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Diesterweg, Adolph: Über das Verderben auf den deutschen Universitäten. Essen, 1836.

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ihm einen passe par tout. Die akademische Freiheit, es ist
ein herrlich Ding, vivat hoch!

Die Collegien sollen beginnen. So steht im Katalog.
Aber es eilt nicht so. Die Herren Professoren fangen noch
nicht an. Es ist noch Zeit, daß sich Bruder Studio vorher
mit andern Dingen auf der Universität gründlich bekannt mache.
Die älteren Brüder weisen den "Fuchs" zurecht, und weihen
ihn gütig und liebreich ein. Er fühlt sich überglücklich durch
die Freundschaft eines "fidelen Hauses", durch den Smollis
mit einem "bemoosten Haupte".

Inzwischen durchmustert er das Lectionsverzeichniß, na-
türlich an der Hand und mit dem Beirath seiner erworbenen
Freunde. Der Vater oder der Rector Gymnasii, das er ver-
lassen, hat ihm gerathen, die und die Vorlesungen zu hören,
so und so seinen Studienplan einzurichten. Aber die erfahre-
nen Freunde wissen es besser. Das empfohlene Collegium ist
zwar nützlich, unter Umständen wichtig, aber der Mann, der
es lies't, ist ein "gründlich langweiliger Gesell". Doch, das
Collegium gehört zu denen, worüber dereinst, nach drei oder
vier, d. h. nach vielen Jahren, ein testimonium beigebracht
werden muß. Also belegt muß es werden; dann ist der Herr
Professor auch stets freudig bereit, zu testiren. Man geht
darum einige Mal hinein, nachher aber besucht man andere
Lehrer, die interessanter lesen. Ueberall zu belegen, wo man
hören will, ist nicht nöthig. Es ist zwar Gesetz, aber die
Masse der Zuhörer ist sehr groß, Controle unmöglich. Liber-
tinage in dem Besuchen der Vorlesungen, Libertinage in dem
Bezahlen derselben.

Doch wir setzen den besten Fall: Der angehende Student
hat feste Grundsätze, er ist gewissenhaft und fleißig, er schwänzt

ihm einen passe par tout. Die akademiſche Freiheit, es iſt
ein herrlich Ding, vivat hoch!

Die Collegien ſollen beginnen. So ſteht im Katalog.
Aber es eilt nicht ſo. Die Herren Profeſſoren fangen noch
nicht an. Es iſt noch Zeit, daß ſich Bruder Studio vorher
mit andern Dingen auf der Univerſitaͤt gruͤndlich bekannt mache.
Die aͤlteren Bruͤder weiſen den „Fuchs“ zurecht, und weihen
ihn guͤtig und liebreich ein. Er fuͤhlt ſich uͤbergluͤcklich durch
die Freundſchaft eines „fidelen Hauſes“, durch den Smollis
mit einem „bemooſten Haupte“.

Inzwiſchen durchmuſtert er das Lectionsverzeichniß, na-
tuͤrlich an der Hand und mit dem Beirath ſeiner erworbenen
Freunde. Der Vater oder der Rector Gymnaſii, das er ver-
laſſen, hat ihm gerathen, die und die Vorleſungen zu hoͤren,
ſo und ſo ſeinen Studienplan einzurichten. Aber die erfahre-
nen Freunde wiſſen es beſſer. Das empfohlene Collegium iſt
zwar nuͤtzlich, unter Umſtaͤnden wichtig, aber der Mann, der
es lieſ’t, iſt ein „gruͤndlich langweiliger Geſell“. Doch, das
Collegium gehoͤrt zu denen, woruͤber dereinſt, nach drei oder
vier, d. h. nach vielen Jahren, ein testimonium beigebracht
werden muß. Alſo belegt muß es werden; dann iſt der Herr
Profeſſor auch ſtets freudig bereit, zu teſtiren. Man geht
darum einige Mal hinein, nachher aber beſucht man andere
Lehrer, die intereſſanter leſen. Ueberall zu belegen, wo man
hoͤren will, iſt nicht noͤthig. Es iſt zwar Geſetz, aber die
Maſſe der Zuhoͤrer iſt ſehr groß, Controle unmoͤglich. Liber-
tinage in dem Beſuchen der Vorleſungen, Libertinage in dem
Bezahlen derſelben.

Doch wir ſetzen den beſten Fall: Der angehende Student
hat feſte Grundſaͤtze, er iſt gewiſſenhaft und fleißig, er ſchwaͤnzt

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[65/0083] ihm einen passe par tout. Die akademiſche Freiheit, es iſt ein herrlich Ding, vivat hoch! Die Collegien ſollen beginnen. So ſteht im Katalog. Aber es eilt nicht ſo. Die Herren Profeſſoren fangen noch nicht an. Es iſt noch Zeit, daß ſich Bruder Studio vorher mit andern Dingen auf der Univerſitaͤt gruͤndlich bekannt mache. Die aͤlteren Bruͤder weiſen den „Fuchs“ zurecht, und weihen ihn guͤtig und liebreich ein. Er fuͤhlt ſich uͤbergluͤcklich durch die Freundſchaft eines „fidelen Hauſes“, durch den Smollis mit einem „bemooſten Haupte“. Inzwiſchen durchmuſtert er das Lectionsverzeichniß, na- tuͤrlich an der Hand und mit dem Beirath ſeiner erworbenen Freunde. Der Vater oder der Rector Gymnaſii, das er ver- laſſen, hat ihm gerathen, die und die Vorleſungen zu hoͤren, ſo und ſo ſeinen Studienplan einzurichten. Aber die erfahre- nen Freunde wiſſen es beſſer. Das empfohlene Collegium iſt zwar nuͤtzlich, unter Umſtaͤnden wichtig, aber der Mann, der es lieſ’t, iſt ein „gruͤndlich langweiliger Geſell“. Doch, das Collegium gehoͤrt zu denen, woruͤber dereinſt, nach drei oder vier, d. h. nach vielen Jahren, ein testimonium beigebracht werden muß. Alſo belegt muß es werden; dann iſt der Herr Profeſſor auch ſtets freudig bereit, zu teſtiren. Man geht darum einige Mal hinein, nachher aber beſucht man andere Lehrer, die intereſſanter leſen. Ueberall zu belegen, wo man hoͤren will, iſt nicht noͤthig. Es iſt zwar Geſetz, aber die Maſſe der Zuhoͤrer iſt ſehr groß, Controle unmoͤglich. Liber- tinage in dem Beſuchen der Vorleſungen, Libertinage in dem Bezahlen derſelben. Doch wir ſetzen den beſten Fall: Der angehende Student hat feſte Grundſaͤtze, er iſt gewiſſenhaft und fleißig, er ſchwaͤnzt

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Zitationshilfe: Diesterweg, Adolph: Über das Verderben auf den deutschen Universitäten. Essen, 1836, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/diesterweg_universitaeten_1836/83>, abgerufen am 23.11.2024.