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Dohm, Hedwig: Der Jesuitismus im Hausstande. Berlin, 1873.

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Mit dem edlen Stolz jener Grachenmutter nennt
sie ihre Kinder ihre Politik, das Kochbuch ihre Literatur,
die Wäsche ihre Lebensfrage. Sie hält es förmlich für
eine Beleidigung, wenn Du ihr z. B. Jnteresse an der
Politik zutraust.

Die absolute Sicherheit, mit der sie von ihren Voll-
kommenheiten spricht, macht oft selbst den, der mit ihren
Schlichen vertraut ist, irre an seiner Einsicht.

So erzählte mir jüngst eine Dame, der keinerlei
häusliche Tugenden zuzutrauen, ich allen Grund hatte,
daß sie zwölf Arten von Klops zu bereiten verstände.

Und sie sprach mit solchem Feuer, mit so gediegener
Sachkenntniß, daß ich nahe daran war, mein durch
Präcedenzfälle erzeugtes Vorurtheil fahren zu lassen.

Als ich aber kurz darauf in ihrem Hause Gelegen-
heit fand, die erste dieser Klopsarbeiten zu probiren,
schenkte ich ihr, meinen Magen zu lieb, der auf steinige
Kost nicht reagirt, die elf anderen.

Was der guten Hausfrau ein so großes Ansehen
giebt, und ihr vielfach eine förmliche Hochachtung zu-
zieht, ist dies:

Wenn sie in unglaublicher Naivetät ihre Schwächen
als Vollkommenheiten preist, so lügt sie nicht, sondern
spricht aus voller Ueberzeugung und unerschütterlicher
Dummheit.

Mit dem edlen Stolz jener Grachenmutter nennt
sie ihre Kinder ihre Politik, das Kochbuch ihre Literatur,
die Wäsche ihre Lebensfrage. Sie hält es förmlich für
eine Beleidigung, wenn Du ihr z. B. Jnteresse an der
Politik zutraust.

Die absolute Sicherheit, mit der sie von ihren Voll-
kommenheiten spricht, macht oft selbst den, der mit ihren
Schlichen vertraut ist, irre an seiner Einsicht.

So erzählte mir jüngst eine Dame, der keinerlei
häusliche Tugenden zuzutrauen, ich allen Grund hatte,
daß sie zwölf Arten von Klops zu bereiten verstände.

Und sie sprach mit solchem Feuer, mit so gediegener
Sachkenntniß, daß ich nahe daran war, mein durch
Präcedenzfälle erzeugtes Vorurtheil fahren zu lassen.

Als ich aber kurz darauf in ihrem Hause Gelegen-
heit fand, die erste dieser Klopsarbeiten zu probiren,
schenkte ich ihr, meinen Magen zu lieb, der auf steinige
Kost nicht reagirt, die elf anderen.

Was der guten Hausfrau ein so großes Ansehen
giebt, und ihr vielfach eine förmliche Hochachtung zu-
zieht, ist dies:

Wenn sie in unglaublicher Naivetät ihre Schwächen
als Vollkommenheiten preist, so lügt sie nicht, sondern
spricht aus voller Ueberzeugung und unerschütterlicher
Dummheit.

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[92/0100] Mit dem edlen Stolz jener Grachenmutter nennt sie ihre Kinder ihre Politik, das Kochbuch ihre Literatur, die Wäsche ihre Lebensfrage. Sie hält es förmlich für eine Beleidigung, wenn Du ihr z. B. Jnteresse an der Politik zutraust. Die absolute Sicherheit, mit der sie von ihren Voll- kommenheiten spricht, macht oft selbst den, der mit ihren Schlichen vertraut ist, irre an seiner Einsicht. So erzählte mir jüngst eine Dame, der keinerlei häusliche Tugenden zuzutrauen, ich allen Grund hatte, daß sie zwölf Arten von Klops zu bereiten verstände. Und sie sprach mit solchem Feuer, mit so gediegener Sachkenntniß, daß ich nahe daran war, mein durch Präcedenzfälle erzeugtes Vorurtheil fahren zu lassen. Als ich aber kurz darauf in ihrem Hause Gelegen- heit fand, die erste dieser Klopsarbeiten zu probiren, schenkte ich ihr, meinen Magen zu lieb, der auf steinige Kost nicht reagirt, die elf anderen. Was der guten Hausfrau ein so großes Ansehen giebt, und ihr vielfach eine förmliche Hochachtung zu- zieht, ist dies: Wenn sie in unglaublicher Naivetät ihre Schwächen als Vollkommenheiten preist, so lügt sie nicht, sondern spricht aus voller Ueberzeugung und unerschütterlicher Dummheit.

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Zitationshilfe: Dohm, Hedwig: Der Jesuitismus im Hausstande. Berlin, 1873, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_jesuitismus_1873/100>, abgerufen am 28.04.2024.