pdi_380.001 Wenn Shakespeare die innere Gebundenheit der Seele Hamlets pdi_380.002 an den Schatten seines Vaters und an seine Pflicht gegen ihn pdi_380.003 vorstellen will, rufen diese inneren Zuständlichkeiten ihm machtvolle pdi_380.004 äussere Bilder vor die Seele, welche zu ihnen gehören.
pdi_380.005
Wir gehen wieder weiter. Eine fernere Ursache des pdi_380.006 Wechsels unserer Gefühle ist diesen ganz eigenthümlich und in pdi_380.007 den Beziehungen derselben zu den Antrieben begründet, pdi_380.008 die über das Innewerden des Trieblebens, des Willens und der pdi_380.009 Hemmungen und Förderungen desselben hinausreichen. Dies pdi_380.010 Innewerden der Zustände des Willens in Gefühlszuständen hat, pdi_380.011 wie wir sahen, die elementaren Gefühle der beiden letzten pdi_380.012 Kreise zur Folge. Nun wird andererseits der Willensvorgang pdi_380.013 stets von Gefühlen in Bewegung gesetzt, und diese gehen beständig pdi_380.014 in Antriebe, Begehrungen und Willensakte über. Wie pdi_380.015 in manchen Zuständen vom Empfinden, vom Innewerden ein pdi_380.016 unmerklicher Uebergang in Gefühle stattfindet, so auch von pdi_380.017 diesen, in dem Umkreis von Verlangen und Regung gar verschiedener pdi_380.018 Art, in Willensvorgänge. Wir lehnen auch hier pdi_380.019 Hypothesen ab, und uns genügt, um das Recht der Sonderung pdi_380.020 für die empirische Betrachtung zu begründen, die innere Erfahrung pdi_380.021 von der Verschiedenheit der Vorgänge und die Thatsache, pdi_380.022 dass das Mass der Gefühlsstärke keineswegs das der pdi_380.023 Willenskraft ist; können doch starke Gefühle mit sehr schwachen pdi_380.024 Willensvorgängen verbunden sein. Der Uebergang unserer Gefühle pdi_380.025 in unsere Willensvorgänge steht nun unter dem Gesetz: pdi_380.026 wir streben, die Lustgefühle festzuhalten und von den Unlustgefühlen pdi_380.027 aus mindestens in eine Gleichgewichtslage zu gelangen. pdi_380.028 Der nächste Weg aus den Unlustgefühlen in die Gleichgewichtslage, pdi_380.029 wie ihn der Wille sucht, besteht in der Anpassung der pdi_380.030 Bedingungen des Lebens an die Bedürfnisse des Inneren: so pdi_380.031 entstehen die äusseren Willenshandlungen. Auf einem anderen pdi_380.032 aber sucht der Wille sich selber einer Wirklichkeit anzupassen, pdi_380.033 die er nicht ändern kann. Das Innere strebt, sich mit unverrückbaren pdi_380.034 äusseren Bedingungen in Einklang zu setzen. Dies pdi_380.035 geschieht durch innere Willenshandlungen. So ist Anfangs der pdi_380.036 religiöse Vorgang vorwiegend eine Weise, bei den räthselhaften
pdi_380.001 Wenn Shakespeare die innere Gebundenheit der Seele Hamlets pdi_380.002 an den Schatten seines Vaters und an seine Pflicht gegen ihn pdi_380.003 vorstellen will, rufen diese inneren Zuständlichkeiten ihm machtvolle pdi_380.004 äussere Bilder vor die Seele, welche zu ihnen gehören.
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Wir gehen wieder weiter. Eine fernere Ursache des pdi_380.006 Wechsels unserer Gefühle ist diesen ganz eigenthümlich und in pdi_380.007 den Beziehungen derselben zu den Antrieben begründet, pdi_380.008 die über das Innewerden des Trieblebens, des Willens und der pdi_380.009 Hemmungen und Förderungen desselben hinausreichen. Dies pdi_380.010 Innewerden der Zustände des Willens in Gefühlszuständen hat, pdi_380.011 wie wir sahen, die elementaren Gefühle der beiden letzten pdi_380.012 Kreise zur Folge. Nun wird andererseits der Willensvorgang pdi_380.013 stets von Gefühlen in Bewegung gesetzt, und diese gehen beständig pdi_380.014 in Antriebe, Begehrungen und Willensakte über. Wie pdi_380.015 in manchen Zuständen vom Empfinden, vom Innewerden ein pdi_380.016 unmerklicher Uebergang in Gefühle stattfindet, so auch von pdi_380.017 diesen, in dem Umkreis von Verlangen und Regung gar verschiedener pdi_380.018 Art, in Willensvorgänge. Wir lehnen auch hier pdi_380.019 Hypothesen ab, und uns genügt, um das Recht der Sonderung pdi_380.020 für die empirische Betrachtung zu begründen, die innere Erfahrung pdi_380.021 von der Verschiedenheit der Vorgänge und die Thatsache, pdi_380.022 dass das Mass der Gefühlsstärke keineswegs das der pdi_380.023 Willenskraft ist; können doch starke Gefühle mit sehr schwachen pdi_380.024 Willensvorgängen verbunden sein. Der Uebergang unserer Gefühle pdi_380.025 in unsere Willensvorgänge steht nun unter dem Gesetz: pdi_380.026 wir streben, die Lustgefühle festzuhalten und von den Unlustgefühlen pdi_380.027 aus mindestens in eine Gleichgewichtslage zu gelangen. pdi_380.028 Der nächste Weg aus den Unlustgefühlen in die Gleichgewichtslage, pdi_380.029 wie ihn der Wille sucht, besteht in der Anpassung der pdi_380.030 Bedingungen des Lebens an die Bedürfnisse des Inneren: so pdi_380.031 entstehen die äusseren Willenshandlungen. Auf einem anderen pdi_380.032 aber sucht der Wille sich selber einer Wirklichkeit anzupassen, pdi_380.033 die er nicht ändern kann. Das Innere strebt, sich mit unverrückbaren pdi_380.034 äusseren Bedingungen in Einklang zu setzen. Dies pdi_380.035 geschieht durch innere Willenshandlungen. So ist Anfangs der pdi_380.036 religiöse Vorgang vorwiegend eine Weise, bei den räthselhaften
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Wenn Shakespeare die innere Gebundenheit der Seele Hamlets pdi_380.002
an den Schatten seines Vaters und an seine Pflicht gegen ihn pdi_380.003
vorstellen will, rufen diese inneren Zuständlichkeiten ihm machtvolle pdi_380.004
äussere Bilder vor die Seele, welche zu ihnen gehören.
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Wir gehen wieder weiter. Eine fernere Ursache des pdi_380.006
Wechsels unserer Gefühle ist diesen ganz eigenthümlich und in pdi_380.007
den Beziehungen derselben zu den Antrieben begründet, pdi_380.008
die über das Innewerden des Trieblebens, des Willens und der pdi_380.009
Hemmungen und Förderungen desselben hinausreichen. Dies pdi_380.010
Innewerden der Zustände des Willens in Gefühlszuständen hat, pdi_380.011
wie wir sahen, die elementaren Gefühle der beiden letzten pdi_380.012
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Dilthey, Wilhelm: Die Einbildungskraft des Dichters: Bausteine für eine Poetik. In: Philosophische Aufsätze. Eduard Zeller zu seinem fünfzigjährigen Doctor-Jubiläum gewidmet. (= Philosphische Aufsätze, 10.) Leipzig, 1887, S. 303–482, hier S. 380. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dilthey_poetik_1887/82>, abgerufen am 17.02.2025.
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