Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915.Ich war mein Tag nicht viel zu Wasser gewesen. Als wir einen Sturm bekamen, ging es auf dem kleinen Schiff übel her und durcheinander. Das Weibesvolk ward krank, und mir ward übel. Doch mußten wir aushalten bis nach Glückstadt, welches eine Festung und schöne Stadt, dichte an der Elbe und nicht fern von der See, daß, wenn der Wind nord-west und Sturm, fast das Wasser über die Mauren steigt; wie damals auch geschehen. Von Glückstadt reisete nach Crempe, so auch eine Festung war. Von dar aufm Wagen nach Itzehoe, zu meinem neuen Herrn, so ein alter siebenzigjähriger Mann war und sich auf gute Gesellen verlassen mußte, wie denn in Wahrheit sagen muß, daß unter drei Gesellen alles auf mich ankam. Und weil ich wohlbelesen in meinen Lehrjahrn, auch in Ungern und bei der Garde in Berlin Erfahrung hatte, ging alles gut mit innerlichen und äußerlichen Kuren. Also, daß alles an Unter- und Oberoffizieren Liebe und Vertrauen auf mich hatte; sogar der Generalmajor Fuchs und der Obrist Ellenberger NB. hatten mich wert. Darüber mein alter Regiments-Feldscher, Christoph Eberhardt bei Prinz Christians Regiment, so neunzehenhundert Mann stark, ward ganz jaloux auf mich. Jedoch durfte er sich's nicht merken lassen. Zumal da ich keine von seinen drei erwachsenen Töchtern begehrte zu heiraten. Denn sie waren nicht wohlerzogen, verfressen und versoffen, Müßiggänger, wiewohl eine umb die andere sich suchte, bei mir beliebt zu machen; sogar, daß sie sich oft, umb mein Bett zu machen, zankten; vorgebend: es röche daraus gut! Ja, die Mutter legte es auf allerhand List und holete mich aus dem Bett zu ihren Töchtern, welche krank sein sollten; und zur Probe ich nur meine Hände auf ihren Leib legen sollte. Allein ich wußte von der Sache nichts und stellete mich dummer, als eine Gans. Ich war mein Tag nicht viel zu Wasser gewesen. Als wir einen Sturm bekamen, ging es auf dem kleinen Schiff übel her und durcheinander. Das Weibesvolk ward krank, und mir ward übel. Doch mußten wir aushalten bis nach Glückstadt, welches eine Festung und schöne Stadt, dichte an der Elbe und nicht fern von der See, daß, wenn der Wind nord-west und Sturm, fast das Wasser über die Mauren steigt; wie damals auch geschehen. Von Glückstadt reisete nach Crempe, so auch eine Festung war. Von dar aufm Wagen nach Itzehoe, zu meinem neuen Herrn, so ein alter siebenzigjähriger Mann war und sich auf gute Gesellen verlassen mußte, wie denn in Wahrheit sagen muß, daß unter drei Gesellen alles auf mich ankam. Und weil ich wohlbelesen in meinen Lehrjahrn, auch in Ungern und bei der Garde in Berlin Erfahrung hatte, ging alles gut mit innerlichen und äußerlichen Kuren. Also, daß alles an Unter- und Oberoffizieren Liebe und Vertrauen auf mich hatte; sogar der Generalmajor Fuchs und der Obrist Ellenberger NB. hatten mich wert. Darüber mein alter Regiments-Feldscher, Christoph Eberhardt bei Prinz Christians Regiment, so neunzehenhundert Mann stark, ward ganz jaloux auf mich. Jedoch durfte er sich’s nicht merken lassen. Zumal da ich keine von seinen drei erwachsenen Töchtern begehrte zu heiraten. Denn sie waren nicht wohlerzogen, verfressen und versoffen, Müßiggänger, wiewohl eine umb die andere sich suchte, bei mir beliebt zu machen; sogar, daß sie sich oft, umb mein Bett zu machen, zankten; vorgebend: es röche daraus gut! Ja, die Mutter legte es auf allerhand List und holete mich aus dem Bett zu ihren Töchtern, welche krank sein sollten; und zur Probe ich nur meine Hände auf ihren Leib legen sollte. Allein ich wußte von der Sache nichts und stellete mich dummer, als eine Gans. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <pb facs="#f0106"/> <p><hi rendition="#in">I</hi>ch war mein Tag nicht viel zu Wasser gewesen. Als wir einen Sturm bekamen, ging es auf dem kleinen Schiff übel her und durcheinander. Das Weibesvolk ward krank, und mir ward übel. Doch mußten wir aushalten bis nach Glückstadt, welches eine Festung und schöne Stadt, dichte an der Elbe und nicht fern von der See, daß, wenn der Wind nord-west und Sturm, fast das Wasser über die Mauren steigt; wie damals auch geschehen.</p> <p>Von Glückstadt reisete nach Crempe, so auch eine Festung war. Von dar aufm Wagen nach Itzehoe, zu meinem neuen Herrn, so ein alter siebenzigjähriger Mann war und sich auf gute Gesellen verlassen mußte, wie denn in Wahrheit sagen muß, daß unter drei Gesellen alles auf mich ankam.</p> <p>Und weil ich wohlbelesen in meinen Lehrjahrn, auch in Ungern und bei der Garde in Berlin Erfahrung hatte, ging alles gut mit innerlichen und äußerlichen Kuren. Also, daß alles an Unter- und Oberoffizieren Liebe und Vertrauen auf mich hatte; sogar der Generalmajor Fuchs und der Obrist Ellenberger <hi rendition="#aq">NB.</hi> hatten mich wert.</p> <p>Darüber mein alter Regiments-Feldscher, Christoph Eberhardt bei Prinz Christians Regiment, so neunzehenhundert Mann stark, ward ganz jaloux auf mich. Jedoch durfte er sich’s nicht merken lassen. Zumal da ich keine von seinen drei erwachsenen Töchtern begehrte zu heiraten. Denn sie waren nicht wohlerzogen, verfressen und versoffen, Müßiggänger, wiewohl eine umb die andere sich suchte, bei mir beliebt zu machen; sogar, daß sie sich oft, umb mein Bett zu machen, zankten; vorgebend: es röche daraus gut! Ja, die Mutter legte es auf allerhand List und holete mich aus dem Bett zu ihren Töchtern, welche krank sein sollten; und zur Probe ich nur meine Hände auf ihren Leib legen sollte. Allein ich wußte von der Sache nichts und stellete mich dummer, als eine Gans. </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0106]
Ich war mein Tag nicht viel zu Wasser gewesen. Als wir einen Sturm bekamen, ging es auf dem kleinen Schiff übel her und durcheinander. Das Weibesvolk ward krank, und mir ward übel. Doch mußten wir aushalten bis nach Glückstadt, welches eine Festung und schöne Stadt, dichte an der Elbe und nicht fern von der See, daß, wenn der Wind nord-west und Sturm, fast das Wasser über die Mauren steigt; wie damals auch geschehen.
Von Glückstadt reisete nach Crempe, so auch eine Festung war. Von dar aufm Wagen nach Itzehoe, zu meinem neuen Herrn, so ein alter siebenzigjähriger Mann war und sich auf gute Gesellen verlassen mußte, wie denn in Wahrheit sagen muß, daß unter drei Gesellen alles auf mich ankam.
Und weil ich wohlbelesen in meinen Lehrjahrn, auch in Ungern und bei der Garde in Berlin Erfahrung hatte, ging alles gut mit innerlichen und äußerlichen Kuren. Also, daß alles an Unter- und Oberoffizieren Liebe und Vertrauen auf mich hatte; sogar der Generalmajor Fuchs und der Obrist Ellenberger NB. hatten mich wert.
Darüber mein alter Regiments-Feldscher, Christoph Eberhardt bei Prinz Christians Regiment, so neunzehenhundert Mann stark, ward ganz jaloux auf mich. Jedoch durfte er sich’s nicht merken lassen. Zumal da ich keine von seinen drei erwachsenen Töchtern begehrte zu heiraten. Denn sie waren nicht wohlerzogen, verfressen und versoffen, Müßiggänger, wiewohl eine umb die andere sich suchte, bei mir beliebt zu machen; sogar, daß sie sich oft, umb mein Bett zu machen, zankten; vorgebend: es röche daraus gut! Ja, die Mutter legte es auf allerhand List und holete mich aus dem Bett zu ihren Töchtern, welche krank sein sollten; und zur Probe ich nur meine Hände auf ihren Leib legen sollte. Allein ich wußte von der Sache nichts und stellete mich dummer, als eine Gans.
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Zitationshilfe: | Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dietz_leben_1915/106>, abgerufen am 25.07.2024. |