Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dohm, Hedwig: Der Frauen Natur und Recht. Berlin, 1876.

Bild:
<< vorherige Seite

Hypothesen oder Jnspirationen, die einer genügend
wissenschaftlichen oder empirischen Grundlage ent-
behren, so hüte ich mich, sie dem Publikum auf-
zudrängen.

Als ich den nachfolgenden Aufsatz beendet hatte,
war ich einen Augenblick nahe daran, ihn in's Feuer
zu werfen. Was wird durch solches Geschreibsel ge-
fördert, fragte ich mich, wen bekehrst du damit? Wahr-
scheinlich Niemand. Wenn ich ihn trotzdem nicht ver-
brannte, so hielt mich folgende Reflexion davon zurück:
Jst diese Abhandlung, sagte ich mir, auch nur ein kleines
Detailgefecht, ein unbedeutendes Geplänkel, so gilt es
doch, wie meine früheren Schriften, dem Todfeinde des
heutigen Menschengeschlechts, der Heuchelei. Der Heu-
chelei, die entweder die servile Magd einer Parade-
moral ist, die das Wort setzt an Stelle der That und
die Zunge anstatt des Herzens, oder sie ist eine eiserne
Maske, hinter der straflos alle Todsünden incognito
begangen werden. Und ich sagte mir: wer auch nur
die Haut dieser modernen Sündenschlange ritzt, der
sollte stets, wenn er eines Buchhändlers oder eines Re-
dakteurs habhaft werden kann, seine That drucken lassen.
Kleine Vorpostengefechte müssen den großen Schlachten
vorausgehen.



Hypothesen oder Jnspirationen, die einer genügend
wissenschaftlichen oder empirischen Grundlage ent-
behren, so hüte ich mich, sie dem Publikum auf-
zudrängen.

Als ich den nachfolgenden Aufsatz beendet hatte,
war ich einen Augenblick nahe daran, ihn in's Feuer
zu werfen. Was wird durch solches Geschreibsel ge-
fördert, fragte ich mich, wen bekehrst du damit? Wahr-
scheinlich Niemand. Wenn ich ihn trotzdem nicht ver-
brannte, so hielt mich folgende Reflexion davon zurück:
Jst diese Abhandlung, sagte ich mir, auch nur ein kleines
Detailgefecht, ein unbedeutendes Geplänkel, so gilt es
doch, wie meine früheren Schriften, dem Todfeinde des
heutigen Menschengeschlechts, der Heuchelei. Der Heu-
chelei, die entweder die servile Magd einer Parade-
moral ist, die das Wort setzt an Stelle der That und
die Zunge anstatt des Herzens, oder sie ist eine eiserne
Maske, hinter der straflos alle Todsünden incognito
begangen werden. Und ich sagte mir: wer auch nur
die Haut dieser modernen Sündenschlange ritzt, der
sollte stets, wenn er eines Buchhändlers oder eines Re-
dakteurs habhaft werden kann, seine That drucken lassen.
Kleine Vorpostengefechte müssen den großen Schlachten
vorausgehen.



<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0010" n="2"/>
Hypothesen oder Jnspirationen, die einer genügend<lb/>
wissenschaftlichen oder empirischen Grundlage ent-<lb/>
behren, so hüte ich mich, sie dem Publikum auf-<lb/>
zudrängen.</p><lb/>
        <p>Als ich den nachfolgenden Aufsatz beendet hatte,<lb/>
war ich einen Augenblick nahe daran, ihn in's Feuer<lb/>
zu werfen. Was wird durch solches Geschreibsel ge-<lb/>
fördert, fragte ich mich, wen bekehrst du damit? Wahr-<lb/>
scheinlich Niemand. Wenn ich ihn trotzdem nicht ver-<lb/>
brannte, so hielt mich folgende Reflexion davon zurück:<lb/>
Jst diese Abhandlung, sagte ich mir, auch nur ein kleines<lb/>
Detailgefecht, ein unbedeutendes Geplänkel, so gilt es<lb/>
doch, wie meine früheren Schriften, dem Todfeinde des<lb/>
heutigen Menschengeschlechts, der Heuchelei. Der Heu-<lb/>
chelei, die entweder die servile Magd einer Parade-<lb/>
moral ist, die das Wort setzt an Stelle der That und<lb/>
die Zunge anstatt des Herzens, oder sie ist eine eiserne<lb/>
Maske, hinter der straflos alle Todsünden incognito<lb/>
begangen werden. Und ich sagte mir: wer auch nur<lb/>
die Haut dieser modernen Sündenschlange ritzt, der<lb/>
sollte stets, wenn er eines Buchhändlers oder eines Re-<lb/>
dakteurs habhaft werden kann, seine That drucken lassen.<lb/>
Kleine Vorpostengefechte müssen den großen Schlachten<lb/>
vorausgehen.</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[2/0010] Hypothesen oder Jnspirationen, die einer genügend wissenschaftlichen oder empirischen Grundlage ent- behren, so hüte ich mich, sie dem Publikum auf- zudrängen. Als ich den nachfolgenden Aufsatz beendet hatte, war ich einen Augenblick nahe daran, ihn in's Feuer zu werfen. Was wird durch solches Geschreibsel ge- fördert, fragte ich mich, wen bekehrst du damit? Wahr- scheinlich Niemand. Wenn ich ihn trotzdem nicht ver- brannte, so hielt mich folgende Reflexion davon zurück: Jst diese Abhandlung, sagte ich mir, auch nur ein kleines Detailgefecht, ein unbedeutendes Geplänkel, so gilt es doch, wie meine früheren Schriften, dem Todfeinde des heutigen Menschengeschlechts, der Heuchelei. Der Heu- chelei, die entweder die servile Magd einer Parade- moral ist, die das Wort setzt an Stelle der That und die Zunge anstatt des Herzens, oder sie ist eine eiserne Maske, hinter der straflos alle Todsünden incognito begangen werden. Und ich sagte mir: wer auch nur die Haut dieser modernen Sündenschlange ritzt, der sollte stets, wenn er eines Buchhändlers oder eines Re- dakteurs habhaft werden kann, seine That drucken lassen. Kleine Vorpostengefechte müssen den großen Schlachten vorausgehen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-04-07T16:13:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-04-07T16:13:32Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_frauenfrage_1876
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_frauenfrage_1876/10
Zitationshilfe: Dohm, Hedwig: Der Frauen Natur und Recht. Berlin, 1876, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_frauenfrage_1876/10>, abgerufen am 23.04.2024.