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Delbrück, Berthold: Die neueste Sprachforschung. Betrachtungen über Georg Curtius Schrift zur Kritik der neuesten Sprachforschung. Leipzig, 1885.

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einerseits zu aos as geworden, und andererseits zu aos aus
au
. Gegen diese Annahme hat Leskien Decl. p. 40 einge-
wendet, dass es völlig unglaublich erscheinen müsse, dass
in einem und demselben Dialekte der Ausgang ajos bald
sein s behalten, bald es verloren habe, bald sein ao zu a
contrahirt, bald es erhalten habe. Weiter machte er darauf
aufmerksam, dass -ajos nur aufgestellt sei, um diese beiden
Formen unter einen Hut zu bringen. Die europäischen
Sprachen weisen vielmehr auf einen Ausgang as. Man
müsse deshalb die Form auf au im Fern, im Arkadischen
als einen jungen Eindringling ansehen. Diese Endung ver-
danke ihre Existenz lediglich einer Uebertragung aus dem
Masculinum. Dass Leskien Recht hatte, zeigt jetzt das Cy-
prische, der Zwillingsdialekt des Arkadischen, welches den
von Leskien für das Arkadische vorausgesetzten Zustand
noch zeigt, nämlich au für das Masculinum, as für das Fe-
mininum (vgl. Baunack in Curtius' Studien 10, 133). Der
Fortschritt, welcher durch diese und ähnliche Erklärungen
bezeichnet wird, beruht besonders darin, dass die Auffassung
historischer geworden ist, und für diesen Fortschritt sind
wir wohl vor Allem den Forschern auf romanischem, ger-
manischem, slavischem Gebiet zu Dank verpflichtet. Auf
der anderen Seite ist zuzugeben, dass viele Erklärungen
durch Analogie aufgestellt sind, welche unwahrscheinlich
sind, und dass wir uns auf einem höchst gefährlichen Bo-
den bewegen, wenn wir die Kühnheit so weit treiben, As-
sociationsbildungen errathen zu wollen, die in der Ursprache
eingetreten sein könnten. Curtius stellt in diesem Capitel
eine Reihe von interessanten Fällen zusammen, in welchen
seiner Meinung nach das genannte Erklärungsmittel falsch
angewendet worden ist. Ob das geschehen ist, oder nicht,
ist eine Frage ohne hervorragende principielle Bedeutung.
Indem ich es daher den betheiligten Gelehrten überlasse,

einerseits zu αος ας geworden, und andererseits zu αος αυς
αυ
. Gegen diese Annahme hat Leskien Decl. p. 40 einge-
wendet, dass es völlig unglaublich erscheinen müsse, dass
in einem und demselben Dialekte der Ausgang ajos bald
sein s behalten, bald es verloren habe, bald sein ao zu a
contrahirt, bald es erhalten habe. Weiter machte er darauf
aufmerksam, dass -ajos nur aufgestellt sei, um diese beiden
Formen unter einen Hut zu bringen. Die europäischen
Sprachen weisen vielmehr auf einen Ausgang ās. Man
müsse deshalb die Form auf au im Fern, im Arkadischen
als einen jungen Eindringling ansehen. Diese Endung ver-
danke ihre Existenz lediglich einer Uebertragung aus dem
Masculinum. Dass Leskien Recht hatte, zeigt jetzt das Cy-
prische, der Zwillingsdialekt des Arkadischen, welches den
von Leskien für das Arkadische vorausgesetzten Zustand
noch zeigt, nämlich αυ für das Masculinum, ας für das Fe-
mininum (vgl. Baunack in Curtius' Studien 10, 133). Der
Fortschritt, welcher durch diese und ähnliche Erklärungen
bezeichnet wird, beruht besonders darin, dass die Auffassung
historischer geworden ist, und für diesen Fortschritt sind
wir wohl vor Allem den Forschern auf romanischem, ger-
manischem, slavischem Gebiet zu Dank verpflichtet. Auf
der anderen Seite ist zuzugeben, dass viele Erklärungen
durch Analogie aufgestellt sind, welche unwahrscheinlich
sind, und dass wir uns auf einem höchst gefährlichen Bo-
den bewegen, wenn wir die Kühnheit so weit treiben, As-
sociationsbildungen errathen zu wollen, die in der Ursprache
eingetreten sein könnten. Curtius stellt in diesem Capitel
eine Reihe von interessanten Fällen zusammen, in welchen
seiner Meinung nach das genannte Erklärungsmittel falsch
angewendet worden ist. Ob das geschehen ist, oder nicht,
ist eine Frage ohne hervorragende principielle Bedeutung.
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[22/0027] einerseits zu αος ας geworden, und andererseits zu αος αυς αυ. Gegen diese Annahme hat Leskien Decl. p. 40 einge- wendet, dass es völlig unglaublich erscheinen müsse, dass in einem und demselben Dialekte der Ausgang ajos bald sein s behalten, bald es verloren habe, bald sein ao zu a contrahirt, bald es erhalten habe. Weiter machte er darauf aufmerksam, dass -ajos nur aufgestellt sei, um diese beiden Formen unter einen Hut zu bringen. Die europäischen Sprachen weisen vielmehr auf einen Ausgang ās. Man müsse deshalb die Form auf au im Fern, im Arkadischen als einen jungen Eindringling ansehen. Diese Endung ver- danke ihre Existenz lediglich einer Uebertragung aus dem Masculinum. Dass Leskien Recht hatte, zeigt jetzt das Cy- prische, der Zwillingsdialekt des Arkadischen, welches den von Leskien für das Arkadische vorausgesetzten Zustand noch zeigt, nämlich αυ für das Masculinum, ας für das Fe- mininum (vgl. Baunack in Curtius' Studien 10, 133). Der Fortschritt, welcher durch diese und ähnliche Erklärungen bezeichnet wird, beruht besonders darin, dass die Auffassung historischer geworden ist, und für diesen Fortschritt sind wir wohl vor Allem den Forschern auf romanischem, ger- manischem, slavischem Gebiet zu Dank verpflichtet. Auf der anderen Seite ist zuzugeben, dass viele Erklärungen durch Analogie aufgestellt sind, welche unwahrscheinlich sind, und dass wir uns auf einem höchst gefährlichen Bo- den bewegen, wenn wir die Kühnheit so weit treiben, As- sociationsbildungen errathen zu wollen, die in der Ursprache eingetreten sein könnten. Curtius stellt in diesem Capitel eine Reihe von interessanten Fällen zusammen, in welchen seiner Meinung nach das genannte Erklärungsmittel falsch angewendet worden ist. Ob das geschehen ist, oder nicht, ist eine Frage ohne hervorragende principielle Bedeutung. Indem ich es daher den betheiligten Gelehrten überlasse,

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Zitationshilfe: Delbrück, Berthold: Die neueste Sprachforschung. Betrachtungen über Georg Curtius Schrift zur Kritik der neuesten Sprachforschung. Leipzig, 1885, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/delbrueck_sprachforschung_1885/27>, abgerufen am 29.03.2024.