Dincklage, Emmy von: Der Striethast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [180]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.gegerbte Sanne betreten; nach kurzem Besinnen antwortete sie eiseskalt: Mir liegt nichts an dem Umgang mit Hexenleuten! Ei ja, das versteht sich von selbst; aber an der Feindschaft der Hexenleute muß Euch noch weniger gelegen sein! Bleibt nur ruhig, ich thue Euch nichts, wir Schiffer haben einen Aberglauben, der uns verbietet, alte Weiber anzurühren -- wozu Euch auch antasten? Ich habe es leichter, ich hexe so lange, bis Ihr mir meinen Schmuck, die Anntrin, freiwillig gebt -- Euer Striethast wird gut bezahlt. Nun, Möhe, es gehe Euch gut, ich sage Euch hiermit guten Tag! Rolf Evert stand auf, zupfte vor dem kleinen Spiegel sein rothes Foulard-Halstuch zurecht, drückte den Schifferhut schief aufs Ohr und trollte sich von dannen. V. Die Hexenleute. Seit diesem Tage ging eine wunderliche Veränderung mit Susanne Twistbrink vor. Sie weckte ihr Volk nicht mehr des Nachts, spionirte nicht mehr bei Tage und ließ den Pfarrer kommen, mit welchem sie dann in eine Meinungsverschiedenheit gerieth und erklärte, sie wolle ihn von heute bis vor ihrer letzten Stunde nicht wiedersehen. Was sie wüßte, das wüßte gegerbte Sanne betreten; nach kurzem Besinnen antwortete sie eiseskalt: Mir liegt nichts an dem Umgang mit Hexenleuten! Ei ja, das versteht sich von selbst; aber an der Feindschaft der Hexenleute muß Euch noch weniger gelegen sein! Bleibt nur ruhig, ich thue Euch nichts, wir Schiffer haben einen Aberglauben, der uns verbietet, alte Weiber anzurühren — wozu Euch auch antasten? Ich habe es leichter, ich hexe so lange, bis Ihr mir meinen Schmuck, die Anntrin, freiwillig gebt — Euer Striethast wird gut bezahlt. Nun, Möhe, es gehe Euch gut, ich sage Euch hiermit guten Tag! Rolf Evert stand auf, zupfte vor dem kleinen Spiegel sein rothes Foulard-Halstuch zurecht, drückte den Schifferhut schief aufs Ohr und trollte sich von dannen. V. Die Hexenleute. Seit diesem Tage ging eine wunderliche Veränderung mit Susanne Twistbrink vor. Sie weckte ihr Volk nicht mehr des Nachts, spionirte nicht mehr bei Tage und ließ den Pfarrer kommen, mit welchem sie dann in eine Meinungsverschiedenheit gerieth und erklärte, sie wolle ihn von heute bis vor ihrer letzten Stunde nicht wiedersehen. Was sie wüßte, das wüßte <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="4"> <p><pb facs="#f0032"/> gegerbte Sanne betreten; nach kurzem Besinnen antwortete sie eiseskalt: Mir liegt nichts an dem Umgang mit Hexenleuten!</p><lb/> <p>Ei ja, das versteht sich von selbst; aber an der Feindschaft der Hexenleute muß Euch noch weniger gelegen sein! Bleibt nur ruhig, ich thue Euch nichts, wir Schiffer haben einen Aberglauben, der uns verbietet, alte Weiber anzurühren — wozu Euch auch antasten? Ich habe es leichter, ich hexe so lange, bis Ihr mir meinen Schmuck, die Anntrin, freiwillig gebt — Euer Striethast wird gut bezahlt. Nun, Möhe, es gehe Euch gut, ich sage Euch hiermit guten Tag!</p><lb/> <p>Rolf Evert stand auf, zupfte vor dem kleinen Spiegel sein rothes Foulard-Halstuch zurecht, drückte den Schifferhut schief aufs Ohr und trollte sich von dannen.</p><lb/> </div> <div type="chapter" n="5"> <head>V.<lb/> Die Hexenleute.</head><lb/> <p>Seit diesem Tage ging eine wunderliche Veränderung mit Susanne Twistbrink vor. Sie weckte ihr Volk nicht mehr des Nachts, spionirte nicht mehr bei Tage und ließ den Pfarrer kommen, mit welchem sie dann in eine Meinungsverschiedenheit gerieth und erklärte, sie wolle ihn von heute bis vor ihrer letzten Stunde nicht wiedersehen. Was sie wüßte, das wüßte<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0032]
gegerbte Sanne betreten; nach kurzem Besinnen antwortete sie eiseskalt: Mir liegt nichts an dem Umgang mit Hexenleuten!
Ei ja, das versteht sich von selbst; aber an der Feindschaft der Hexenleute muß Euch noch weniger gelegen sein! Bleibt nur ruhig, ich thue Euch nichts, wir Schiffer haben einen Aberglauben, der uns verbietet, alte Weiber anzurühren — wozu Euch auch antasten? Ich habe es leichter, ich hexe so lange, bis Ihr mir meinen Schmuck, die Anntrin, freiwillig gebt — Euer Striethast wird gut bezahlt. Nun, Möhe, es gehe Euch gut, ich sage Euch hiermit guten Tag!
Rolf Evert stand auf, zupfte vor dem kleinen Spiegel sein rothes Foulard-Halstuch zurecht, drückte den Schifferhut schief aufs Ohr und trollte sich von dannen.
V.
Die Hexenleute.
Seit diesem Tage ging eine wunderliche Veränderung mit Susanne Twistbrink vor. Sie weckte ihr Volk nicht mehr des Nachts, spionirte nicht mehr bei Tage und ließ den Pfarrer kommen, mit welchem sie dann in eine Meinungsverschiedenheit gerieth und erklärte, sie wolle ihn von heute bis vor ihrer letzten Stunde nicht wiedersehen. Was sie wüßte, das wüßte
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Zitationshilfe: | Dincklage, Emmy von: Der Striethast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [180]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dincklage_striethast_1910/32>, abgerufen am 22.07.2024. |