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Dohm, Hedwig: Der Frauen Natur und Recht. Berlin, 1876.

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mit dem weiblichen Reiz zu thun. Wären in einem
einzigen Weibe alle weiblichen Eigenschaften der Welt
vereinigt, Sanftmuth, rührendste Bescheidenheit, orienta-
lische Passivität, anhaltende Aufopferungslust, unver-
tilgbare Freude am Gehorsam, und hätte sie dazu
zwei schielende Augen, was sag ich - nur ein einziges,
so wäre sie in den Augen der Männer der Weiblichkeit
baar. Gliche sie in ihrem Gemüth einer Griseldis und
Desdemona, einem Lamm oder einer Taube, und sie
hätte nur einen ganz kleinen, winzigen, unverschuldeten
Buckel, so wäre sie in den Augen der Männer kein
Weib, sondern ein Neutrum.

Ganz unverfroren sagt ein recht renommirter
französischer Schriftsteller E. de Neufoille: "Schönheit
ist die Mission des Weibes, unter andern Bedingungen
existirt es nicht. Ohne diese kostbare Gabe verschwin-
det es aus der Welt, wo man liebt." Jch weiß nicht,
ob der Gedanke von mir herrührt, oder ob ich ihn
irgendwo gelesen habe, daß man abwarten muß, bis
eine Frau aufgehört hat, hübsch zu sein, um über ihr
Verdienst und ihre Talente urtheilen zu können.

Diesen Gedanken muß ich, selbst wenn ich ihn ge-
faßt haben sollte, als einseitig und falsch verwerfen.

Richtig ist nur, daß, so lange eine Frau hübsch
ist, kein Mann im Stande ist, sie zu beurtheilen; hat

mit dem weiblichen Reiz zu thun. Wären in einem
einzigen Weibe alle weiblichen Eigenschaften der Welt
vereinigt, Sanftmuth, rührendste Bescheidenheit, orienta-
lische Passivität, anhaltende Aufopferungslust, unver-
tilgbare Freude am Gehorsam, und hätte sie dazu
zwei schielende Augen, was sag ich – nur ein einziges,
so wäre sie in den Augen der Männer der Weiblichkeit
baar. Gliche sie in ihrem Gemüth einer Griseldis und
Desdemona, einem Lamm oder einer Taube, und sie
hätte nur einen ganz kleinen, winzigen, unverschuldeten
Buckel, so wäre sie in den Augen der Männer kein
Weib, sondern ein Neutrum.

Ganz unverfroren sagt ein recht renommirter
französischer Schriftsteller E. de Neufoille: „Schönheit
ist die Mission des Weibes, unter andern Bedingungen
existirt es nicht. Ohne diese kostbare Gabe verschwin-
det es aus der Welt, wo man liebt.‟ Jch weiß nicht,
ob der Gedanke von mir herrührt, oder ob ich ihn
irgendwo gelesen habe, daß man abwarten muß, bis
eine Frau aufgehört hat, hübsch zu sein, um über ihr
Verdienst und ihre Talente urtheilen zu können.

Diesen Gedanken muß ich, selbst wenn ich ihn ge-
faßt haben sollte, als einseitig und falsch verwerfen.

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[43/0051] mit dem weiblichen Reiz zu thun. Wären in einem einzigen Weibe alle weiblichen Eigenschaften der Welt vereinigt, Sanftmuth, rührendste Bescheidenheit, orienta- lische Passivität, anhaltende Aufopferungslust, unver- tilgbare Freude am Gehorsam, und hätte sie dazu zwei schielende Augen, was sag ich – nur ein einziges, so wäre sie in den Augen der Männer der Weiblichkeit baar. Gliche sie in ihrem Gemüth einer Griseldis und Desdemona, einem Lamm oder einer Taube, und sie hätte nur einen ganz kleinen, winzigen, unverschuldeten Buckel, so wäre sie in den Augen der Männer kein Weib, sondern ein Neutrum. Ganz unverfroren sagt ein recht renommirter französischer Schriftsteller E. de Neufoille: „Schönheit ist die Mission des Weibes, unter andern Bedingungen existirt es nicht. Ohne diese kostbare Gabe verschwin- det es aus der Welt, wo man liebt.‟ Jch weiß nicht, ob der Gedanke von mir herrührt, oder ob ich ihn irgendwo gelesen habe, daß man abwarten muß, bis eine Frau aufgehört hat, hübsch zu sein, um über ihr Verdienst und ihre Talente urtheilen zu können. Diesen Gedanken muß ich, selbst wenn ich ihn ge- faßt haben sollte, als einseitig und falsch verwerfen. Richtig ist nur, daß, so lange eine Frau hübsch ist, kein Mann im Stande ist, sie zu beurtheilen; hat  

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Zitationshilfe: Dohm, Hedwig: Der Frauen Natur und Recht. Berlin, 1876, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_frauenfrage_1876/51>, abgerufen am 28.11.2024.