Dilthey, Wilhelm: Die Einbildungskraft des Dichters: Bausteine für eine Poetik. In: Philosophische Aufsätze. Eduard Zeller zu seinem fünfzigjährigen Doctor-Jubiläum gewidmet. (= Philosphische Aufsätze, 10.) Leipzig, 1887, S. 303–482.pdi_379.001 Dies Princip ist für alle ästhetischen Eindrücke ungemein pdi_379.016 1) pdi_379.035
Fechner I 94. pdi_379.001 Dies Princip ist für alle ästhetischen Eindrücke ungemein pdi_379.016 1) pdi_379.035
Fechner I 94. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0081" n="379"/><lb n="pdi_379.001"/> der Gefühlsgehalt von einem Theil des Vorstellungsgefüges in <lb n="pdi_379.002"/> einem Bilde, innerhalb dessen er entstand, sich auch auf die <lb n="pdi_379.003"/> anderen Theile verbreitet, die zu ihm in keinem Verhältniss <lb n="pdi_379.004"/> standen. Ein grosser Theil aller ästhetischen Wirkungen ist <lb n="pdi_379.005"/> durch diesen Vorgang bedingt. Sofern der ästhetische Eindruck <lb n="pdi_379.006"/> wie das Schaffen von diesem Vorgang der Erregung ästhetischen <lb n="pdi_379.007"/> Gefallens durch Association (und Verschmelzung) abhängt, kann <lb n="pdi_379.008"/> hierauf ein <hi rendition="#g">Princip der Association</hi> begründet werden; dies <lb n="pdi_379.009"/> formulirt Fechner: „nach Massgabe, als uns das gefällt oder missfällt, <lb n="pdi_379.010"/> woran wir uns bei einer Sache erinnern, trägt auch die <lb n="pdi_379.011"/> Erinnerung ein Moment des Gefallens oder Missfallens zum <lb n="pdi_379.012"/> ästhetischen Eindrucke der Sache bei, was mit anderen Momenten <lb n="pdi_379.013"/> der Erinnerung und dem directen Eindruck der Sache <lb n="pdi_379.014"/> in Einstimmung oder Conflict treten kann“<note xml:id="PDI_379_1" place="foot" n="1)"><lb n="pdi_379.035"/> Fechner I 94.</note>.</p> <lb n="pdi_379.015"/> <p> Dies Princip ist für alle ästhetischen Eindrücke ungemein <lb n="pdi_379.016"/> wichtig. Die unmittelbaren, mit Empfindungen verknüpften <lb n="pdi_379.017"/> Gefühlseindrücke erhalten durch Association eine beständige <lb n="pdi_379.018"/> Unterstützung. Zum sinnlichen Wohlgefallen an den Tönen <lb n="pdi_379.019"/> kommt von hier aus in der Musik das Princip der Bedeutung <lb n="pdi_379.020"/> von Tönen und Rhythmen, da der Wechsel in Stärke und Höhe der <lb n="pdi_379.021"/> Töne oder in Schnelligkeit ihrer Abfolge psychologisch zu dem <lb n="pdi_379.022"/> Wechsel der Gefühle in gesetzmässiger Beziehung steht. Dies <lb n="pdi_379.023"/> kann schon am Kinde wie am Thiere wahrgenommen werden. Ein <lb n="pdi_379.024"/> sehr fruchtbares Gebiet experimenteller Psychologie und Aesthetik <lb n="pdi_379.025"/> eröffnet sich hier. Auch für die Poetik ist dieses Princip von <lb n="pdi_379.026"/> grosser Bedeutung. Denn das Erlebniss, welches den kernhaften <lb n="pdi_379.027"/> Gehalt aller Dichtung bildet, enthält immer einen Gemüthszustand <lb n="pdi_379.028"/> als ein Inneres und ein Bild oder einen Bildzusammenhang, <lb n="pdi_379.029"/> Ort, Situation, Personen, als ein Aeusseres: in der ungelösten <lb n="pdi_379.030"/> Einheit beider liegt die lebendige Kraft der Poesie. <lb n="pdi_379.031"/> Daher repräsentirt nun das Bild selber oder ein ihm verwandtes <lb n="pdi_379.032"/> einen Gemüthsgehalt; der Gemüthsgehalt versinnlicht sich in <lb n="pdi_379.033"/> diesem oder einem verwandten Bilde. Jede Art von dichterischem <lb n="pdi_379.034"/> Gleichniss, von dichterischer Symbolik läuft an diesem Faden. </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [379/0081]
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der Gefühlsgehalt von einem Theil des Vorstellungsgefüges in pdi_379.002
einem Bilde, innerhalb dessen er entstand, sich auch auf die pdi_379.003
anderen Theile verbreitet, die zu ihm in keinem Verhältniss pdi_379.004
standen. Ein grosser Theil aller ästhetischen Wirkungen ist pdi_379.005
durch diesen Vorgang bedingt. Sofern der ästhetische Eindruck pdi_379.006
wie das Schaffen von diesem Vorgang der Erregung ästhetischen pdi_379.007
Gefallens durch Association (und Verschmelzung) abhängt, kann pdi_379.008
hierauf ein Princip der Association begründet werden; dies pdi_379.009
formulirt Fechner: „nach Massgabe, als uns das gefällt oder missfällt, pdi_379.010
woran wir uns bei einer Sache erinnern, trägt auch die pdi_379.011
Erinnerung ein Moment des Gefallens oder Missfallens zum pdi_379.012
ästhetischen Eindrucke der Sache bei, was mit anderen Momenten pdi_379.013
der Erinnerung und dem directen Eindruck der Sache pdi_379.014
in Einstimmung oder Conflict treten kann“ 1).
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wichtig. Die unmittelbaren, mit Empfindungen verknüpften pdi_379.017
Gefühlseindrücke erhalten durch Association eine beständige pdi_379.018
Unterstützung. Zum sinnlichen Wohlgefallen an den Tönen pdi_379.019
kommt von hier aus in der Musik das Princip der Bedeutung pdi_379.020
von Tönen und Rhythmen, da der Wechsel in Stärke und Höhe der pdi_379.021
Töne oder in Schnelligkeit ihrer Abfolge psychologisch zu dem pdi_379.022
Wechsel der Gefühle in gesetzmässiger Beziehung steht. Dies pdi_379.023
kann schon am Kinde wie am Thiere wahrgenommen werden. Ein pdi_379.024
sehr fruchtbares Gebiet experimenteller Psychologie und Aesthetik pdi_379.025
eröffnet sich hier. Auch für die Poetik ist dieses Princip von pdi_379.026
grosser Bedeutung. Denn das Erlebniss, welches den kernhaften pdi_379.027
Gehalt aller Dichtung bildet, enthält immer einen Gemüthszustand pdi_379.028
als ein Inneres und ein Bild oder einen Bildzusammenhang, pdi_379.029
Ort, Situation, Personen, als ein Aeusseres: in der ungelösten pdi_379.030
Einheit beider liegt die lebendige Kraft der Poesie. pdi_379.031
Daher repräsentirt nun das Bild selber oder ein ihm verwandtes pdi_379.032
einen Gemüthsgehalt; der Gemüthsgehalt versinnlicht sich in pdi_379.033
diesem oder einem verwandten Bilde. Jede Art von dichterischem pdi_379.034
Gleichniss, von dichterischer Symbolik läuft an diesem Faden.
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