-
langen und erwarten, der man von jeher ihren in
Wirklichkeit niederen und kleinen Wirkungskreis als einen
erhobenen und heiligen angepriesen hat.

Man kann nicht verlangen, daß eine Frau, der
man zuruft: Du bist eine Priesterin! einen Knix mache
und antworte: Verzeihen's, ich bin nur eine Köchin!

Jn der That, ich kenne wenig bescheidene Frauen,
und niemals habe ich bemerkt, daß man bei diesen
Wenigen die Bescheidenheit sonderlich anerkannt hätte.

Jm Gegentheil, in der Regel werden bescheidene
Frauen von ihren Gatten, Bekannten, Geschwistern bis
zu den Dienstboten herab schlecht behandelt, und ich bin
halb und halb überzeugt, daß dieselben Redner, die im
Parlament für weibliche Bescheidenheit schwärmen, sich
in ihren Salons sorgfältig vor der Annäherung an
einfache, bescheidene Hausfrauen hüten werden.

Frauen ganz anderer Art werden sie ihre Huldigungen
zu Füßen legen.

Diogenes mit der Laterne, sich aus dem Kreise seiner
Bekannten die wahrhaft Bescheidenen heraussucht.

Man darf nur Bescheidenheit nicht mit jenem
stumpfen Gleichmuth oder jener passiven Zufriedenheit
verwechseln, die kümmerlichen Pflanzennaturen eigen ist,
die auf jedem Erdreich fortvegetiren. Am allerwenigsten
darf man Bescheidenheit von einer Menschenklasse ver-
langen und erwarten, der man von jeher ihren in
Wirklichkeit niederen und kleinen Wirkungskreis als einen
erhobenen und heiligen angepriesen hat.

Man kann nicht verlangen, daß eine Frau, der
man zuruft: Du bist eine Priesterin! einen Knix mache
und antworte: Verzeihen's, ich bin nur eine Köchin!

Jn der That, ich kenne wenig bescheidene Frauen,
und niemals habe ich bemerkt, daß man bei diesen
Wenigen die Bescheidenheit sonderlich anerkannt hätte.

Jm Gegentheil, in der Regel werden bescheidene
Frauen von ihren Gatten, Bekannten, Geschwistern bis
zu den Dienstboten herab schlecht behandelt, und ich bin
halb und halb überzeugt, daß dieselben Redner, die im
Parlament für weibliche Bescheidenheit schwärmen, sich
in ihren Salons sorgfältig vor der Annäherung an
einfache, bescheidene Hausfrauen hüten werden.

Frauen ganz anderer Art werden sie ihre Huldigungen
zu Füßen legen.

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[203/0211] Diogenes mit der Laterne, sich aus dem Kreise seiner Bekannten die wahrhaft Bescheidenen heraussucht. Man darf nur Bescheidenheit nicht mit jenem stumpfen Gleichmuth oder jener passiven Zufriedenheit verwechseln, die kümmerlichen Pflanzennaturen eigen ist, die auf jedem Erdreich fortvegetiren. Am allerwenigsten darf man Bescheidenheit von einer Menschenklasse ver- langen und erwarten, der man von jeher ihren in Wirklichkeit niederen und kleinen Wirkungskreis als einen erhobenen und heiligen angepriesen hat. Man kann nicht verlangen, daß eine Frau, der man zuruft: Du bist eine Priesterin! einen Knix mache und antworte: Verzeihen's, ich bin nur eine Köchin! Jn der That, ich kenne wenig bescheidene Frauen, und niemals habe ich bemerkt, daß man bei diesen Wenigen die Bescheidenheit sonderlich anerkannt hätte. Jm Gegentheil, in der Regel werden bescheidene Frauen von ihren Gatten, Bekannten, Geschwistern bis zu den Dienstboten herab schlecht behandelt, und ich bin halb und halb überzeugt, daß dieselben Redner, die im Parlament für weibliche Bescheidenheit schwärmen, sich in ihren Salons sorgfältig vor der Annäherung an einfache, bescheidene Hausfrauen hüten werden. Frauen ganz anderer Art werden sie ihre Huldigungen zu Füßen legen.

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Zitationshilfe: Dohm, Hedwig: Der Jesuitismus im Hausstande. Berlin, 1873, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_jesuitismus_1873/211>, abgerufen am 28.04.2024.