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Diefenbach, Johann: Reformation oder Revolution. Mainz, 1897.

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liebt hatte. Er schreibt1): "Etliche Propheten zu dieser Zeit
predigen anderes nicht, noch wissen sie anderes zu predigen,
denn allein vom Glauben und sagen, die Werke werden sich
von selbst finden. Wie sich aber gute Werke gefunden haben,
und noch täglich finden, das ist augenscheinlich. Wird man
noch eine Zeitlang also den Glauben ohne Werke predigen,
was bisher geschehen ist, so wird die christliche Religion zu
Trümmern gehen und in einen jämmerlichen Fall kommen,
und wird Sodoma und Gomorrha werden an dem Ort, da der
Glaube ohne Werk gepredigt wird" ........ Jch habe mich
oftmals und fast verwundert, wie man doch so blind und ver-
messen ist, und darf die Aussprüche vom Glauben behandeln
zu Nachteil der Sprüchen von den Werken, und das Wort
"allein" mit einmengen, welches doch in der göttlichen Schrift
nicht steht. Jch möchte gern wissen, warum solches geschieht."

Zu den angesehensten Gelehrten im Reformationszeitalter
zählt Willibald Pirkheimer zu Nürnberg. Anfänglich der
Sache Luthers sehr geneigt, wandte er sich im Jahre 1527
von derselben ab beim Anblicke der durch die neue Lehre her-
beigeführten sittlichen und religiösen Zustände. Seinem Freunde
Zasius, der denselben Standpunkt wiedergewonnen hatte,
schreibt er2): "Jch hoffte im Anfange, daß eine gewisse Frei-
heit, aber eine geistliche werde zu Teil werden. Aber es wird
nun, wie man vor Augen sieht, alles so zur Fleischeslust
verkehrt, daß die letzten Dinge viel ärger sind als die ersten.
Wenn doch meine Nürnberger einmal die Augen öffnen und
sich nicht also von einigen Verführern mißbrauchen lassen!
Es sind zwar nicht alle blind, aber der größere Teil hat das

1) Ein christlicher Unterricht von der Gerechtigkeit des Glaubens
und von guten Werken." Leipzig 1534.
2) Zasii epp. Rieger p. 505.

liebt hatte. Er ſchreibt1): „Etliche Propheten zu dieſer Zeit
predigen anderes nicht, noch wiſſen ſie anderes zu predigen,
denn allein vom Glauben und ſagen, die Werke werden ſich
von ſelbſt finden. Wie ſich aber gute Werke gefunden haben,
und noch täglich finden, das iſt augenſcheinlich. Wird man
noch eine Zeitlang alſo den Glauben ohne Werke predigen,
was bisher geſchehen iſt, ſo wird die chriſtliche Religion zu
Trümmern gehen und in einen jämmerlichen Fall kommen,
und wird Sodoma und Gomorrha werden an dem Ort, da der
Glaube ohne Werk gepredigt wird‟ ........ Jch habe mich
oftmals und faſt verwundert, wie man doch ſo blind und ver-
meſſen iſt, und darf die Ausſprüche vom Glauben behandeln
zu Nachteil der Sprüchen von den Werken, und das Wort
„allein‟ mit einmengen, welches doch in der göttlichen Schrift
nicht ſteht. Jch möchte gern wiſſen, warum ſolches geſchieht.‟

Zu den angeſehenſten Gelehrten im Reformationszeitalter
zählt Willibald Pirkheimer zu Nürnberg. Anfänglich der
Sache Luthers ſehr geneigt, wandte er ſich im Jahre 1527
von derſelben ab beim Anblicke der durch die neue Lehre her-
beigeführten ſittlichen und religiöſen Zuſtände. Seinem Freunde
Zaſius, der denſelben Standpunkt wiedergewonnen hatte,
ſchreibt er2): „Jch hoffte im Anfange, daß eine gewiſſe Frei-
heit, aber eine geiſtliche werde zu Teil werden. Aber es wird
nun, wie man vor Augen ſieht, alles ſo zur Fleiſchesluſt
verkehrt, daß die letzten Dinge viel ärger ſind als die erſten.
Wenn doch meine Nürnberger einmal die Augen öffnen und
ſich nicht alſo von einigen Verführern mißbrauchen laſſen!
Es ſind zwar nicht alle blind, aber der größere Teil hat das

1) Ein chriſtlicher Unterricht von der Gerechtigkeit des Glaubens
und von guten Werken.‟ Leipzig 1534.
2) Zasii epp. Rieger p. 505.
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[46/0058] liebt hatte. Er ſchreibt 1): „Etliche Propheten zu dieſer Zeit predigen anderes nicht, noch wiſſen ſie anderes zu predigen, denn allein vom Glauben und ſagen, die Werke werden ſich von ſelbſt finden. Wie ſich aber gute Werke gefunden haben, und noch täglich finden, das iſt augenſcheinlich. Wird man noch eine Zeitlang alſo den Glauben ohne Werke predigen, was bisher geſchehen iſt, ſo wird die chriſtliche Religion zu Trümmern gehen und in einen jämmerlichen Fall kommen, und wird Sodoma und Gomorrha werden an dem Ort, da der Glaube ohne Werk gepredigt wird‟ ........ Jch habe mich oftmals und faſt verwundert, wie man doch ſo blind und ver- meſſen iſt, und darf die Ausſprüche vom Glauben behandeln zu Nachteil der Sprüchen von den Werken, und das Wort „allein‟ mit einmengen, welches doch in der göttlichen Schrift nicht ſteht. Jch möchte gern wiſſen, warum ſolches geſchieht.‟ Zu den angeſehenſten Gelehrten im Reformationszeitalter zählt Willibald Pirkheimer zu Nürnberg. Anfänglich der Sache Luthers ſehr geneigt, wandte er ſich im Jahre 1527 von derſelben ab beim Anblicke der durch die neue Lehre her- beigeführten ſittlichen und religiöſen Zuſtände. Seinem Freunde Zaſius, der denſelben Standpunkt wiedergewonnen hatte, ſchreibt er 2): „Jch hoffte im Anfange, daß eine gewiſſe Frei- heit, aber eine geiſtliche werde zu Teil werden. Aber es wird nun, wie man vor Augen ſieht, alles ſo zur Fleiſchesluſt verkehrt, daß die letzten Dinge viel ärger ſind als die erſten. Wenn doch meine Nürnberger einmal die Augen öffnen und ſich nicht alſo von einigen Verführern mißbrauchen laſſen! Es ſind zwar nicht alle blind, aber der größere Teil hat das 1) Ein chriſtlicher Unterricht von der Gerechtigkeit des Glaubens und von guten Werken.‟ Leipzig 1534. 2) Zasii epp. Rieger p. 505.

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Zitationshilfe: Diefenbach, Johann: Reformation oder Revolution. Mainz, 1897, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/diefenbach_reformation_1897/58>, abgerufen am 04.05.2024.