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Dilthey, Wilhelm: Die Einbildungskraft des Dichters: Bausteine für eine Poetik. In: Philosophische Aufsätze. Eduard Zeller zu seinem fünfzigjährigen Doctor-Jubiläum gewidmet. (= Philosphische Aufsätze, 10.) Leipzig, 1887, S. 303–482.

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leicht ist." Von Richard Wagner wird mir (durch H. von pdi_405.002
Stein) die mündliche Aeusserung mitgetheilt, er habe in Paris, pdi_405.003
mit den deutschen Sagen beschäftigt, alle seine Stoffe zugleich pdi_405.004
vor sich gesehen. Siegfried, Tannhäuser, Lohengrin, Tristan, pdi_405.005
Parzival, auch die Meistersänger, und zwar in ganz bestimmten pdi_405.006
Einzelanschauungen, so eine Scene aus den Meistersängern, pdi_405.007
eine bestimmte sagenhafte Begegnung.

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Mit den Aeusserungen Goethe's und den verwandten Selbstzeugnissen pdi_405.009
ist zunächst das Selbstzeugniss eines russischen Dichters pdi_405.010
Gontscharof ganz im Einklang: "immer schwebt mir eine bestimmte pdi_405.011
Gestalt und dabei ein Hauptmotiv vor: an seiner Hand pdi_405.012
schreite ich vorwärts und ergreife unterwegs, was mir zufällig pdi_405.013
in die Hände fällt, d. h. nur was sich darauf näher bezieht. Dann pdi_405.014
arbeite ich emsig, fleissig, so rasch, dass die Feder kaum den pdi_405.015
Gedanken folgen kann, bis ich wieder auf eine Mauer stosse. pdi_405.016
Unterdess arbeitet mein Kopf weiter; die Personen lassen mir pdi_405.017
keine Ruhe, erscheinen in verschiedenen Scenen; ich glaube pdi_405.018
Bruchstücke ihrer Gespräche zu hören, und schon oft ist es pdi_405.019
mir vorgekommen, als seien das nicht meine Gedanken, sondern pdi_405.020
als schwebe dies Alles um mich her, und ich brauche nur hinzusehen, pdi_405.021
um mich hineinzuversetzen."

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Andere Selbstzeugnisse gestatten einen noch tieferen Blick in pdi_405.023
den Vorgang. Sie erläutern, was wir über den Einfluss der Gefühle pdi_405.024
auf das dichterische Schaffen erörtert haben. Stimmung, Gefühlslage pdi_405.025
werden in diesen Zeugnissen als Ausgangspunkt pdi_405.026
des Vorgangs herausgehoben. Ich beginne mit Schiller1): "Ich pdi_405.027
glaube, es ist nicht immer die lebhafte Vorstellung seines Stoffs, pdi_405.028
sondern oft nur ein Bedürfniss nach Stoff, ein unbestimmter pdi_405.029
Drang nach Ergiessung strebender Gefühle, was Werke der Begeisterung pdi_405.030
erzeugt. Das Musikalische eines Gedichtes schwebt mir pdi_405.031
weit öfter vor der Seele, wenn ich mich hinsetze, es zu machen, pdi_405.032
als der klare Begriff vom Inhalt, über den ich oft kaum mit mir pdi_405.033
einig bin." Bei Entstehung des Wallenstein2): "Bei mir ist die

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an Körner, 25. Mai 1792.
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Schiller an Goethe, 18. März 1796.

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Zitationshilfe: Dilthey, Wilhelm: Die Einbildungskraft des Dichters: Bausteine für eine Poetik. In: Philosophische Aufsätze. Eduard Zeller zu seinem fünfzigjährigen Doctor-Jubiläum gewidmet. (= Philosphische Aufsätze, 10.) Leipzig, 1887, S. 303–482, hier S. 405. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dilthey_poetik_1887/107>, abgerufen am 23.11.2024.