Dehio, Georg: Kunsthistorische Aufsätze. München u. a., 1914.Die Bauprojekte Nikolaus V. und L. B. Alberti daß Albertis Programm durch die Situation der Leonina in wünsch-barster Vollständigkeit verwirklicht wird; ja, man könnte glauben, er habe sein Idealbild einer Bischofstadt erst von den lokalen Ver- hältnissen Roms hergenommen: der St. Peter und der Palast auf ansteigendem Hügel, gegen den Fluß die Wohnungen der Kurialen, das Ganze durch Tiber und Janiculus von der eigentlichen Stadt völlig abgeschieden. Eine Priesterresidenz, fährt Alberti fort (V, c. 7), soll denen Die Figuration der von Nikolaus geplanten Anlage ist nicht Die Bauprojekte Nikolaus V. und L. B. Alberti daß Albertis Programm durch die Situation der Leonina in wünsch-barster Vollständigkeit verwirklicht wird; ja, man könnte glauben, er habe sein Idealbild einer Bischofstadt erst von den lokalen Ver- hältnissen Roms hergenommen: der St. Peter und der Palast auf ansteigendem Hügel, gegen den Fluß die Wohnungen der Kurialen, das Ganze durch Tiber und Janiculus von der eigentlichen Stadt völlig abgeschieden. Eine Priesterresidenz, fährt Alberti fort (V, c. 7), soll denen Die Figuration der von Nikolaus geplanten Anlage ist nicht <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0214" n="172"/><lb/> <fw place="top" type="header">Die Bauprojekte Nikolaus V. und L. B. Alberti</fw><lb/> daß Albertis Programm durch die Situation der Leonina in wünsch-<lb/> barster Vollständigkeit verwirklicht wird; ja, man könnte glauben,<lb/> er habe sein Idealbild einer Bischofstadt erst von den lokalen Ver-<lb/> hältnissen Roms hergenommen: der St. Peter und der Palast auf<lb/> ansteigendem Hügel, gegen den Fluß die Wohnungen der Kurialen,<lb/> das Ganze durch Tiber und Janiculus von der eigentlichen Stadt<lb/> völlig abgeschieden.</p><lb/> <p>Eine Priesterresidenz, fährt Alberti fort (V, c. 7), soll denen<lb/> zur Wohnung dienen, die sich dem Dienste des Höchsten weihen,<lb/> oder als Religiose Keuschheit geloben; ebensosehr aber auch denen,<lb/> die ihren Geist in der Erkenntnis menschlicher und göttlicher<lb/> Dinge üben. Denn wenn es das Amt des obersten Pontifex ist, die<lb/> Menschen zu einem allseitig vollkommenen Leben hinzuleiten:<lb/> auf welche schönere Weise könnte das geschehen als durch die<lb/><hi rendition="#g">Philosophie</hi>? Dieweil der menschlichen Natur zweierlei ge-<lb/> geben ist, dadurch jenes erreicht werden kann: die Wahrheit und<lb/> die Tugend. Diese beschwichtigt und läutert die Unruhe der Seele,<lb/> jene offenbart die Gesetze und Geheimnisse der Natur, wodurch der<lb/> Geist von der Unwissenheit, die Seele von der Befleckung durch<lb/> den Körper befreit wird. — Gewiß, nichts hätte Nikolaus, den<lb/> überzeugungsfesten Humanisten auf dem Papstthron, in seiner<lb/> Baulust geeigneter bestärken können als diese ihm wie aus der<lb/> Seele gesprochene Betrachtung: Nikolaus, der die Kurie in eine<lb/> Sozietät von Poeten und Philologen verwandelte, der, ehemals<lb/> Kustos der Markusbibliothek in Florenz, jetzt in der vatikanischen<lb/> Bibliothek seine Lieblingsschöpfung sah und für sie einen eigenen<lb/> Prachtbau zu errichten gedachte. So zählt auch Leon Battista,<lb/> unter Anführung vieler Beispiele aus dem Altertum, die Biblio-<lb/> theken zu den vornehmsten Schmuckstücken einer Stadt (VIII, c. 9).</p><lb/> <p>Die Figuration der von Nikolaus geplanten Anlage ist nicht<lb/> konzentrisch geordnet, sondern wird durch die von der Engels-<lb/> brücke zum St. Peter gezogene Gerade als Längenachse bestimmt:<lb/> das Grab des Apostels ist räumlich der Endpunkt, ideell der<lb/> Mittelpunkt des Ganzen: denn wesentlich als Vorbereitung auf<lb/> dieses Ziel sind die längs der Achse sich entwickelnden Räume<lb/> gedacht. Den Anfang bildet ein freizulegender Platz bei Ponte<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [172/0214]
Die Bauprojekte Nikolaus V. und L. B. Alberti
daß Albertis Programm durch die Situation der Leonina in wünsch-
barster Vollständigkeit verwirklicht wird; ja, man könnte glauben,
er habe sein Idealbild einer Bischofstadt erst von den lokalen Ver-
hältnissen Roms hergenommen: der St. Peter und der Palast auf
ansteigendem Hügel, gegen den Fluß die Wohnungen der Kurialen,
das Ganze durch Tiber und Janiculus von der eigentlichen Stadt
völlig abgeschieden.
Eine Priesterresidenz, fährt Alberti fort (V, c. 7), soll denen
zur Wohnung dienen, die sich dem Dienste des Höchsten weihen,
oder als Religiose Keuschheit geloben; ebensosehr aber auch denen,
die ihren Geist in der Erkenntnis menschlicher und göttlicher
Dinge üben. Denn wenn es das Amt des obersten Pontifex ist, die
Menschen zu einem allseitig vollkommenen Leben hinzuleiten:
auf welche schönere Weise könnte das geschehen als durch die
Philosophie? Dieweil der menschlichen Natur zweierlei ge-
geben ist, dadurch jenes erreicht werden kann: die Wahrheit und
die Tugend. Diese beschwichtigt und läutert die Unruhe der Seele,
jene offenbart die Gesetze und Geheimnisse der Natur, wodurch der
Geist von der Unwissenheit, die Seele von der Befleckung durch
den Körper befreit wird. — Gewiß, nichts hätte Nikolaus, den
überzeugungsfesten Humanisten auf dem Papstthron, in seiner
Baulust geeigneter bestärken können als diese ihm wie aus der
Seele gesprochene Betrachtung: Nikolaus, der die Kurie in eine
Sozietät von Poeten und Philologen verwandelte, der, ehemals
Kustos der Markusbibliothek in Florenz, jetzt in der vatikanischen
Bibliothek seine Lieblingsschöpfung sah und für sie einen eigenen
Prachtbau zu errichten gedachte. So zählt auch Leon Battista,
unter Anführung vieler Beispiele aus dem Altertum, die Biblio-
theken zu den vornehmsten Schmuckstücken einer Stadt (VIII, c. 9).
Die Figuration der von Nikolaus geplanten Anlage ist nicht
konzentrisch geordnet, sondern wird durch die von der Engels-
brücke zum St. Peter gezogene Gerade als Längenachse bestimmt:
das Grab des Apostels ist räumlich der Endpunkt, ideell der
Mittelpunkt des Ganzen: denn wesentlich als Vorbereitung auf
dieses Ziel sind die längs der Achse sich entwickelnden Räume
gedacht. Den Anfang bildet ein freizulegender Platz bei Ponte
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