Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dehio, Georg: Kunsthistorische Aufsätze. München u. a., 1914.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Bauprojekte Nikolaus V. und L. B. Alberti
nicht, die Unsrigen, welche innerhalb der Stadtmauern den Toten
eine heilige Stätte bereitet haben, deshalb zu tadeln; nur dürfen
niemals Leichen im Innern der Kirchen eingesenkt werden, auf
daß nicht Verwesungshauch die heilige Reinheit des Ortes be-
flecke. Wieviel angemessener handelten doch jene, die ihre Toten
verbrannten! Plato hielt dafür, daß der Mensch weder lebend
noch tot seinen Mitmenschen beschwerlich fallen solle, weshalb
er die Begräbnisplätze nur draußen vor der Stadt und auch dort
nur auf völlig unfruchtbarem Felde dulden wollte. Seiner Weisung
wird gerecht, wer für die Gräber einen umfriedeten Ort unter
freiem Himmel auswählt, entfernt von jeglichem Verkehr. Diese
Weise lobe ich aufs entschiedenste.



Damit sei die vergleichende Untersuchung abgeschlossen. Sie
hat zur Evidenz erwiesen, daß das Projekt Nikolaus' V. nicht
anders als unter starkem und unmittelbarem, den Geist des Ganzen
wie die Formation des Einzelnen Stück um Stück beherrschenden
Einfluß der Albertischen Theorien entstanden sein kann. Un-
entschieden bleibt aber noch dieses: ob Alberti selbst die Pläne
in der Gestalt, wie sie zur Ausführung bestimmt waren, entworfen
und detailliert hat, -- oder ob wir die konstatierte Mitwirkung
möglicherweise nur so zu denken haben, daß es einem andern
überlassen wurde, seine Lehren ins Praktische zu übersetzen.
Diese Frage -- die übrigens ein vergleichsweise nur untergeordnetes
Interesse hat, da das Projekt nach dem nicht lange darauf er-
folgten Tode des Papstes (+ 24. März 1455), als kaum der kleinste
Teil davon in Angriff genommen war, ad acta gelegt wurde --
kann auf dem bisher beschrittenen Wege der Untersuchung nicht
weiter gefördert werden. Wir werden noch einmal die Historiker,
soviel ihrer neben Manetti noch in Betracht kommen, um Rat
angehen müssen, nun im willkommenen Besitze eines von ihnen
unabhängigen Urteilsmaßstabes.

Wie billig, haben die zeitgenössischen den Vortritt. Pla-
tina, Vespasiano da Bisticci, Pietro

Die Bauprojekte Nikolaus V. und L. B. Alberti
nicht, die Unsrigen, welche innerhalb der Stadtmauern den Toten
eine heilige Stätte bereitet haben, deshalb zu tadeln; nur dürfen
niemals Leichen im Innern der Kirchen eingesenkt werden, auf
daß nicht Verwesungshauch die heilige Reinheit des Ortes be-
flecke. Wieviel angemessener handelten doch jene, die ihre Toten
verbrannten! Plato hielt dafür, daß der Mensch weder lebend
noch tot seinen Mitmenschen beschwerlich fallen solle, weshalb
er die Begräbnisplätze nur draußen vor der Stadt und auch dort
nur auf völlig unfruchtbarem Felde dulden wollte. Seiner Weisung
wird gerecht, wer für die Gräber einen umfriedeten Ort unter
freiem Himmel auswählt, entfernt von jeglichem Verkehr. Diese
Weise lobe ich aufs entschiedenste.



Damit sei die vergleichende Untersuchung abgeschlossen. Sie
hat zur Evidenz erwiesen, daß das Projekt Nikolaus' V. nicht
anders als unter starkem und unmittelbarem, den Geist des Ganzen
wie die Formation des Einzelnen Stück um Stück beherrschenden
Einfluß der Albertischen Theorien entstanden sein kann. Un-
entschieden bleibt aber noch dieses: ob Alberti selbst die Pläne
in der Gestalt, wie sie zur Ausführung bestimmt waren, entworfen
und detailliert hat, — oder ob wir die konstatierte Mitwirkung
möglicherweise nur so zu denken haben, daß es einem andern
überlassen wurde, seine Lehren ins Praktische zu übersetzen.
Diese Frage — die übrigens ein vergleichsweise nur untergeordnetes
Interesse hat, da das Projekt nach dem nicht lange darauf er-
folgten Tode des Papstes († 24. März 1455), als kaum der kleinste
Teil davon in Angriff genommen war, ad acta gelegt wurde —
kann auf dem bisher beschrittenen Wege der Untersuchung nicht
weiter gefördert werden. Wir werden noch einmal die Historiker,
soviel ihrer neben Manetti noch in Betracht kommen, um Rat
angehen müssen, nun im willkommenen Besitze eines von ihnen
unabhängigen Urteilsmaßstabes.

Wie billig, haben die zeitgenössischen den Vortritt. Pla-
tina, Vespasiano da Bisticci, Pietro

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0218" n="176"/><fw place="top" type="header">Die Bauprojekte Nikolaus V. und L. B. Alberti</fw><lb/>
nicht, die Unsrigen, welche innerhalb der Stadtmauern den Toten<lb/>
eine heilige Stätte bereitet haben, deshalb zu tadeln; nur dürfen<lb/>
niemals Leichen im Innern der Kirchen eingesenkt werden, auf<lb/>
daß nicht Verwesungshauch die heilige Reinheit des Ortes be-<lb/>
flecke. Wieviel angemessener handelten doch jene, die ihre Toten<lb/>
verbrannten! Plato hielt dafür, daß der Mensch weder lebend<lb/>
noch tot seinen Mitmenschen beschwerlich fallen solle, weshalb<lb/>
er die Begräbnisplätze nur draußen vor der Stadt und auch dort<lb/>
nur auf völlig unfruchtbarem Felde dulden wollte. Seiner Weisung<lb/>
wird gerecht, wer für die Gräber einen umfriedeten Ort unter<lb/>
freiem Himmel auswählt, entfernt von jeglichem Verkehr. Diese<lb/>
Weise lobe ich aufs entschiedenste.</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <p>Damit sei die vergleichende Untersuchung abgeschlossen. Sie<lb/>
hat zur Evidenz erwiesen, daß das Projekt Nikolaus' V. nicht<lb/>
anders als unter starkem und unmittelbarem, den Geist des Ganzen<lb/>
wie die Formation des Einzelnen Stück um Stück beherrschenden<lb/>
Einfluß der Albertischen Theorien entstanden sein kann. Un-<lb/>
entschieden bleibt aber noch dieses: ob Alberti selbst die Pläne<lb/>
in der Gestalt, wie sie zur Ausführung bestimmt waren, entworfen<lb/>
und detailliert hat, &#x2014; oder ob wir die konstatierte Mitwirkung<lb/>
möglicherweise nur so zu denken haben, daß es einem andern<lb/>
überlassen wurde, seine Lehren ins Praktische zu übersetzen.<lb/>
Diese Frage &#x2014; die übrigens ein vergleichsweise nur untergeordnetes<lb/>
Interesse hat, da das Projekt nach dem nicht lange darauf er-<lb/>
folgten Tode des Papstes (&#x2020; 24. März 1455), als kaum der kleinste<lb/>
Teil davon in Angriff genommen war, ad acta gelegt wurde &#x2014;<lb/>
kann auf dem bisher beschrittenen Wege der Untersuchung nicht<lb/>
weiter gefördert werden. Wir werden noch einmal die Historiker,<lb/>
soviel ihrer neben Manetti noch in Betracht kommen, um Rat<lb/>
angehen müssen, nun im willkommenen Besitze eines von ihnen<lb/>
unabhängigen Urteilsmaßstabes.</p><lb/>
        <p>Wie billig, haben die zeitgenössischen den Vortritt. <hi rendition="#g">Pla-<lb/>
tina, Vespasiano da Bisticci, Pietro<lb/></hi></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[176/0218] Die Bauprojekte Nikolaus V. und L. B. Alberti nicht, die Unsrigen, welche innerhalb der Stadtmauern den Toten eine heilige Stätte bereitet haben, deshalb zu tadeln; nur dürfen niemals Leichen im Innern der Kirchen eingesenkt werden, auf daß nicht Verwesungshauch die heilige Reinheit des Ortes be- flecke. Wieviel angemessener handelten doch jene, die ihre Toten verbrannten! Plato hielt dafür, daß der Mensch weder lebend noch tot seinen Mitmenschen beschwerlich fallen solle, weshalb er die Begräbnisplätze nur draußen vor der Stadt und auch dort nur auf völlig unfruchtbarem Felde dulden wollte. Seiner Weisung wird gerecht, wer für die Gräber einen umfriedeten Ort unter freiem Himmel auswählt, entfernt von jeglichem Verkehr. Diese Weise lobe ich aufs entschiedenste. Damit sei die vergleichende Untersuchung abgeschlossen. Sie hat zur Evidenz erwiesen, daß das Projekt Nikolaus' V. nicht anders als unter starkem und unmittelbarem, den Geist des Ganzen wie die Formation des Einzelnen Stück um Stück beherrschenden Einfluß der Albertischen Theorien entstanden sein kann. Un- entschieden bleibt aber noch dieses: ob Alberti selbst die Pläne in der Gestalt, wie sie zur Ausführung bestimmt waren, entworfen und detailliert hat, — oder ob wir die konstatierte Mitwirkung möglicherweise nur so zu denken haben, daß es einem andern überlassen wurde, seine Lehren ins Praktische zu übersetzen. Diese Frage — die übrigens ein vergleichsweise nur untergeordnetes Interesse hat, da das Projekt nach dem nicht lange darauf er- folgten Tode des Papstes († 24. März 1455), als kaum der kleinste Teil davon in Angriff genommen war, ad acta gelegt wurde — kann auf dem bisher beschrittenen Wege der Untersuchung nicht weiter gefördert werden. Wir werden noch einmal die Historiker, soviel ihrer neben Manetti noch in Betracht kommen, um Rat angehen müssen, nun im willkommenen Besitze eines von ihnen unabhängigen Urteilsmaßstabes. Wie billig, haben die zeitgenössischen den Vortritt. Pla- tina, Vespasiano da Bisticci, Pietro

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Schulz, Dienstleister (Muttersprachler): Bereitstellung der Texttranskription nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-02-21T10:17:23Z)
University of Toronto, Robarts Library of Humanities & Social Sciences: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-02-21T10:17:23Z)
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Akademiebibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate für die Seiten 122 und 123 (2012-02-21T10:17:23Z)

Weitere Informationen:

  • Nach den Richtlinien des Deutschen Textarchivs (DTA) transkribiert und ausgezeichnet.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dehio_aufsaetze_1914
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dehio_aufsaetze_1914/218
Zitationshilfe: Dehio, Georg: Kunsthistorische Aufsätze. München u. a., 1914, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dehio_aufsaetze_1914/218>, abgerufen am 22.11.2024.