Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dohm, Hedwig: Der Jesuitismus im Hausstande. Berlin, 1873.

Bild:
<< vorherige Seite

Man darf aber nicht vergessen , daß die kleinstädtische
Hausfrau, wenigstens wie ich sie in Nord- und Mittel-
Deutschland kennen gelernt habe, sich von ihrer Magd
durch nichts unterscheidet, als durch eine etwas geringere
Anzahl grammatikalischer und orthographischer Excesse
und einige schlechtsitzende Seidenroben nebst dazu gehöri-
gen Coiffüren für den verrufenen Damenkaffee.

Die Hausfrau unterbricht mich entrüstet: "Als ob
es darauf ankäme, wie viel ich arbeite; in dem Zusam-
menhalten des Geldes, in der sparsamen Wirthschafts-
führung liegt mein Verdienst.

Jn der That, wenn die Frauen ihre Männer in
gemüthreichen Stunden von dem Glück zu überzeugen
suchen, welches das Schicksal in ihrer holden Person
über sie (die Männer) verhängt, so vergessen sie nie
hervorzuheben, daß ihre Sparsamkeit ein Vermögen
aufwöge.

Der Wahrheit zu lieb muß ich diesen Nimbus zer-
stören.

Von vornherein wird es sich doch keine Frau zum
Verdienst anrechnen, daß sie keine Verschwenderin ist,
also von einem offenbaren Laster besessen ist. Ebenso
gut könnte sie sich rühmen, daß sie sich nicht der Trunk-
sucht oder dem Spiele ergeben habe.

Abnorme Laster gehören nicht in unsern Gesichtskreis.

Man darf aber nicht vergessen , daß die kleinstädtische
Hausfrau, wenigstens wie ich sie in Nord- und Mittel-
Deutschland kennen gelernt habe, sich von ihrer Magd
durch nichts unterscheidet, als durch eine etwas geringere
Anzahl grammatikalischer und orthographischer Excesse
und einige schlechtsitzende Seidenroben nebst dazu gehöri-
gen Coiffüren für den verrufenen Damenkaffee.

Die Hausfrau unterbricht mich entrüstet: „Als ob
es darauf ankäme, wie viel ich arbeite; in dem Zusam-
menhalten des Geldes, in der sparsamen Wirthschafts-
führung liegt mein Verdienst.

Jn der That, wenn die Frauen ihre Männer in
gemüthreichen Stunden von dem Glück zu überzeugen
suchen, welches das Schicksal in ihrer holden Person
über sie (die Männer) verhängt, so vergessen sie nie
hervorzuheben, daß ihre Sparsamkeit ein Vermögen
aufwöge.

Der Wahrheit zu lieb muß ich diesen Nimbus zer-
stören.

Von vornherein wird es sich doch keine Frau zum
Verdienst anrechnen, daß sie keine Verschwenderin ist,
also von einem offenbaren Laster besessen ist. Ebenso
gut könnte sie sich rühmen, daß sie sich nicht der Trunk-
sucht oder dem Spiele ergeben habe.

Abnorme Laster gehören nicht in unsern Gesichtskreis.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0120" n="112"/>
Man darf aber nicht vergessen , daß die kleinstädtische<lb/>
Hausfrau, wenigstens wie ich sie in Nord- und Mittel-<lb/>
Deutschland kennen gelernt habe, sich von ihrer Magd<lb/>
durch nichts unterscheidet, als durch eine etwas geringere<lb/>
Anzahl grammatikalischer und orthographischer Excesse<lb/>
und einige schlechtsitzende Seidenroben nebst dazu gehöri-<lb/>
gen Coiffüren für den verrufenen Damenkaffee.</p><lb/>
          <p>Die Hausfrau unterbricht mich entrüstet: &#x201E;Als ob<lb/>
es darauf ankäme, wie viel ich arbeite; in dem Zusam-<lb/>
menhalten des Geldes, in der sparsamen Wirthschafts-<lb/>
führung liegt mein Verdienst.</p><lb/>
          <p>Jn der That, wenn die Frauen ihre Männer in<lb/>
gemüthreichen Stunden von dem Glück zu überzeugen<lb/>
suchen, welches das Schicksal in ihrer holden Person<lb/>
über sie (die Männer) verhängt, so vergessen sie nie<lb/>
hervorzuheben, daß ihre Sparsamkeit ein Vermögen<lb/>
aufwöge.</p><lb/>
          <p>Der Wahrheit zu lieb muß ich diesen Nimbus zer-<lb/>
stören.</p><lb/>
          <p>Von vornherein wird es sich doch keine Frau zum<lb/>
Verdienst anrechnen, daß sie keine Verschwenderin ist,<lb/>
also von einem offenbaren Laster besessen ist. Ebenso<lb/>
gut könnte sie sich rühmen, daß sie sich nicht der Trunk-<lb/>
sucht oder dem Spiele ergeben habe.</p><lb/>
          <p>Abnorme Laster gehören nicht in unsern Gesichtskreis.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[112/0120] Man darf aber nicht vergessen , daß die kleinstädtische Hausfrau, wenigstens wie ich sie in Nord- und Mittel- Deutschland kennen gelernt habe, sich von ihrer Magd durch nichts unterscheidet, als durch eine etwas geringere Anzahl grammatikalischer und orthographischer Excesse und einige schlechtsitzende Seidenroben nebst dazu gehöri- gen Coiffüren für den verrufenen Damenkaffee. Die Hausfrau unterbricht mich entrüstet: „Als ob es darauf ankäme, wie viel ich arbeite; in dem Zusam- menhalten des Geldes, in der sparsamen Wirthschafts- führung liegt mein Verdienst. Jn der That, wenn die Frauen ihre Männer in gemüthreichen Stunden von dem Glück zu überzeugen suchen, welches das Schicksal in ihrer holden Person über sie (die Männer) verhängt, so vergessen sie nie hervorzuheben, daß ihre Sparsamkeit ein Vermögen aufwöge. Der Wahrheit zu lieb muß ich diesen Nimbus zer- stören. Von vornherein wird es sich doch keine Frau zum Verdienst anrechnen, daß sie keine Verschwenderin ist, also von einem offenbaren Laster besessen ist. Ebenso gut könnte sie sich rühmen, daß sie sich nicht der Trunk- sucht oder dem Spiele ergeben habe. Abnorme Laster gehören nicht in unsern Gesichtskreis.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-07-10T17:06:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-07-10T17:06:15Z)

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_jesuitismus_1873
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_jesuitismus_1873/120
Zitationshilfe: Dohm, Hedwig: Der Jesuitismus im Hausstande. Berlin, 1873, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_jesuitismus_1873/120>, abgerufen am 04.05.2024.