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Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915.

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Gedanken. Hatten die Fischer, mitten auf der Spree, eine große Wune, zum Fischen, gehauen, welche selbige Nacht wiedrum etwas zugefroren und beschneiet war, also daß ich's nicht sehen konnte. Ehe ich's mir versahe, lag ich darinnen, bis über Hals und Kopf. Der starke Zug nach den Mühlen hätte mich schier ertränket und ersauft, wann nicht mein Berkaner Mantel Wind gefasset und mich oben erhalten. Unter der großen Arbeit, wieder heraus zu kommen, war nichts als: JEsus, JEsus, ach JEsus, mein GOtt, hilf mir! mein Gedanke. Endlich war ein Stück Bauholz mit eingefroren. Daran half ich mir wieder raus. Da war kein Mensch, der es gesehen oder mir helfen können. Da stund ich erfroren, beharnischt. Ach, aber das schlimbste: das silberne Becken, die silberne Flasche mit samt dem Scheerbeutel und silberbeschlagenem Messer war weg; über hundert Thaler wert, was nun zu machen?

Ich lief teils aus Kälte, teils aus großer Angst vollends über, in die Fischergasse zu dem Fischer, den ich barbieren wollte. Es war der Hoffischer Schütz, ein recht braver, wackerer Mann, welcher mich herzlich bedaurete, mir seinen Pelz zum wärmen, aber wenig Trost zu den verlorenen Sachen gab.

Er beordert drei Fischergesellen, welchen ich einen Thaler versprach. Die suchten mit langen Stangen und vorgesatzten Hamen. Und war'n Glück, daß die Flasche noch voll Wasser und also gleich gesunken war; welche sie zum ersten durch den Hamen rausbrachten. Mit dem Becken und Sack ging es länger her; denn er vom Strom fortgetrieben war; doch brachten sie ihn auch raus.

Wer war froher als ich, der durch GOttes Gnade und Wunderhand Leben und Gut errettet sahe? Ich dankte den Leuten, und der Fischmeister zahlet' gleich den Thaler vor mich.

Indeß, weil sich die Sache verweilet, hatte ein Kunde

Gedanken. Hatten die Fischer, mitten auf der Spree, eine große Wune, zum Fischen, gehauen, welche selbige Nacht wiedrum etwas zugefroren und beschneiet war, also daß ich’s nicht sehen konnte. Ehe ich’s mir versahe, lag ich darinnen, bis über Hals und Kopf. Der starke Zug nach den Mühlen hätte mich schier ertränket und ersauft, wann nicht mein Berkaner Mantel Wind gefasset und mich oben erhalten. Unter der großen Arbeit, wieder heraus zu kommen, war nichts als: JEsus, JEsus, ach JEsus, mein GOtt, hilf mir! mein Gedanke. Endlich war ein Stück Bauholz mit eingefroren. Daran half ich mir wieder raus. Da war kein Mensch, der es gesehen oder mir helfen können. Da stund ich erfroren, beharnischt. Ach, aber das schlimbste: das silberne Becken, die silberne Flasche mit samt dem Scheerbeutel und silberbeschlagenem Messer war weg; über hundert Thaler wert, was nun zu machen?

Ich lief teils aus Kälte, teils aus großer Angst vollends über, in die Fischergasse zu dem Fischer, den ich barbieren wollte. Es war der Hoffischer Schütz, ein recht braver, wackerer Mann, welcher mich herzlich bedaurete, mir seinen Pelz zum wärmen, aber wenig Trost zu den verlorenen Sachen gab.

Er beordert drei Fischergesellen, welchen ich einen Thaler versprach. Die suchten mit langen Stangen und vorgesatzten Hamen. Und war’n Glück, daß die Flasche noch voll Wasser und also gleich gesunken war; welche sie zum ersten durch den Hamen rausbrachten. Mit dem Becken und Sack ging es länger her; denn er vom Strom fortgetrieben war; doch brachten sie ihn auch raus.

Wer war froher als ich, der durch GOttes Gnade und Wunderhand Leben und Gut errettet sahe? Ich dankte den Leuten, und der Fischmeister zahlet’ gleich den Thaler vor mich.

Indeß, weil sich die Sache verweilet, hatte ein Kunde

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          <p>Ich lief teils aus Kälte, teils aus großer Angst vollends über, in die Fischergasse zu dem Fischer, den ich barbieren wollte. Es war der Hoffischer Schütz, ein recht braver, wackerer Mann, welcher mich herzlich bedaurete, mir seinen Pelz zum wärmen, aber wenig Trost zu den verlorenen Sachen gab.</p>
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[0036] Gedanken. Hatten die Fischer, mitten auf der Spree, eine große Wune, zum Fischen, gehauen, welche selbige Nacht wiedrum etwas zugefroren und beschneiet war, also daß ich’s nicht sehen konnte. Ehe ich’s mir versahe, lag ich darinnen, bis über Hals und Kopf. Der starke Zug nach den Mühlen hätte mich schier ertränket und ersauft, wann nicht mein Berkaner Mantel Wind gefasset und mich oben erhalten. Unter der großen Arbeit, wieder heraus zu kommen, war nichts als: JEsus, JEsus, ach JEsus, mein GOtt, hilf mir! mein Gedanke. Endlich war ein Stück Bauholz mit eingefroren. Daran half ich mir wieder raus. Da war kein Mensch, der es gesehen oder mir helfen können. Da stund ich erfroren, beharnischt. Ach, aber das schlimbste: das silberne Becken, die silberne Flasche mit samt dem Scheerbeutel und silberbeschlagenem Messer war weg; über hundert Thaler wert, was nun zu machen? Ich lief teils aus Kälte, teils aus großer Angst vollends über, in die Fischergasse zu dem Fischer, den ich barbieren wollte. Es war der Hoffischer Schütz, ein recht braver, wackerer Mann, welcher mich herzlich bedaurete, mir seinen Pelz zum wärmen, aber wenig Trost zu den verlorenen Sachen gab. Er beordert drei Fischergesellen, welchen ich einen Thaler versprach. Die suchten mit langen Stangen und vorgesatzten Hamen. Und war’n Glück, daß die Flasche noch voll Wasser und also gleich gesunken war; welche sie zum ersten durch den Hamen rausbrachten. Mit dem Becken und Sack ging es länger her; denn er vom Strom fortgetrieben war; doch brachten sie ihn auch raus. Wer war froher als ich, der durch GOttes Gnade und Wunderhand Leben und Gut errettet sahe? Ich dankte den Leuten, und der Fischmeister zahlet’ gleich den Thaler vor mich. Indeß, weil sich die Sache verweilet, hatte ein Kunde

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Zitationshilfe: Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dietz_leben_1915/36>, abgerufen am 24.11.2024.