Dehio, Georg: Kunsthistorische Aufsätze. München u. a., 1914.Die Bauprojekte Nikolaus V. und L. B. Alberti Die Bevorzugung erhöhter Lage ist schon erwähnt. Dann: wohindu auch den Tempel setzest, er soll eine glänzende, edle, und daß ich so sage, stolze Erscheinung geben und jeder profanen Berührung entrückt sein. Er wird deshalb vor seiner Fronte einen weiten und würdevollen Platz haben müssen, zu welchem wieder breite Straßen führen, damit man ihn von jedem Standpunkt klar über- schauen könne (VII, c. 3). Der Eingang soll durch einen vor der Fassade hinlaufenden Portikus ausgezeichnet werden. Freilich entstände dabei das mißliche Dilemma, daß zu weite Säulen- stellung die Tragkraft des Gebälkes übersteige, zu enge die Be- wegung, die Aussicht und den Zutritt des Lichtes behindere. Deshalb schlägt der Autor ein Drittes vor, nämlich die Mitte als einen besonderen und größeren Intervall auszubilden (VII, c. 5). Das Projekt zum St. Peter hat alle diese Wünsche, wie man sieht, vollständiger erfüllt, als es in Albertis ausgeführten und seinem Namen gesicherten Kirchenbauten je geschehen ist. Die im Sinne der Renaissance unstreitig idealste Kompo- Die Bauprojekte Nikolaus V. und L. B. Alberti Die Bevorzugung erhöhter Lage ist schon erwähnt. Dann: wohindu auch den Tempel setzest, er soll eine glänzende, edle, und daß ich so sage, stolze Erscheinung geben und jeder profanen Berührung entrückt sein. Er wird deshalb vor seiner Fronte einen weiten und würdevollen Platz haben müssen, zu welchem wieder breite Straßen führen, damit man ihn von jedem Standpunkt klar über- schauen könne (VII, c. 3). Der Eingang soll durch einen vor der Fassade hinlaufenden Portikus ausgezeichnet werden. Freilich entstände dabei das mißliche Dilemma, daß zu weite Säulen- stellung die Tragkraft des Gebälkes übersteige, zu enge die Be- wegung, die Aussicht und den Zutritt des Lichtes behindere. Deshalb schlägt der Autor ein Drittes vor, nämlich die Mitte als einen besonderen und größeren Intervall auszubilden (VII, c. 5). Das Projekt zum St. Peter hat alle diese Wünsche, wie man sieht, vollständiger erfüllt, als es in Albertis ausgeführten und seinem Namen gesicherten Kirchenbauten je geschehen ist. Die im Sinne der Renaissance unstreitig idealste Kompo- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0216" n="174"/><fw place="top" type="header">Die Bauprojekte Nikolaus V. und L. B. Alberti</fw><lb/> Die Bevorzugung erhöhter Lage ist schon erwähnt. Dann: wohin<lb/> du auch den Tempel setzest, er soll eine glänzende, edle, und daß<lb/> ich so sage, stolze Erscheinung geben und jeder profanen Berührung<lb/> entrückt sein. Er wird deshalb vor seiner Fronte einen weiten<lb/> und würdevollen Platz haben müssen, zu welchem wieder breite<lb/> Straßen führen, damit man ihn von jedem Standpunkt klar über-<lb/> schauen könne (VII, c. 3). Der Eingang soll durch einen vor der<lb/> Fassade hinlaufenden Portikus ausgezeichnet werden. Freilich<lb/> entstände dabei das mißliche Dilemma, daß zu weite Säulen-<lb/> stellung die Tragkraft des Gebälkes übersteige, zu enge die Be-<lb/> wegung, die Aussicht und den Zutritt des Lichtes behindere.<lb/> Deshalb schlägt der Autor ein Drittes vor, nämlich die Mitte<lb/> als einen besonderen und größeren Intervall auszubilden (VII, c. 5).<lb/> Das Projekt zum St. Peter hat alle diese Wünsche, wie man sieht,<lb/> vollständiger erfüllt, als es in Albertis ausgeführten und seinem<lb/> Namen gesicherten Kirchenbauten je geschehen ist.</p><lb/> <p>Die im Sinne der Renaissance unstreitig idealste Kompo-<lb/> sitionsform ist der Zentralbau, aber sie ist erst mit dem Eintritt<lb/> des 16. Jahrhunderts zur Reife gelangt. Die Frührenaissance be-<lb/> schäftigte sich vielmehr mit der Neubelebung des Longitudinal-<lb/> baues (siehe Brunellescos S. Lorenzo und S. Spirito, Albertis<lb/> S. Francesco und S. Andrea). So sollte denn auch der neue St. Peter<lb/> eine Basilika mit fünf Schiffen werden. Und man muß bekennen:<lb/> ein Zentralbau wäre in dem gegebenen Zusammenhange eine<lb/> Inkonsequenz gewesen, da der Plan des Ganzen, dessen Abschluß<lb/> und Krone der Dom zu bilden bestimmt war, auch für diesen<lb/> das Vorwalten der Längenrichtung verlangte. Manetti (S. 335, 36)<lb/> gibt nun folgende Maße an: für die Schiffe bis zur Vierung 160 Ellen,<lb/> für die Vierung 40 Ellen, für den Chorraum 40 Ellen Breite und<lb/> 75 Ellen Länge. Von letzterer Ziffer entfallen, wie man annehmen<lb/> muß, 35 Ellen auf die Apsis, nach deren Abzug die Gesamtlänge<lb/> des Langhauses sich auf 240 Ellen summiert; ihr stellt sich die<lb/> Breite mit 120 Ellen gegenüber. Diese Zahlen sind für unsere<lb/> Untersuchung von besonderem Wert. Denn es erweist sich die in<lb/> ihnen enthaltene Proportion wiederum als die präzise Ausführung<lb/> einer von Alberti hingestellten Regel: nämlich daß in einer als<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [174/0216]
Die Bauprojekte Nikolaus V. und L. B. Alberti
Die Bevorzugung erhöhter Lage ist schon erwähnt. Dann: wohin
du auch den Tempel setzest, er soll eine glänzende, edle, und daß
ich so sage, stolze Erscheinung geben und jeder profanen Berührung
entrückt sein. Er wird deshalb vor seiner Fronte einen weiten
und würdevollen Platz haben müssen, zu welchem wieder breite
Straßen führen, damit man ihn von jedem Standpunkt klar über-
schauen könne (VII, c. 3). Der Eingang soll durch einen vor der
Fassade hinlaufenden Portikus ausgezeichnet werden. Freilich
entstände dabei das mißliche Dilemma, daß zu weite Säulen-
stellung die Tragkraft des Gebälkes übersteige, zu enge die Be-
wegung, die Aussicht und den Zutritt des Lichtes behindere.
Deshalb schlägt der Autor ein Drittes vor, nämlich die Mitte
als einen besonderen und größeren Intervall auszubilden (VII, c. 5).
Das Projekt zum St. Peter hat alle diese Wünsche, wie man sieht,
vollständiger erfüllt, als es in Albertis ausgeführten und seinem
Namen gesicherten Kirchenbauten je geschehen ist.
Die im Sinne der Renaissance unstreitig idealste Kompo-
sitionsform ist der Zentralbau, aber sie ist erst mit dem Eintritt
des 16. Jahrhunderts zur Reife gelangt. Die Frührenaissance be-
schäftigte sich vielmehr mit der Neubelebung des Longitudinal-
baues (siehe Brunellescos S. Lorenzo und S. Spirito, Albertis
S. Francesco und S. Andrea). So sollte denn auch der neue St. Peter
eine Basilika mit fünf Schiffen werden. Und man muß bekennen:
ein Zentralbau wäre in dem gegebenen Zusammenhange eine
Inkonsequenz gewesen, da der Plan des Ganzen, dessen Abschluß
und Krone der Dom zu bilden bestimmt war, auch für diesen
das Vorwalten der Längenrichtung verlangte. Manetti (S. 335, 36)
gibt nun folgende Maße an: für die Schiffe bis zur Vierung 160 Ellen,
für die Vierung 40 Ellen, für den Chorraum 40 Ellen Breite und
75 Ellen Länge. Von letzterer Ziffer entfallen, wie man annehmen
muß, 35 Ellen auf die Apsis, nach deren Abzug die Gesamtlänge
des Langhauses sich auf 240 Ellen summiert; ihr stellt sich die
Breite mit 120 Ellen gegenüber. Diese Zahlen sind für unsere
Untersuchung von besonderem Wert. Denn es erweist sich die in
ihnen enthaltene Proportion wiederum als die präzise Ausführung
einer von Alberti hingestellten Regel: nämlich daß in einer als
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