Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dohm, Hedwig: Der Jesuitismus im Hausstande. Berlin, 1873.

Bild:
<< vorherige Seite

Aus welcher Kraft floß Nathan der Weise? Aus
Liebe.

Aus welchem Quell die Reformation? Aus Liebe.

Nur ein Herz voll glühender Liebe erzeugt den
großen Dichter, den großen Reformator, den Märtyrer.

Gepaart ist diese Liebe immerdar mit dem tiefsten
Schmerz. Es sieht der Dichter, der Reformator dies
Blut rinnen aus den Wunden der Menschheit und rast-
los, bis in den Tod sucht er den Balsam, sie zu heilen.

Eine Hausfrau aber kann recht gut die Wirthschaft
führen, im Eingemachten Lorbeeren davontragen, recht-
schaffen für Kind und Mann sorgen und doch kalt sein
wie der Aal, den sie schlachtet.

Kalt, sage ich, wenn sie es auch zu Stande bringt,
Mann und Kind mit sich zu identificiren und einen
Mischmasch von Liebe und kleinlichem Egoismus zu er-
zeugen, den man den heiligen Frauenberuf nennt und
der einer ordinären Selbstliebe gleich sieht wie ein Ei
dem andern. Jch kenne mehr als eine Frau von ganz
gemeiner Art, die nichtsdestoweniger ihren Mann und
ihre Kinder liebt.

Sollen wir es den Frauen als hohe Tugend an-
rechnen, daß sie nicht ganz verworfen sind, daß sie
noch die Fähigkeit haben, ihr Herz an irgend ein
menschliches Wesen zu hängen.

Aus welcher Kraft floß Nathan der Weise? Aus
Liebe.

Aus welchem Quell die Reformation? Aus Liebe.

Nur ein Herz voll glühender Liebe erzeugt den
großen Dichter, den großen Reformator, den Märtyrer.

Gepaart ist diese Liebe immerdar mit dem tiefsten
Schmerz. Es sieht der Dichter, der Reformator dies
Blut rinnen aus den Wunden der Menschheit und rast-
los, bis in den Tod sucht er den Balsam, sie zu heilen.

Eine Hausfrau aber kann recht gut die Wirthschaft
führen, im Eingemachten Lorbeeren davontragen, recht-
schaffen für Kind und Mann sorgen und doch kalt sein
wie der Aal, den sie schlachtet.

Kalt, sage ich, wenn sie es auch zu Stande bringt,
Mann und Kind mit sich zu identificiren und einen
Mischmasch von Liebe und kleinlichem Egoismus zu er-
zeugen, den man den heiligen Frauenberuf nennt und
der einer ordinären Selbstliebe gleich sieht wie ein Ei
dem andern. Jch kenne mehr als eine Frau von ganz
gemeiner Art, die nichtsdestoweniger ihren Mann und
ihre Kinder liebt.

Sollen wir es den Frauen als hohe Tugend an-
rechnen, daß sie nicht ganz verworfen sind, daß sie
noch die Fähigkeit haben, ihr Herz an irgend ein
menschliches Wesen zu hängen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0156" n="148"/>
          <p>Aus welcher Kraft floß Nathan der Weise? Aus<lb/>
Liebe.</p><lb/>
          <p>Aus welchem Quell die Reformation? Aus Liebe.</p><lb/>
          <p>Nur ein Herz voll glühender Liebe erzeugt den<lb/>
großen Dichter, den großen Reformator, den Märtyrer.</p><lb/>
          <p>Gepaart ist diese Liebe immerdar mit dem tiefsten<lb/>
Schmerz. Es sieht der Dichter, der Reformator dies<lb/>
Blut rinnen aus den Wunden der Menschheit und rast-<lb/>
los, bis in den Tod sucht er den Balsam, sie zu heilen.</p><lb/>
          <p>Eine Hausfrau aber kann recht gut die Wirthschaft<lb/>
führen, im Eingemachten Lorbeeren davontragen, recht-<lb/>
schaffen für Kind und Mann sorgen und doch kalt sein<lb/>
wie der Aal, den sie schlachtet.</p><lb/>
          <p>Kalt, sage ich, wenn sie es auch zu Stande bringt,<lb/>
Mann und Kind mit sich zu identificiren und einen<lb/>
Mischmasch von Liebe und kleinlichem Egoismus zu er-<lb/>
zeugen, den man den heiligen Frauenberuf nennt und<lb/>
der einer ordinären Selbstliebe gleich sieht wie ein Ei<lb/>
dem andern. Jch kenne mehr als eine Frau von ganz<lb/>
gemeiner Art, die nichtsdestoweniger ihren Mann und<lb/>
ihre Kinder liebt.</p><lb/>
          <p>Sollen wir es den Frauen als hohe Tugend an-<lb/>
rechnen, daß sie nicht ganz verworfen sind, daß sie<lb/>
noch die Fähigkeit haben, ihr Herz an irgend ein<lb/>
menschliches Wesen zu hängen.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[148/0156] Aus welcher Kraft floß Nathan der Weise? Aus Liebe. Aus welchem Quell die Reformation? Aus Liebe. Nur ein Herz voll glühender Liebe erzeugt den großen Dichter, den großen Reformator, den Märtyrer. Gepaart ist diese Liebe immerdar mit dem tiefsten Schmerz. Es sieht der Dichter, der Reformator dies Blut rinnen aus den Wunden der Menschheit und rast- los, bis in den Tod sucht er den Balsam, sie zu heilen. Eine Hausfrau aber kann recht gut die Wirthschaft führen, im Eingemachten Lorbeeren davontragen, recht- schaffen für Kind und Mann sorgen und doch kalt sein wie der Aal, den sie schlachtet. Kalt, sage ich, wenn sie es auch zu Stande bringt, Mann und Kind mit sich zu identificiren und einen Mischmasch von Liebe und kleinlichem Egoismus zu er- zeugen, den man den heiligen Frauenberuf nennt und der einer ordinären Selbstliebe gleich sieht wie ein Ei dem andern. Jch kenne mehr als eine Frau von ganz gemeiner Art, die nichtsdestoweniger ihren Mann und ihre Kinder liebt. Sollen wir es den Frauen als hohe Tugend an- rechnen, daß sie nicht ganz verworfen sind, daß sie noch die Fähigkeit haben, ihr Herz an irgend ein menschliches Wesen zu hängen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-07-10T17:06:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-07-10T17:06:15Z)

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_jesuitismus_1873
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_jesuitismus_1873/156
Zitationshilfe: Dohm, Hedwig: Der Jesuitismus im Hausstande. Berlin, 1873, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_jesuitismus_1873/156>, abgerufen am 23.11.2024.