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Diesterweg, Adolph: Über das Verderben auf den deutschen Universitäten. Essen, 1836.

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allein es nicht überlassen, was sie zu lesen Lust haben. Das
ist nicht Freiheit, das ist Willkür. Wahre Freiheit richtet sich
nach höheren Gesetzen.

So ist demnach der falsch verstandene Begriff der Lehr-
freiheit sowohl in Betreff des Gegenstandes als in Betreff des
Inhaltes aus dem Gesichtspunkte der wahren Bildung der
Schüler in angemessener Weise zu beschränken.

Der Lehrfreiheit steht die Lernfreiheit gegenüber, die
Befugniß der Studenten, die Vorlesungen, die sie besuchen,
die Lehrer, die sie hören wollen, sich auszuwählen.

Mit Grund läßt sich nach meinem Ermessen gegen diese
Freiheit nichts sagen. Sind sämmtliche Lehrer tüchtige Män-
ner, nun so lasse man in der Auswahl das Gesetz der Sym-
pathie walten. Es wird den Lehrer nöthigen, sich um die
Zuneigung der Herren Commilitonen zu bewerben und ein in
mancher Beziehung heilsamer Wettstreit entstehen. Freilich
hat es auch seine Bedenklichkeiten. Aber der Vortheil, daß
der Student sich frei fühlt und reine Zuneigung zu dem Leh-
rer die Schritte leitet, erscheint als überwiegend. Nur wird
eine wohlwollende Staatsbehörde oder jede Facultät die Rei-
henfolge der Vorlesungen für die 6 oder 8 auf einander fol-
genden Semester, zwar nicht als eine unabänderliche Norm,
aber als wohlzuüberlegenden Rathschlag und Führer öffentlich
bekannt machen, damit der Jüngling oder dessen Vater nicht
in Gefahr gerathe, ganz zu irren. In gewissen Facultäten
giebt es auch Collegia, die Jeder, der sich zum Staatsexamen
meldet, gehört haben muß. Ein Zeugniß vom Professor ist
darüber nachzuweisen. Dergleichen Bestimmungen können sehr
heilsam sein; nur muß man dann auch darauf halten, daß
die vorgeschriebenen Collegien nicht bloß testirt, sondern auch
wirklich besucht worden seien, d. h. nicht ein oder einige Mal,

allein es nicht uͤberlaſſen, was ſie zu leſen Luſt haben. Das
iſt nicht Freiheit, das iſt Willkuͤr. Wahre Freiheit richtet ſich
nach hoͤheren Geſetzen.

So iſt demnach der falſch verſtandene Begriff der Lehr-
freiheit ſowohl in Betreff des Gegenſtandes als in Betreff des
Inhaltes aus dem Geſichtspunkte der wahren Bildung der
Schuͤler in angemeſſener Weiſe zu beſchraͤnken.

Der Lehrfreiheit ſteht die Lernfreiheit gegenuͤber, die
Befugniß der Studenten, die Vorleſungen, die ſie beſuchen,
die Lehrer, die ſie hoͤren wollen, ſich auszuwaͤhlen.

Mit Grund laͤßt ſich nach meinem Ermeſſen gegen dieſe
Freiheit nichts ſagen. Sind ſaͤmmtliche Lehrer tuͤchtige Maͤn-
ner, nun ſo laſſe man in der Auswahl das Geſetz der Sym-
pathie walten. Es wird den Lehrer noͤthigen, ſich um die
Zuneigung der Herren Commilitonen zu bewerben und ein in
mancher Beziehung heilſamer Wettſtreit entſtehen. Freilich
hat es auch ſeine Bedenklichkeiten. Aber der Vortheil, daß
der Student ſich frei fuͤhlt und reine Zuneigung zu dem Leh-
rer die Schritte leitet, erſcheint als uͤberwiegend. Nur wird
eine wohlwollende Staatsbehoͤrde oder jede Facultaͤt die Rei-
henfolge der Vorleſungen fuͤr die 6 oder 8 auf einander fol-
genden Semeſter, zwar nicht als eine unabaͤnderliche Norm,
aber als wohlzuuͤberlegenden Rathſchlag und Fuͤhrer oͤffentlich
bekannt machen, damit der Juͤngling oder deſſen Vater nicht
in Gefahr gerathe, ganz zu irren. In gewiſſen Facultaͤten
giebt es auch Collegia, die Jeder, der ſich zum Staatsexamen
meldet, gehoͤrt haben muß. Ein Zeugniß vom Profeſſor iſt
daruͤber nachzuweiſen. Dergleichen Beſtimmungen koͤnnen ſehr
heilſam ſein; nur muß man dann auch darauf halten, daß
die vorgeſchriebenen Collegien nicht bloß teſtirt, ſondern auch
wirklich beſucht worden ſeien, d. h. nicht ein oder einige Mal,

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[12/0030] allein es nicht uͤberlaſſen, was ſie zu leſen Luſt haben. Das iſt nicht Freiheit, das iſt Willkuͤr. Wahre Freiheit richtet ſich nach hoͤheren Geſetzen. So iſt demnach der falſch verſtandene Begriff der Lehr- freiheit ſowohl in Betreff des Gegenſtandes als in Betreff des Inhaltes aus dem Geſichtspunkte der wahren Bildung der Schuͤler in angemeſſener Weiſe zu beſchraͤnken. Der Lehrfreiheit ſteht die Lernfreiheit gegenuͤber, die Befugniß der Studenten, die Vorleſungen, die ſie beſuchen, die Lehrer, die ſie hoͤren wollen, ſich auszuwaͤhlen. Mit Grund laͤßt ſich nach meinem Ermeſſen gegen dieſe Freiheit nichts ſagen. Sind ſaͤmmtliche Lehrer tuͤchtige Maͤn- ner, nun ſo laſſe man in der Auswahl das Geſetz der Sym- pathie walten. Es wird den Lehrer noͤthigen, ſich um die Zuneigung der Herren Commilitonen zu bewerben und ein in mancher Beziehung heilſamer Wettſtreit entſtehen. Freilich hat es auch ſeine Bedenklichkeiten. Aber der Vortheil, daß der Student ſich frei fuͤhlt und reine Zuneigung zu dem Leh- rer die Schritte leitet, erſcheint als uͤberwiegend. Nur wird eine wohlwollende Staatsbehoͤrde oder jede Facultaͤt die Rei- henfolge der Vorleſungen fuͤr die 6 oder 8 auf einander fol- genden Semeſter, zwar nicht als eine unabaͤnderliche Norm, aber als wohlzuuͤberlegenden Rathſchlag und Fuͤhrer oͤffentlich bekannt machen, damit der Juͤngling oder deſſen Vater nicht in Gefahr gerathe, ganz zu irren. In gewiſſen Facultaͤten giebt es auch Collegia, die Jeder, der ſich zum Staatsexamen meldet, gehoͤrt haben muß. Ein Zeugniß vom Profeſſor iſt daruͤber nachzuweiſen. Dergleichen Beſtimmungen koͤnnen ſehr heilſam ſein; nur muß man dann auch darauf halten, daß die vorgeſchriebenen Collegien nicht bloß teſtirt, ſondern auch wirklich beſucht worden ſeien, d. h. nicht ein oder einige Mal,

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Zitationshilfe: Diesterweg, Adolph: Über das Verderben auf den deutschen Universitäten. Essen, 1836, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/diesterweg_universitaeten_1836/30>, abgerufen am 04.12.2024.