Dincklage, Emmy von: Der Striethast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [180]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.rief ein Dorfdemagoge, welcher der bäuerlichen Aristokratin nicht das Weiße im Auge gönnte, dicht hinter Anntrin, das ist Rolf der Matros' -- natürlich, der muß fahren, wenn wir Anderen zu Fuß gehen; sein großer Kommheraus (Hemdekragen) könnte staubig werden auf der Landstraße! -- Anntrin wandte sich nach dem Sprecher um. Hermanton, sagte sie mit tiefer, ruhiger Stimme, wenn du vier fette Braune im Stalle hättest, statt deiner mageren Kuh, du säßest jetzt auch zwischen den grünen Wagenleitern! So, so! machte der Andere boshaft, noch boshafter als gewöhnlich, aufgestachelt vom Fusel-Dämon, so, so! Ja, das hatte ich vergessen, Jüffer (Jungfer), daß Rolf's Bruder sich die Maße zum Hennekleed (Todtenhemd) nehmen läßt und damit das verhexte Felgen-Erbe auf den Matrosen fällt! Ja, ja, wenn ich verstände, was die verstehen, meine magere Kuh brauchte wahrlich nicht im Joche zu gehen! Mehrere Leute, welche neugierig näher gekommen waren, stießen sich verstohlen an, die Erbin ging schweigend weiter. Der reizbare Hermanton indeß, uneingedenk des schönen Spruches: Schweigen ist Gold! gedachte sich vor seinen Zuhörern hervorzuthun, drückte den plumpen Hut ein wenig auf die Seite, qualmte eine dicke Tabakswolke in die Luft und begann von Neuem: He, Anntrin, da muß ich mich wohl bei rief ein Dorfdemagoge, welcher der bäuerlichen Aristokratin nicht das Weiße im Auge gönnte, dicht hinter Anntrin, das ist Rolf der Matros' — natürlich, der muß fahren, wenn wir Anderen zu Fuß gehen; sein großer Kommheraus (Hemdekragen) könnte staubig werden auf der Landstraße! — Anntrin wandte sich nach dem Sprecher um. Hermanton, sagte sie mit tiefer, ruhiger Stimme, wenn du vier fette Braune im Stalle hättest, statt deiner mageren Kuh, du säßest jetzt auch zwischen den grünen Wagenleitern! So, so! machte der Andere boshaft, noch boshafter als gewöhnlich, aufgestachelt vom Fusel-Dämon, so, so! Ja, das hatte ich vergessen, Jüffer (Jungfer), daß Rolf's Bruder sich die Maße zum Hennekleed (Todtenhemd) nehmen läßt und damit das verhexte Felgen-Erbe auf den Matrosen fällt! Ja, ja, wenn ich verstände, was die verstehen, meine magere Kuh brauchte wahrlich nicht im Joche zu gehen! Mehrere Leute, welche neugierig näher gekommen waren, stießen sich verstohlen an, die Erbin ging schweigend weiter. Der reizbare Hermanton indeß, uneingedenk des schönen Spruches: Schweigen ist Gold! gedachte sich vor seinen Zuhörern hervorzuthun, drückte den plumpen Hut ein wenig auf die Seite, qualmte eine dicke Tabakswolke in die Luft und begann von Neuem: He, Anntrin, da muß ich mich wohl bei <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="1"> <p><pb facs="#f0010"/> rief ein Dorfdemagoge, welcher der bäuerlichen Aristokratin nicht das Weiße im Auge gönnte, dicht hinter Anntrin, das ist Rolf der Matros' — natürlich, der muß fahren, wenn wir Anderen zu Fuß gehen; sein großer Kommheraus (Hemdekragen) könnte staubig werden auf der Landstraße! — </p><lb/> <p>Anntrin wandte sich nach dem Sprecher um. Hermanton, sagte sie mit tiefer, ruhiger Stimme, wenn du vier fette Braune im Stalle hättest, statt deiner mageren Kuh, du säßest jetzt auch zwischen den grünen Wagenleitern!</p><lb/> <p>So, so! machte der Andere boshaft, noch boshafter als gewöhnlich, aufgestachelt vom Fusel-Dämon, so, so! Ja, das hatte ich vergessen, Jüffer (Jungfer), daß Rolf's Bruder sich die Maße zum Hennekleed (Todtenhemd) nehmen läßt und damit das verhexte Felgen-Erbe auf den Matrosen fällt! Ja, ja, wenn ich verstände, was die verstehen, meine magere Kuh brauchte wahrlich nicht im Joche zu gehen!</p><lb/> <p>Mehrere Leute, welche neugierig näher gekommen waren, stießen sich verstohlen an, die Erbin ging schweigend weiter. Der reizbare Hermanton indeß, uneingedenk des schönen Spruches: Schweigen ist Gold! gedachte sich vor seinen Zuhörern hervorzuthun, drückte den plumpen Hut ein wenig auf die Seite, qualmte eine dicke Tabakswolke in die Luft und begann von Neuem: He, Anntrin, da muß ich mich wohl bei<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0010]
rief ein Dorfdemagoge, welcher der bäuerlichen Aristokratin nicht das Weiße im Auge gönnte, dicht hinter Anntrin, das ist Rolf der Matros' — natürlich, der muß fahren, wenn wir Anderen zu Fuß gehen; sein großer Kommheraus (Hemdekragen) könnte staubig werden auf der Landstraße! —
Anntrin wandte sich nach dem Sprecher um. Hermanton, sagte sie mit tiefer, ruhiger Stimme, wenn du vier fette Braune im Stalle hättest, statt deiner mageren Kuh, du säßest jetzt auch zwischen den grünen Wagenleitern!
So, so! machte der Andere boshaft, noch boshafter als gewöhnlich, aufgestachelt vom Fusel-Dämon, so, so! Ja, das hatte ich vergessen, Jüffer (Jungfer), daß Rolf's Bruder sich die Maße zum Hennekleed (Todtenhemd) nehmen läßt und damit das verhexte Felgen-Erbe auf den Matrosen fällt! Ja, ja, wenn ich verstände, was die verstehen, meine magere Kuh brauchte wahrlich nicht im Joche zu gehen!
Mehrere Leute, welche neugierig näher gekommen waren, stießen sich verstohlen an, die Erbin ging schweigend weiter. Der reizbare Hermanton indeß, uneingedenk des schönen Spruches: Schweigen ist Gold! gedachte sich vor seinen Zuhörern hervorzuthun, drückte den plumpen Hut ein wenig auf die Seite, qualmte eine dicke Tabakswolke in die Luft und begann von Neuem: He, Anntrin, da muß ich mich wohl bei
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Zitationshilfe: | Dincklage, Emmy von: Der Striethast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [180]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dincklage_striethast_1910/10>, abgerufen am 16.02.2025. |