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Dohm, Hedwig: Der Jesuitismus im Hausstande. Berlin, 1873.

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ich ausführen, daß dasjenige, was die Männer Weib-
lichkeit nennen, in gar keinem Zusammenhang mit dem
Charakter der Frau steht.

Unter weiblichem Charakter versteht der Mann ge-
meinhin die Abwesenheit jeglichen Charakters. Durch
ihre abhängige Lage bilden die Frauen ihre Persönlich-
keit nicht aus, sie bequemen sich vielmehr in der Regel
dem an, der sie füttert. Was die Männer weiblich
nennen, ist demnach nichts, als ein Zerrbild ihrer selbst,
ihr eigenes mattes Echo. Der Mann ist in der Ehe
ein Narciß, der sich in sein eigen Bild verliebt.

Gerade für Sanftmuth und Bescheidenheit haben die
Männer auffallend wenig Sinn.

Die sanfteste und bescheidenste aller Frauen pflegt
auf sie den Eindruck der Unweiblichkeit zu machen, wenn
ihr Organ rauh ist und ihre Bewegungen eckig sind,
oder wenn sie im Laufe ihres Lebens ihrer Jugend ver-
lustig gegangen ist, während die verworfenste Jntrigantin
ihnen oft genug im Licht holdseliger Weiblichkeit er-
scheinen mag, ohne daß sie gerade mehr zu heucheln
braucht, als Frauen es im Allgemeinen thun.

Bianca Eenci, die ihren Vater umgebracht hat,
steht uns Allen als ein Bild hinreißender Lieblichkeit
vor Augen.

Jn Lukrezia Borgia, wenn sie nicht gerade mit Um-

ich ausführen, daß dasjenige, was die Männer Weib-
lichkeit nennen, in gar keinem Zusammenhang mit dem
Charakter der Frau steht.

Unter weiblichem Charakter versteht der Mann ge-
meinhin die Abwesenheit jeglichen Charakters. Durch
ihre abhängige Lage bilden die Frauen ihre Persönlich-
keit nicht aus, sie bequemen sich vielmehr in der Regel
dem an, der sie füttert. Was die Männer weiblich
nennen, ist demnach nichts, als ein Zerrbild ihrer selbst,
ihr eigenes mattes Echo. Der Mann ist in der Ehe
ein Narciß, der sich in sein eigen Bild verliebt.

Gerade für Sanftmuth und Bescheidenheit haben die
Männer auffallend wenig Sinn.

Die sanfteste und bescheidenste aller Frauen pflegt
auf sie den Eindruck der Unweiblichkeit zu machen, wenn
ihr Organ rauh ist und ihre Bewegungen eckig sind,
oder wenn sie im Laufe ihres Lebens ihrer Jugend ver-
lustig gegangen ist, während die verworfenste Jntrigantin
ihnen oft genug im Licht holdseliger Weiblichkeit er-
scheinen mag, ohne daß sie gerade mehr zu heucheln
braucht, als Frauen es im Allgemeinen thun.

Bianca Eenci, die ihren Vater umgebracht hat,
steht uns Allen als ein Bild hinreißender Lieblichkeit
vor Augen.

Jn Lukrezia Borgia, wenn sie nicht gerade mit Um-

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[191/0199] ich ausführen, daß dasjenige, was die Männer Weib- lichkeit nennen, in gar keinem Zusammenhang mit dem Charakter der Frau steht. Unter weiblichem Charakter versteht der Mann ge- meinhin die Abwesenheit jeglichen Charakters. Durch ihre abhängige Lage bilden die Frauen ihre Persönlich- keit nicht aus, sie bequemen sich vielmehr in der Regel dem an, der sie füttert. Was die Männer weiblich nennen, ist demnach nichts, als ein Zerrbild ihrer selbst, ihr eigenes mattes Echo. Der Mann ist in der Ehe ein Narciß, der sich in sein eigen Bild verliebt. Gerade für Sanftmuth und Bescheidenheit haben die Männer auffallend wenig Sinn. Die sanfteste und bescheidenste aller Frauen pflegt auf sie den Eindruck der Unweiblichkeit zu machen, wenn ihr Organ rauh ist und ihre Bewegungen eckig sind, oder wenn sie im Laufe ihres Lebens ihrer Jugend ver- lustig gegangen ist, während die verworfenste Jntrigantin ihnen oft genug im Licht holdseliger Weiblichkeit er- scheinen mag, ohne daß sie gerade mehr zu heucheln braucht, als Frauen es im Allgemeinen thun. Bianca Eenci, die ihren Vater umgebracht hat, steht uns Allen als ein Bild hinreißender Lieblichkeit vor Augen. Jn Lukrezia Borgia, wenn sie nicht gerade mit Um-

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Zitationshilfe: Dohm, Hedwig: Der Jesuitismus im Hausstande. Berlin, 1873, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_jesuitismus_1873/199>, abgerufen am 04.05.2024.