Diesterweg, Adolph: Über das Verderben auf den deutschen Universitäten. Essen, 1836.tenden, in großartigem, begeisterndem, treu verbundenem Stre- Aber -- nun sehe man einmal zu, wie diese Humani- tenden, in großartigem, begeiſterndem, treu verbundenem Stre- Aber — nun ſehe man einmal zu, wie dieſe Humani- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0070" n="52"/> tenden, in großartigem, begeiſterndem, treu verbundenem Stre-<lb/> ben, ſich ſelbſt vergeſſend uͤber der erhabenen Goͤttin, der ſie<lb/> dienen, gleich jenem Juͤngling, der die Theilung der Erde<lb/> uͤberſehen hatte. Ja, die Humanitaͤt verlangen, fordern wir<lb/> mit Recht von denen, die ſich ruͤhmen, <hi rendition="#aq">humaniora</hi> zu lehren.</p><lb/> <p>Aber — nun ſehe man einmal zu, <hi rendition="#g">wie</hi> dieſe Humani-<lb/> taͤts-Profeſſoren zum Theil zu einander ſtehen, mit einander<lb/> leben, ſich gegen einander betragen, ob es einem nicht iſt,<lb/> als wenn man aus den Wolken fiele, und ob nicht Mancher<lb/> recht hat, der ſich von ihnen und ihrer Sache wegwendet.<lb/> Es iſt oft ein Skandal. Katzbalgereien, haͤmiſche Angriffe,<lb/> kritiſche Bosheiten, weibiſche Klatſchſucht, hinterliſtige Ver-<lb/> laͤumdung, nie aufhoͤrende Parteiſucht und gemeine Unſrigkeit<lb/> und Vornehmigkeit — und wie alle die heilloſeſten Tuͤcke des<lb/> menſchlichen Gemuͤthes heißen moͤgen, ſie herrſchen — nicht<lb/> unter Staͤnden niederer Bildung, ſondern unter unſeren Ge-<lb/> lehrten. Kaum gleicht eine Wuth der eines Gelehrten, wenn<lb/> ein Anderer ihm die Bloͤßen, die er gegeben, aufdeckt, die<lb/> Boͤcke, die er geſchoſſen, verewigt. Kaum ſtreiten boͤſe Wei-<lb/> ber mit ſolcher Verwuͤnſchung mit einander, wie zwei Philo-<lb/> logen uͤber verſchiedene Lesarten und Auslegungen. Sie ver-<lb/> folgen einander auf ewig. Gerade hier erkennt man nicht nur<lb/> die Unwahrheit der alten Behauptung, daß das Wiſſen noth-<lb/> wendig veredle, ſondern auch die ungeheure Verirrung in der<lb/> uͤbertriebenen Werthſchaͤtzung des oft ſo eitlen, ſo unnuͤtzen<lb/> Wiſſens. Abgoͤttiſch verehren wir alten, todten Kram, beloh-<lb/> nen die Aufſpuͤrung einer unentzifferten Schrift an einem alten<lb/> Stein mit Schaͤtzen und mit Ehre, und bewundern kleinlichen<lb/> Scharfſinn, wo wir, wenn wir jenem Alexander glichen, ſo<lb/> eitle Kuͤnſte mit einem Scheffel Linſen anerkennen, d. h. ver-<lb/> achten ſollten.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [52/0070]
tenden, in großartigem, begeiſterndem, treu verbundenem Stre-
ben, ſich ſelbſt vergeſſend uͤber der erhabenen Goͤttin, der ſie
dienen, gleich jenem Juͤngling, der die Theilung der Erde
uͤberſehen hatte. Ja, die Humanitaͤt verlangen, fordern wir
mit Recht von denen, die ſich ruͤhmen, humaniora zu lehren.
Aber — nun ſehe man einmal zu, wie dieſe Humani-
taͤts-Profeſſoren zum Theil zu einander ſtehen, mit einander
leben, ſich gegen einander betragen, ob es einem nicht iſt,
als wenn man aus den Wolken fiele, und ob nicht Mancher
recht hat, der ſich von ihnen und ihrer Sache wegwendet.
Es iſt oft ein Skandal. Katzbalgereien, haͤmiſche Angriffe,
kritiſche Bosheiten, weibiſche Klatſchſucht, hinterliſtige Ver-
laͤumdung, nie aufhoͤrende Parteiſucht und gemeine Unſrigkeit
und Vornehmigkeit — und wie alle die heilloſeſten Tuͤcke des
menſchlichen Gemuͤthes heißen moͤgen, ſie herrſchen — nicht
unter Staͤnden niederer Bildung, ſondern unter unſeren Ge-
lehrten. Kaum gleicht eine Wuth der eines Gelehrten, wenn
ein Anderer ihm die Bloͤßen, die er gegeben, aufdeckt, die
Boͤcke, die er geſchoſſen, verewigt. Kaum ſtreiten boͤſe Wei-
ber mit ſolcher Verwuͤnſchung mit einander, wie zwei Philo-
logen uͤber verſchiedene Lesarten und Auslegungen. Sie ver-
folgen einander auf ewig. Gerade hier erkennt man nicht nur
die Unwahrheit der alten Behauptung, daß das Wiſſen noth-
wendig veredle, ſondern auch die ungeheure Verirrung in der
uͤbertriebenen Werthſchaͤtzung des oft ſo eitlen, ſo unnuͤtzen
Wiſſens. Abgoͤttiſch verehren wir alten, todten Kram, beloh-
nen die Aufſpuͤrung einer unentzifferten Schrift an einem alten
Stein mit Schaͤtzen und mit Ehre, und bewundern kleinlichen
Scharfſinn, wo wir, wenn wir jenem Alexander glichen, ſo
eitle Kuͤnſte mit einem Scheffel Linſen anerkennen, d. h. ver-
achten ſollten.
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