Dilthey, Wilhelm: Einleitung in die Geisteswissenschaften. Versuch einer Grundlegung für das Studium der Gesellschaft und der Geschichte. Bd. 1. Leipzig, 1883.Das Weltreich. Wenige Jahre danach (829) haben zwei Koncilien zu Paris undzu Worms auf Grund der Lehre von dem Einen Körper der Christenheit entwickelt, daß dieser Körper einerseits vom Priester- thum, andererseits vom Königthum regiert werde1). Eine That- sache und ein begrifflicher Zusammenhang begegneten sich so in der Konstruktion der Weltmonarchie. Und rückwärts verfolgte man den Gedanken derselben unter dem Einfluß der Stelle im Buche Daniel über die vier Reiche in das Morgenland: fabel- umgebene Bilder von den vier Weltmonarchien wurden das Schema der politischen Geschichte. Diese geschichtlichen und politischen Realitäten, vermischt mit 1) Concil. Parisiense 829 (Mansi t. XIV p. 537 f.). Const. Worm. (Monum. Germ. Legum I p. 333 rescr. c. 2. 3): 2. Quod universalis sancta Dei ecclesia unum corpus ejusque caput Christus sit. Dies wird durch die S. 430 berührten Stellen des Paulus erwiesen. 3. Quod ejusdem ecclesiae corpus in duabus principaliter dividatur eximiis personis. principaliter itaque totius sanctae Dei ecclesiae corpus in duas eximias personas, in sacerdotalem videlicet et regalem, sicut a sanctis patribus traditum accepimus, divisum esse novimus. 28*
Das Weltreich. Wenige Jahre danach (829) haben zwei Koncilien zu Paris undzu Worms auf Grund der Lehre von dem Einen Körper der Chriſtenheit entwickelt, daß dieſer Körper einerſeits vom Prieſter- thum, andererſeits vom Königthum regiert werde1). Eine That- ſache und ein begrifflicher Zuſammenhang begegneten ſich ſo in der Konſtruktion der Weltmonarchie. Und rückwärts verfolgte man den Gedanken derſelben unter dem Einfluß der Stelle im Buche Daniel über die vier Reiche in das Morgenland: fabel- umgebene Bilder von den vier Weltmonarchien wurden das Schema der politiſchen Geſchichte. Dieſe geſchichtlichen und politiſchen Realitäten, vermiſcht mit 1) Concil. Parisiense 829 (Mansi t. XIV p. 537 f.). Const. Worm. (Monum. Germ. Legum I p. 333 rescr. c. 2. 3): 2. Quod universalis sancta Dei ecclesia unum corpus ejusque caput Christus sit. Dies wird durch die S. 430 berührten Stellen des Paulus erwieſen. 3. Quod ejusdem ecclesiae corpus in duabus principaliter dividatur eximiis personis. principaliter itaque totius sanctae Dei ecclesiae corpus in duas eximias personas, in sacerdotalem videlicet et regalem, sicut a sanctis patribus traditum accepimus, divisum esse novimus. 28*
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Das Weltreich.
Wenige Jahre danach (829) haben zwei Koncilien zu Paris und
zu Worms auf Grund der Lehre von dem Einen Körper der
Chriſtenheit entwickelt, daß dieſer Körper einerſeits vom Prieſter-
thum, andererſeits vom Königthum regiert werde 1). Eine That-
ſache und ein begrifflicher Zuſammenhang begegneten ſich ſo in
der Konſtruktion der Weltmonarchie. Und rückwärts verfolgte
man den Gedanken derſelben unter dem Einfluß der Stelle im
Buche Daniel über die vier Reiche in das Morgenland: fabel-
umgebene Bilder von den vier Weltmonarchien wurden das Schema
der politiſchen Geſchichte.
Dieſe geſchichtlichen und politiſchen Realitäten, vermiſcht mit
Fabeln von ſolchen, erhielten in dem theokratiſchen Syſtem ihren
Platz und eine mit deſſen tiefſten Prinzipien zuſammenhängende
Deutung. Schon die Stoiker hatten die Monarchie Gottes mit
dem römiſchen Univerſalſtaat in Beziehung gebracht; nun wird
aus dem einheitlichen Plane Gottes und der Einheit des Menſchen-
geſchlechtes als ſeines Gegenſtandes die Monarchie in Dantes
Verſtande d. h. der Weltſtaat gefolgert, entſprechend dem geiſt-
lichen Einheitsſtaate der Kirche. Dante hat dieſen Zuſammen-
hang am eindringlichſten dargeſtellt, in einer Mehrzahl von Ar-
gumenten, deren Nerv derſelbe iſt. Das Menſchengeſchlecht, ein
Theil des von Gott geleiteten Univerſums, hat einen einheitlichen
Zweck, welcher in dem Auswirken aller intellektuellen und prak-
tiſchen Kräfte der Menſchennatur beſteht. Nun wird eine Vielheit
zu Einem Zweck am ſicherſten durch eine einheitliche Kraft gelenkt,
wie die Vernunft alle Kräfte der Menſchennatur leitet, das Familien-
haupt ſein Haus, der Einzelfürſt ſeinen Staat und ſchließlich Gott
die Welt, in welcher das Menſchengeſchlecht enthalten iſt. So
1) Concil. Parisiense 829 (Mansi t. XIV p. 537 f.). Const. Worm.
(Monum. Germ. Legum I p. 333 rescr. c. 2. 3): 2. Quod universalis sancta
Dei ecclesia unum corpus ejusque caput Christus sit. Dies wird durch
die S. 430 berührten Stellen des Paulus erwieſen. 3. Quod ejusdem
ecclesiae corpus in duabus principaliter dividatur eximiis personis.
principaliter itaque totius sanctae Dei ecclesiae corpus in duas eximias
personas, in sacerdotalem videlicet et regalem, sicut a sanctis patribus
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