Dilthey, Wilhelm: Die Einbildungskraft des Dichters: Bausteine für eine Poetik. In: Philosophische Aufsätze. Eduard Zeller zu seinem fünfzigjährigen Doctor-Jubiläum gewidmet. (= Philosphische Aufsätze, 10.) Leipzig, 1887, S. 303–482.
pdi_443.001 Wie in der Wissenschaft inductives und deductives pdi_443.006 Ich habe dieses Grundverhältniss in der Phantasie zuerst pdi_443.013 Jede zusammengesetzte Untersuchung verknüpft inductive pdi_443.026 1) pdi_443.029
Zeitschrift für Völkerpsychologie Bd. X 42 ff. Ich füge hinzu, dass ich pdi_443.030 in dem Vortrag über dichterische Einbildungskraft und Wahnsinn, 1886, pdi_443.031 einige Hauptpunkte der jetzt in dieser Abhandlung vorgelegten psychologischen pdi_443.032 Grundlegung allgemeinverständlich dargestellt habe; in meinen literarhistorischen pdi_443.033 Abhandlungen über Lessing, Novalis, Dickens, Alfieri etc. habe pdi_443.034 ich, der hier gegebenen Grundlegung entsprechend, vielfach psychologische pdi_443.035 Gesichtspunkte für die literarhistorische Charakteristik zu verwerthen gesucht. pdi_443.036 So enthalten auch sie Ergänzungen des hier Dargelegten.
pdi_443.001 Wie in der Wissenschaft inductives und deductives pdi_443.006 Ich habe dieses Grundverhältniss in der Phantasie zuerst pdi_443.013 Jede zusammengesetzte Untersuchung verknüpft inductive pdi_443.026 1) pdi_443.029
Zeitschrift für Völkerpsychologie Bd. X 42 ff. Ich füge hinzu, dass ich pdi_443.030 in dem Vortrag über dichterische Einbildungskraft und Wahnsinn, 1886, pdi_443.031 einige Hauptpunkte der jetzt in dieser Abhandlung vorgelegten psychologischen pdi_443.032 Grundlegung allgemeinverständlich dargestellt habe; in meinen literarhistorischen pdi_443.033 Abhandlungen über Lessing, Novalis, Dickens, Alfieri etc. habe pdi_443.034 ich, der hier gegebenen Grundlegung entsprechend, vielfach psychologische pdi_443.035 Gesichtspunkte für die literarhistorische Charakteristik zu verwerthen gesucht. pdi_443.036 So enthalten auch sie Ergänzungen des hier Dargelegten. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><hi rendition="#g"><pb facs="#f0145" n="443"/><lb n="pdi_443.001"/> welche das dichterische Schaffen</hi> unter den Bedingungen <lb n="pdi_443.002"/> seines Mittels <hi rendition="#g">Werke hervorbringt,</hi> und hier tritt uns eine <lb n="pdi_443.003"/> doppelte Richtung des Verfahrens entgegen, welche in der Natur <lb n="pdi_443.004"/> des Erlebnisses angelegt ist.</p> <lb n="pdi_443.005"/> <p> <hi rendition="#et"> Wie in der Wissenschaft inductives und deductives <lb n="pdi_443.006"/> Verfahren sich trennen und mannigfach zusammenwirken, <lb n="pdi_443.007"/> so sind im Erlebniss zwei Arten des Phantasievorgangs <lb n="pdi_443.008"/> angelegt: der subjective Zustand wird in dem <lb n="pdi_443.009"/> Symbol eines äusseren Vorgangs versinnlicht, die äussere <lb n="pdi_443.010"/> Thatsächlichkeit wird verinnerlicht. Hiernach scheiden <lb n="pdi_443.011"/> sich subjective und objective Dichter.</hi> </p> <lb n="pdi_443.012"/> <p> Ich habe dieses Grundverhältniss in der Phantasie zuerst <lb n="pdi_443.013"/> in einer Abhandlung „Ueber die Einbildungskraft der Dichter“<note xml:id="PDI_443_1" place="foot" n="1)"><lb n="pdi_443.029"/> Zeitschrift für Völkerpsychologie Bd. X 42 ff. Ich füge hinzu, dass ich <lb n="pdi_443.030"/> in dem Vortrag über dichterische Einbildungskraft und Wahnsinn, 1886, <lb n="pdi_443.031"/> einige Hauptpunkte der jetzt in dieser Abhandlung vorgelegten psychologischen <lb n="pdi_443.032"/> Grundlegung allgemeinverständlich dargestellt habe; in meinen literarhistorischen <lb n="pdi_443.033"/> Abhandlungen über Lessing, Novalis, Dickens, Alfieri etc. habe <lb n="pdi_443.034"/> ich, der hier gegebenen Grundlegung entsprechend, vielfach psychologische <lb n="pdi_443.035"/> Gesichtspunkte für die literarhistorische Charakteristik zu verwerthen gesucht. <lb n="pdi_443.036"/> So enthalten auch sie Ergänzungen des hier Dargelegten.</note> <lb n="pdi_443.014"/> entwickelt und auf literarhistorischem Wege zu begründen <lb n="pdi_443.015"/> unternommen. Schon Schiller stellte zwei Grundstimmungen <lb n="pdi_443.016"/> der Phantasie, die naive und sentimentalische, einander gegenüber. <lb n="pdi_443.017"/> Er bezeichnete so nicht Epochen der Literatur, sondern <lb n="pdi_443.018"/> Grundverfassungen der Dichter. Ich versuchte nun den am <lb n="pdi_443.019"/> meisten <hi rendition="#g">elementaren Unterschied</hi> in dem <hi rendition="#g">Verfahren</hi> <lb n="pdi_443.020"/> der <hi rendition="#g">Phantasie</hi> an dem literarhistorischen Material zu erkennen, <lb n="pdi_443.021"/> da der von Schiller aufgestellte ein sehr zusammengesetzter <lb n="pdi_443.022"/> und historisch bedingter ist. Die vorliegende Untersuchung <lb n="pdi_443.023"/> bestätigt psychologisch den durch literarische Methode <lb n="pdi_443.024"/> aufgefundenen Unterschied.</p> <lb n="pdi_443.025"/> <p> Jede zusammengesetzte Untersuchung verknüpft inductive <lb n="pdi_443.026"/> und deductive Verfahrungsweise. So muss auch jedes grössere <lb n="pdi_443.027"/> dichterische Werk beide Richtungen des Phantasievorgangs vereinigen. <lb n="pdi_443.028"/> Doch überwiegt in Dichtern wie Shakespeare und </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [443/0145]
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welche das dichterische Schaffen unter den Bedingungen pdi_443.002
seines Mittels Werke hervorbringt, und hier tritt uns eine pdi_443.003
doppelte Richtung des Verfahrens entgegen, welche in der Natur pdi_443.004
des Erlebnisses angelegt ist.
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Wie in der Wissenschaft inductives und deductives pdi_443.006
Verfahren sich trennen und mannigfach zusammenwirken, pdi_443.007
so sind im Erlebniss zwei Arten des Phantasievorgangs pdi_443.008
angelegt: der subjective Zustand wird in dem pdi_443.009
Symbol eines äusseren Vorgangs versinnlicht, die äussere pdi_443.010
Thatsächlichkeit wird verinnerlicht. Hiernach scheiden pdi_443.011
sich subjective und objective Dichter.
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Ich habe dieses Grundverhältniss in der Phantasie zuerst pdi_443.013
in einer Abhandlung „Ueber die Einbildungskraft der Dichter“ 1) pdi_443.014
entwickelt und auf literarhistorischem Wege zu begründen pdi_443.015
unternommen. Schon Schiller stellte zwei Grundstimmungen pdi_443.016
der Phantasie, die naive und sentimentalische, einander gegenüber. pdi_443.017
Er bezeichnete so nicht Epochen der Literatur, sondern pdi_443.018
Grundverfassungen der Dichter. Ich versuchte nun den am pdi_443.019
meisten elementaren Unterschied in dem Verfahren pdi_443.020
der Phantasie an dem literarhistorischen Material zu erkennen, pdi_443.021
da der von Schiller aufgestellte ein sehr zusammengesetzter pdi_443.022
und historisch bedingter ist. Die vorliegende Untersuchung pdi_443.023
bestätigt psychologisch den durch literarische Methode pdi_443.024
aufgefundenen Unterschied.
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Jede zusammengesetzte Untersuchung verknüpft inductive pdi_443.026
und deductive Verfahrungsweise. So muss auch jedes grössere pdi_443.027
dichterische Werk beide Richtungen des Phantasievorgangs vereinigen. pdi_443.028
Doch überwiegt in Dichtern wie Shakespeare und
1) pdi_443.029
Zeitschrift für Völkerpsychologie Bd. X 42 ff. Ich füge hinzu, dass ich pdi_443.030
in dem Vortrag über dichterische Einbildungskraft und Wahnsinn, 1886, pdi_443.031
einige Hauptpunkte der jetzt in dieser Abhandlung vorgelegten psychologischen pdi_443.032
Grundlegung allgemeinverständlich dargestellt habe; in meinen literarhistorischen pdi_443.033
Abhandlungen über Lessing, Novalis, Dickens, Alfieri etc. habe pdi_443.034
ich, der hier gegebenen Grundlegung entsprechend, vielfach psychologische pdi_443.035
Gesichtspunkte für die literarhistorische Charakteristik zu verwerthen gesucht. pdi_443.036
So enthalten auch sie Ergänzungen des hier Dargelegten.
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