Dincklage, Emmy von: Der Striethast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [180]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.I. Anntrin. Es ist am Abend des Festes Mariä Himmelfahrt. Die Haide liegt im Mondenglanze: in den dünenartigen, sandigen Hügeln bergen sich vorgeschichtliche Aschenurnen, die mächtigen Decksteine der Hünengräber aber wurden gesprengt und über die nahe holländische Grenze gefahren, zu Hafenbauten oder Seedeichbefestigungen. Der Wiedehopf, welcher tief im Moore nistet, und seine bereits flügge Brut fahren erschreckt aus dem schon erntereifen Buchweizenfelde empor über das Hollah- und Juchherufen, das die kriechenden Nebel durchfährt und bis an die fernen, tief dunkel und drohend da stehenden Tannenholzungen weiter zittert. Mitternacht ist nahe, doch es sind nicht die Jäger des prachtliebenden Kurfürsten Clemens August, deren Geister ihr altes Waidrevier durchjagen; Meister Reinecke, der über eine Sandwehe hinauslugt und wittert, weiß das besser: die dunklen lustigen Gruppen, die längs des Heerweges im tiefen Sande weiterstapfen, sind harmlose Bauern und Bäuerinnen aus dem Emslande, die sich I. Anntrin. Es ist am Abend des Festes Mariä Himmelfahrt. Die Haide liegt im Mondenglanze: in den dünenartigen, sandigen Hügeln bergen sich vorgeschichtliche Aschenurnen, die mächtigen Decksteine der Hünengräber aber wurden gesprengt und über die nahe holländische Grenze gefahren, zu Hafenbauten oder Seedeichbefestigungen. Der Wiedehopf, welcher tief im Moore nistet, und seine bereits flügge Brut fahren erschreckt aus dem schon erntereifen Buchweizenfelde empor über das Hollah- und Juchherufen, das die kriechenden Nebel durchfährt und bis an die fernen, tief dunkel und drohend da stehenden Tannenholzungen weiter zittert. Mitternacht ist nahe, doch es sind nicht die Jäger des prachtliebenden Kurfürsten Clemens August, deren Geister ihr altes Waidrevier durchjagen; Meister Reinecke, der über eine Sandwehe hinauslugt und wittert, weiß das besser: die dunklen lustigen Gruppen, die längs des Heerweges im tiefen Sande weiterstapfen, sind harmlose Bauern und Bäuerinnen aus dem Emslande, die sich <TEI> <text> <front> <div type="preface"> <pb facs="#f0007"/> </div> </front> <body> <div type="chapter" n="1"> <head>I.<lb/> Anntrin.</head><lb/> <p>Es ist am Abend des Festes Mariä Himmelfahrt. Die Haide liegt im Mondenglanze: in den dünenartigen, sandigen Hügeln bergen sich vorgeschichtliche Aschenurnen, die mächtigen Decksteine der Hünengräber aber wurden gesprengt und über die nahe holländische Grenze gefahren, zu Hafenbauten oder Seedeichbefestigungen. Der Wiedehopf, welcher tief im Moore nistet, und seine bereits flügge Brut fahren erschreckt aus dem schon erntereifen Buchweizenfelde empor über das Hollah- und Juchherufen, das die kriechenden Nebel durchfährt und bis an die fernen, tief dunkel und drohend da stehenden Tannenholzungen weiter zittert. Mitternacht ist nahe, doch es sind nicht die Jäger des prachtliebenden Kurfürsten Clemens August, deren Geister ihr altes Waidrevier durchjagen; Meister Reinecke, der über eine Sandwehe hinauslugt und wittert, weiß das besser: die dunklen lustigen Gruppen, die längs des Heerweges im tiefen Sande weiterstapfen, sind harmlose Bauern und Bäuerinnen aus dem Emslande, die sich<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0007]
I.
Anntrin.
Es ist am Abend des Festes Mariä Himmelfahrt. Die Haide liegt im Mondenglanze: in den dünenartigen, sandigen Hügeln bergen sich vorgeschichtliche Aschenurnen, die mächtigen Decksteine der Hünengräber aber wurden gesprengt und über die nahe holländische Grenze gefahren, zu Hafenbauten oder Seedeichbefestigungen. Der Wiedehopf, welcher tief im Moore nistet, und seine bereits flügge Brut fahren erschreckt aus dem schon erntereifen Buchweizenfelde empor über das Hollah- und Juchherufen, das die kriechenden Nebel durchfährt und bis an die fernen, tief dunkel und drohend da stehenden Tannenholzungen weiter zittert. Mitternacht ist nahe, doch es sind nicht die Jäger des prachtliebenden Kurfürsten Clemens August, deren Geister ihr altes Waidrevier durchjagen; Meister Reinecke, der über eine Sandwehe hinauslugt und wittert, weiß das besser: die dunklen lustigen Gruppen, die längs des Heerweges im tiefen Sande weiterstapfen, sind harmlose Bauern und Bäuerinnen aus dem Emslande, die sich
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/dincklage_striethast_1910 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/dincklage_striethast_1910/7 |
Zitationshilfe: | Dincklage, Emmy von: Der Striethast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [180]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dincklage_striethast_1910/7>, abgerufen am 16.02.2025. |