Cotelett und ein großes Stück Braten, Frau B. fertigt das Kind mit einem halben Cotelett und einem homöo- pathisch kleinen Stückchen Braten ab.
Erlauben nun die pekuniären Verhältnisse der Fa- milie B. jedem Kinde ein ganzes Cotelett zu geben, und die Mutter giebt ihm nur ein halbes, so ist sie nicht eine sparsame, sondern eine schlechte Hausfrau.
Daß Frau A., die 30 Thlr. für Fleisch ausgiebt, damit über ihre Verhältnisse hinausgeht, ist nicht anzu- nehmen; mir ist wenigstens keine einzige Hausfrau be- kannt, die sich in Fleisch zu Grunde gerichtet hätte. Eher würde ich an unbezahlte Gerson'sche Rechnungen glauben.
Freilich gebe ich zu, daß, wie auf allen Gebieten, so auch in der sparsamen Wirthschaftsführung eine sehr kluge Frau einer beschränkten gegenüber im Vortheil sein wird; mehr aber noch als den Geldersparnissen wird dieser intellektuelle Vorzug der Behaglichkeit des ganzen Hauswesens zu Gute kommen.
Und thut man nicht gerade, als wäre Sparsamkeit die größte Tugend, die eine Frau üben könne? An einem Manne findet man es nicht liebenswürdig, wenn er allzu sparsam sich zeigt. Er muß gentil sein. Ent- spräche aber nicht die Sparsamkeit vielmehr den soge- nannten männlichen Eigenschaften: der Energie, Straff-
Cotelett und ein großes Stück Braten, Frau B. fertigt das Kind mit einem halben Cotelett und einem homöo- pathisch kleinen Stückchen Braten ab.
Erlauben nun die pekuniären Verhältnisse der Fa- milie B. jedem Kinde ein ganzes Cotelett zu geben, und die Mutter giebt ihm nur ein halbes, so ist sie nicht eine sparsame, sondern eine schlechte Hausfrau.
Daß Frau A., die 30 Thlr. für Fleisch ausgiebt, damit über ihre Verhältnisse hinausgeht, ist nicht anzu- nehmen; mir ist wenigstens keine einzige Hausfrau be- kannt, die sich in Fleisch zu Grunde gerichtet hätte. Eher würde ich an unbezahlte Gerson'sche Rechnungen glauben.
Freilich gebe ich zu, daß, wie auf allen Gebieten, so auch in der sparsamen Wirthschaftsführung eine sehr kluge Frau einer beschränkten gegenüber im Vortheil sein wird; mehr aber noch als den Geldersparnissen wird dieser intellektuelle Vorzug der Behaglichkeit des ganzen Hauswesens zu Gute kommen.
Und thut man nicht gerade, als wäre Sparsamkeit die größte Tugend, die eine Frau üben könne? An einem Manne findet man es nicht liebenswürdig, wenn er allzu sparsam sich zeigt. Er muß gentil sein. Ent- spräche aber nicht die Sparsamkeit vielmehr den soge- nannten männlichen Eigenschaften: der Energie, Straff-
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Cotelett und ein großes Stück Braten, Frau B. fertigt
das Kind mit einem halben Cotelett und einem homöo-
pathisch kleinen Stückchen Braten ab.
Erlauben nun die pekuniären Verhältnisse der Fa-
milie B. jedem Kinde ein ganzes Cotelett zu geben, und
die Mutter giebt ihm nur ein halbes, so ist sie nicht
eine sparsame, sondern eine schlechte Hausfrau.
Daß Frau A., die 30 Thlr. für Fleisch ausgiebt,
damit über ihre Verhältnisse hinausgeht, ist nicht anzu-
nehmen; mir ist wenigstens keine einzige Hausfrau be-
kannt, die sich in Fleisch zu Grunde gerichtet hätte.
Eher würde ich an unbezahlte Gerson'sche Rechnungen
glauben.
Freilich gebe ich zu, daß, wie auf allen Gebieten,
so auch in der sparsamen Wirthschaftsführung eine sehr
kluge Frau einer beschränkten gegenüber im Vortheil sein
wird; mehr aber noch als den Geldersparnissen wird
dieser intellektuelle Vorzug der Behaglichkeit des ganzen
Hauswesens zu Gute kommen.
Und thut man nicht gerade, als wäre Sparsamkeit
die größte Tugend, die eine Frau üben könne? An
einem Manne findet man es nicht liebenswürdig, wenn
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Dohm, Hedwig: Der Jesuitismus im Hausstande. Berlin, 1873, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_jesuitismus_1873/122>, abgerufen am 16.02.2025.
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