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Dincklage, Emmy von: Der Striethast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [180]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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haupt keine ungetrübte Lebensfreude, als die gegenseitige aneinander. Außer seiner Tochter war ihm in der That nichts geblieben von dem, was ihm die Natur an seiner Wiege zugeschworen -- nicht einmal seinen Namen hatte er behalten. Amandus Slootmann ins Kirchenbuch eingetragen, übersetzte die Volkssprache den Amandus in Leffert (Geliebter), und der angeerbte Slootmann mußte mit dem erheiratheten Besitze dem stolzen Namen Twistbrink weichen, und lief nur noch, der Ordnung wegen, als "geborner" nebenher. Leffert war ein sehr stattlicher, fast noch hübscher blonder Mann, der sich um so leichter mit der Tochter auf einen Gefühlston stimmte, als er nur zwanzig Jahre mehr als sein Kind zählte, indeß Anntrin's Mutter, eine arbeitsame, verblühte Matrone, einen Altersvorsprung von beinahe vierzig Jahren vor ihrem Kinde hatte. Dieses Ehebündniß zwischen dem blutjungen Gatten und der alten, ihm bis zum Verlobungstage gänzlich fremden Ehefrau war das Meisterstück der andächtigen Sanne Möhe. Sie war eine Verächterin des Ehestandes; trotzdem griff sie dem lieben Gott niemals öfter und verhängnißvoller in seine Naturgesetze, als im Ehestiften. Alle Liebesleute betrachtete die Alte als ihre geschworenen persönlichen Feinde und brachte, obwohl sonst ungemein "sünig" (sparsam), die größten Opfer, um Verhältnisse zu lösen, welche sie gar nichts angingen. Oeffentlich aber wußte sie diese Steuer ihrer Herzenshärtigkeit immer als Almosen und Wohlthaten

haupt keine ungetrübte Lebensfreude, als die gegenseitige aneinander. Außer seiner Tochter war ihm in der That nichts geblieben von dem, was ihm die Natur an seiner Wiege zugeschworen — nicht einmal seinen Namen hatte er behalten. Amandus Slootmann ins Kirchenbuch eingetragen, übersetzte die Volkssprache den Amandus in Leffert (Geliebter), und der angeerbte Slootmann mußte mit dem erheiratheten Besitze dem stolzen Namen Twistbrink weichen, und lief nur noch, der Ordnung wegen, als „geborner“ nebenher. Leffert war ein sehr stattlicher, fast noch hübscher blonder Mann, der sich um so leichter mit der Tochter auf einen Gefühlston stimmte, als er nur zwanzig Jahre mehr als sein Kind zählte, indeß Anntrin's Mutter, eine arbeitsame, verblühte Matrone, einen Altersvorsprung von beinahe vierzig Jahren vor ihrem Kinde hatte. Dieses Ehebündniß zwischen dem blutjungen Gatten und der alten, ihm bis zum Verlobungstage gänzlich fremden Ehefrau war das Meisterstück der andächtigen Sanne Möhe. Sie war eine Verächterin des Ehestandes; trotzdem griff sie dem lieben Gott niemals öfter und verhängnißvoller in seine Naturgesetze, als im Ehestiften. Alle Liebesleute betrachtete die Alte als ihre geschworenen persönlichen Feinde und brachte, obwohl sonst ungemein „sünig“ (sparsam), die größten Opfer, um Verhältnisse zu lösen, welche sie gar nichts angingen. Oeffentlich aber wußte sie diese Steuer ihrer Herzenshärtigkeit immer als Almosen und Wohlthaten

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[0021] haupt keine ungetrübte Lebensfreude, als die gegenseitige aneinander. Außer seiner Tochter war ihm in der That nichts geblieben von dem, was ihm die Natur an seiner Wiege zugeschworen — nicht einmal seinen Namen hatte er behalten. Amandus Slootmann ins Kirchenbuch eingetragen, übersetzte die Volkssprache den Amandus in Leffert (Geliebter), und der angeerbte Slootmann mußte mit dem erheiratheten Besitze dem stolzen Namen Twistbrink weichen, und lief nur noch, der Ordnung wegen, als „geborner“ nebenher. Leffert war ein sehr stattlicher, fast noch hübscher blonder Mann, der sich um so leichter mit der Tochter auf einen Gefühlston stimmte, als er nur zwanzig Jahre mehr als sein Kind zählte, indeß Anntrin's Mutter, eine arbeitsame, verblühte Matrone, einen Altersvorsprung von beinahe vierzig Jahren vor ihrem Kinde hatte. Dieses Ehebündniß zwischen dem blutjungen Gatten und der alten, ihm bis zum Verlobungstage gänzlich fremden Ehefrau war das Meisterstück der andächtigen Sanne Möhe. Sie war eine Verächterin des Ehestandes; trotzdem griff sie dem lieben Gott niemals öfter und verhängnißvoller in seine Naturgesetze, als im Ehestiften. Alle Liebesleute betrachtete die Alte als ihre geschworenen persönlichen Feinde und brachte, obwohl sonst ungemein „sünig“ (sparsam), die größten Opfer, um Verhältnisse zu lösen, welche sie gar nichts angingen. Oeffentlich aber wußte sie diese Steuer ihrer Herzenshärtigkeit immer als Almosen und Wohlthaten

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T13:59:48Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T13:59:48Z)

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Zitationshilfe: Dincklage, Emmy von: Der Striethast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [180]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dincklage_striethast_1910/21>, abgerufen am 22.11.2024.