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Dehio, Georg: Kunsthistorische Aufsätze. München u. a., 1914.

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Die Bauprojekte Nikolaus V. und L. B. Alberti
den geplanten Anstalten versprach.1) -- Von einem wohlein-
gerichteten Hause fordert Alberti, daß es zwei Säle besitze, den
einen für den Sommer, den andern für den Winter (V, c. 3). Dieser
Gesichtspunkt beherrscht nun ganz und gar die Einteilung des
päpstlichen Palastes: das Erdgeschoß mit weitläufigen Hallen,
Wandelbahnen, Portiken, die einen herrlichen, von kühlen Wassern
durchrieselten Garten einschließen, ist zum Sommeraufenthalt
bestimmt; das zweite Stockwerk ist mit allen Bequemlichkeiten
ausgestattet, die den Winter erträglich machen; das luftige Ober-
geschoß soll im Frühling und Herbst bewohnt werden (S. 934).

Die Behausung eines jeden, sagt Alberti im fünften Buche,
solle seiner besonderen Lebensweise entsprechen. Er zieht eine für
sein Jahrhundert höchst bezeichnende Unterscheidung zwischen
Königsschloß und Tyrannenburg ("principe nuovo" sagt der ita-
lienische Text) und entwickelt dann die allgemeinen Eigenschaften
einer fürstlichen Residenz. Sie soll abseits von den Mittelpunkten
des Verkehrs, dem Lärm der Werkstätten, dem Getümmel des
gemeinen Volkes ihren Platz suchen, am besten ganz außerhalb
der Stadt, damit kein Untertan den Fürsten belästige, außer in
wirklich wichtigen Angelegenheiten; wozu noch der spezielle
Vorzug komme, daß die Anlage weiter Gärten gestattet ist. Wenn
aber der Fürst zugleich Priester ist? Dann soll sein Wohnsitz
in Einem einen Tempel und ein befestigtes Lager darstellen, weil
der Pontifex samt seinen Amtsgehilfen in einem beständigen
Kriege lebt: der Tugenden wider die Laster. Der Haupttempel, an
welchem der oberste Priester selbst den Kultus versieht, läge wohl
bequemer im Mittelpunkte der Stadt; aber seine Würde heischt
Entfernung vom Volksgedränge. Eben deshalb ist, obschon die
Niederung größere Sicherheit vor Erdbeben gibt, die Lage auf
einem Hügel, wo alle Verunreinigung ferngehalten und der Ein-
druck der Ehrwürdigkeit und Majestät am vollkommensten er-
reicht wird, die schicklichere (V, c. 6). -- Es fällt in die Augen,

1) Manetti 931 -- 32: Ac per hunc modum quocumque tempore sub
porticibus incedentes homines et voluptate pulcherrimi aspectus capieban-
tur et omni quoque, immoderata et hyemali et aestiva tempestate, partim
ab jugibus pluviis, partim ab intemperie algoris et aestus se tutabantur.

Die Bauprojekte Nikolaus V. und L. B. Alberti
den geplanten Anstalten versprach.1) — Von einem wohlein-
gerichteten Hause fordert Alberti, daß es zwei Säle besitze, den
einen für den Sommer, den andern für den Winter (V, c. 3). Dieser
Gesichtspunkt beherrscht nun ganz und gar die Einteilung des
päpstlichen Palastes: das Erdgeschoß mit weitläufigen Hallen,
Wandelbahnen, Portiken, die einen herrlichen, von kühlen Wassern
durchrieselten Garten einschließen, ist zum Sommeraufenthalt
bestimmt; das zweite Stockwerk ist mit allen Bequemlichkeiten
ausgestattet, die den Winter erträglich machen; das luftige Ober-
geschoß soll im Frühling und Herbst bewohnt werden (S. 934).

Die Behausung eines jeden, sagt Alberti im fünften Buche,
solle seiner besonderen Lebensweise entsprechen. Er zieht eine für
sein Jahrhundert höchst bezeichnende Unterscheidung zwischen
Königsschloß und Tyrannenburg (»principe nuovo« sagt der ita-
lienische Text) und entwickelt dann die allgemeinen Eigenschaften
einer fürstlichen Residenz. Sie soll abseits von den Mittelpunkten
des Verkehrs, dem Lärm der Werkstätten, dem Getümmel des
gemeinen Volkes ihren Platz suchen, am besten ganz außerhalb
der Stadt, damit kein Untertan den Fürsten belästige, außer in
wirklich wichtigen Angelegenheiten; wozu noch der spezielle
Vorzug komme, daß die Anlage weiter Gärten gestattet ist. Wenn
aber der Fürst zugleich Priester ist? Dann soll sein Wohnsitz
in Einem einen Tempel und ein befestigtes Lager darstellen, weil
der Pontifex samt seinen Amtsgehilfen in einem beständigen
Kriege lebt: der Tugenden wider die Laster. Der Haupttempel, an
welchem der oberste Priester selbst den Kultus versieht, läge wohl
bequemer im Mittelpunkte der Stadt; aber seine Würde heischt
Entfernung vom Volksgedränge. Eben deshalb ist, obschon die
Niederung größere Sicherheit vor Erdbeben gibt, die Lage auf
einem Hügel, wo alle Verunreinigung ferngehalten und der Ein-
druck der Ehrwürdigkeit und Majestät am vollkommensten er-
reicht wird, die schicklichere (V, c. 6). — Es fällt in die Augen,

1) Manetti 931 — 32: Ac per hunc modum quocumque tempore sub
porticibus incedentes homines et voluptate pulcherrimi aspectus capieban-
tur et omni quoque, immoderata et hyemali et aestiva tempestate, partim
ab jugibus pluviis, partim ab intemperie algoris et aestus se tutabantur.
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[171/0213] Die Bauprojekte Nikolaus V. und L. B. Alberti den geplanten Anstalten versprach. 1) — Von einem wohlein- gerichteten Hause fordert Alberti, daß es zwei Säle besitze, den einen für den Sommer, den andern für den Winter (V, c. 3). Dieser Gesichtspunkt beherrscht nun ganz und gar die Einteilung des päpstlichen Palastes: das Erdgeschoß mit weitläufigen Hallen, Wandelbahnen, Portiken, die einen herrlichen, von kühlen Wassern durchrieselten Garten einschließen, ist zum Sommeraufenthalt bestimmt; das zweite Stockwerk ist mit allen Bequemlichkeiten ausgestattet, die den Winter erträglich machen; das luftige Ober- geschoß soll im Frühling und Herbst bewohnt werden (S. 934). Die Behausung eines jeden, sagt Alberti im fünften Buche, solle seiner besonderen Lebensweise entsprechen. Er zieht eine für sein Jahrhundert höchst bezeichnende Unterscheidung zwischen Königsschloß und Tyrannenburg (»principe nuovo« sagt der ita- lienische Text) und entwickelt dann die allgemeinen Eigenschaften einer fürstlichen Residenz. Sie soll abseits von den Mittelpunkten des Verkehrs, dem Lärm der Werkstätten, dem Getümmel des gemeinen Volkes ihren Platz suchen, am besten ganz außerhalb der Stadt, damit kein Untertan den Fürsten belästige, außer in wirklich wichtigen Angelegenheiten; wozu noch der spezielle Vorzug komme, daß die Anlage weiter Gärten gestattet ist. Wenn aber der Fürst zugleich Priester ist? Dann soll sein Wohnsitz in Einem einen Tempel und ein befestigtes Lager darstellen, weil der Pontifex samt seinen Amtsgehilfen in einem beständigen Kriege lebt: der Tugenden wider die Laster. Der Haupttempel, an welchem der oberste Priester selbst den Kultus versieht, läge wohl bequemer im Mittelpunkte der Stadt; aber seine Würde heischt Entfernung vom Volksgedränge. Eben deshalb ist, obschon die Niederung größere Sicherheit vor Erdbeben gibt, die Lage auf einem Hügel, wo alle Verunreinigung ferngehalten und der Ein- druck der Ehrwürdigkeit und Majestät am vollkommensten er- reicht wird, die schicklichere (V, c. 6). — Es fällt in die Augen, 1) Manetti 931 — 32: Ac per hunc modum quocumque tempore sub porticibus incedentes homines et voluptate pulcherrimi aspectus capieban- tur et omni quoque, immoderata et hyemali et aestiva tempestate, partim ab jugibus pluviis, partim ab intemperie algoris et aestus se tutabantur.

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Zitationshilfe: Dehio, Georg: Kunsthistorische Aufsätze. München u. a., 1914, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dehio_aufsaetze_1914/213>, abgerufen am 04.05.2024.