Dincklage, Emmy von: Der Striethast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [180]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.auf dem Heimwege vom hohen Hümmling befinden. Wie sie heute von dem Dorfe Sögel heimkehren, wo sie neben den Gebeinen des heiligen Fructuosus beteten und zwischen den Honigkuchenbuden in den Schenken Kirchmeßfreuden genossen, so thaten es auch ihre Vorfahren und werden es ihre Enkel thun, obgleich wir dafür gesorgt haben, daß diese nicht mehr, wie es damals, als die Grauköpfe von heute blond waren, geschah, im Sande waten; denn die heutige Generation findet eine regelrechte Steinstraße, und die Reisenden können, wenn sie von Lathen oder Papenburg kommen, bis an diesen gepflasterten Damm auch noch die hannoversche Westbahn benutzen. Vor dreißig Jahren aber hatten wir alles das nicht und waren trotzdem sehr zufrieden, namentlich bei Festen, wie die Himmelfahrtsfeier der allerseligsten Jungfrau. Am 15. August ist das Heu und der Roggen in der Scheune, und man kann auch seinen Dienstboten gestatten, ein paar Meilen über Land zu gehen und sich an Ort und Stelle mit einem tüchtigen Hopser des Lebens zu freuen, falls sie nicht einen Schleifer vorziehen. Aber es sind nicht etwa nur Knechte und Mägde, die heute den Holzschuh mit dem derben Lederstiefel oder flachen Sonntagsschuh vertauschten, um die Festfreude auszukosten, bis sie förmlich zusammenbrechen -- o nein, in den frohen Zurufen von einer Gruppe zur andern erwecken die stolzesten Namen des Emsufers die matten, nächtlichen Echo's, Namen, die drei- bis vierhundert Jahre mit ihrem Grund- auf dem Heimwege vom hohen Hümmling befinden. Wie sie heute von dem Dorfe Sögel heimkehren, wo sie neben den Gebeinen des heiligen Fructuosus beteten und zwischen den Honigkuchenbuden in den Schenken Kirchmeßfreuden genossen, so thaten es auch ihre Vorfahren und werden es ihre Enkel thun, obgleich wir dafür gesorgt haben, daß diese nicht mehr, wie es damals, als die Grauköpfe von heute blond waren, geschah, im Sande waten; denn die heutige Generation findet eine regelrechte Steinstraße, und die Reisenden können, wenn sie von Lathen oder Papenburg kommen, bis an diesen gepflasterten Damm auch noch die hannoversche Westbahn benutzen. Vor dreißig Jahren aber hatten wir alles das nicht und waren trotzdem sehr zufrieden, namentlich bei Festen, wie die Himmelfahrtsfeier der allerseligsten Jungfrau. Am 15. August ist das Heu und der Roggen in der Scheune, und man kann auch seinen Dienstboten gestatten, ein paar Meilen über Land zu gehen und sich an Ort und Stelle mit einem tüchtigen Hopser des Lebens zu freuen, falls sie nicht einen Schleifer vorziehen. Aber es sind nicht etwa nur Knechte und Mägde, die heute den Holzschuh mit dem derben Lederstiefel oder flachen Sonntagsschuh vertauschten, um die Festfreude auszukosten, bis sie förmlich zusammenbrechen — o nein, in den frohen Zurufen von einer Gruppe zur andern erwecken die stolzesten Namen des Emsufers die matten, nächtlichen Echo's, Namen, die drei- bis vierhundert Jahre mit ihrem Grund- <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="1"> <p><pb facs="#f0008"/> auf dem Heimwege vom hohen Hümmling befinden. Wie sie heute von dem Dorfe Sögel heimkehren, wo sie neben den Gebeinen des heiligen Fructuosus beteten und zwischen den Honigkuchenbuden in den Schenken Kirchmeßfreuden genossen, so thaten es auch ihre Vorfahren und werden es ihre Enkel thun, obgleich wir dafür gesorgt haben, daß diese nicht mehr, wie es damals, als die Grauköpfe von heute blond waren, geschah, im Sande waten; denn die heutige Generation findet eine regelrechte Steinstraße, und die Reisenden können, wenn sie von Lathen oder Papenburg kommen, bis an diesen gepflasterten Damm auch noch die hannoversche Westbahn benutzen. Vor dreißig Jahren aber hatten wir alles das nicht und waren trotzdem sehr zufrieden, namentlich bei Festen, wie die Himmelfahrtsfeier der allerseligsten Jungfrau. Am 15. August ist das Heu und der Roggen in der Scheune, und man kann auch seinen Dienstboten gestatten, ein paar Meilen über Land zu gehen und sich an Ort und Stelle mit einem tüchtigen Hopser des Lebens zu freuen, falls sie nicht einen Schleifer vorziehen. Aber es sind nicht etwa nur Knechte und Mägde, die heute den Holzschuh mit dem derben Lederstiefel oder flachen Sonntagsschuh vertauschten, um die Festfreude auszukosten, bis sie förmlich zusammenbrechen — o nein, in den frohen Zurufen von einer Gruppe zur andern erwecken die stolzesten Namen des Emsufers die matten, nächtlichen Echo's, Namen, die drei- bis vierhundert Jahre mit ihrem Grund-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0008]
auf dem Heimwege vom hohen Hümmling befinden. Wie sie heute von dem Dorfe Sögel heimkehren, wo sie neben den Gebeinen des heiligen Fructuosus beteten und zwischen den Honigkuchenbuden in den Schenken Kirchmeßfreuden genossen, so thaten es auch ihre Vorfahren und werden es ihre Enkel thun, obgleich wir dafür gesorgt haben, daß diese nicht mehr, wie es damals, als die Grauköpfe von heute blond waren, geschah, im Sande waten; denn die heutige Generation findet eine regelrechte Steinstraße, und die Reisenden können, wenn sie von Lathen oder Papenburg kommen, bis an diesen gepflasterten Damm auch noch die hannoversche Westbahn benutzen. Vor dreißig Jahren aber hatten wir alles das nicht und waren trotzdem sehr zufrieden, namentlich bei Festen, wie die Himmelfahrtsfeier der allerseligsten Jungfrau. Am 15. August ist das Heu und der Roggen in der Scheune, und man kann auch seinen Dienstboten gestatten, ein paar Meilen über Land zu gehen und sich an Ort und Stelle mit einem tüchtigen Hopser des Lebens zu freuen, falls sie nicht einen Schleifer vorziehen. Aber es sind nicht etwa nur Knechte und Mägde, die heute den Holzschuh mit dem derben Lederstiefel oder flachen Sonntagsschuh vertauschten, um die Festfreude auszukosten, bis sie förmlich zusammenbrechen — o nein, in den frohen Zurufen von einer Gruppe zur andern erwecken die stolzesten Namen des Emsufers die matten, nächtlichen Echo's, Namen, die drei- bis vierhundert Jahre mit ihrem Grund-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/dincklage_striethast_1910 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/dincklage_striethast_1910/8 |
Zitationshilfe: | Dincklage, Emmy von: Der Striethast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [180]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dincklage_striethast_1910/8>, abgerufen am 22.07.2024. |