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Dehio, Georg: Kunsthistorische Aufsätze. München u. a., 1914.

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Die Bauprojekte Nikolaus V. und L. B. Alberti
der übrigen heraus, als etwas Besonderes, aus einem anderen Geist
und einer neuen Zeit Geborenes, als echte Renaissancegedanken,
während jene auf der hergebrachten Linie mittelaltrig-päpst-
licher Bautätigkeit beharren. Mit Nikolaus V. beginnt über-
haupt eine neue Ära in der Geschichte des Papsttums. Es ist
überaus merkwürdig, zu sehen, mit welcher Unbefangenheit --
man weiß nicht, geschieht es mehr aus Blindheit oder aus wahrer
furchtloser Erkenntnisgröße? -- das Papsttum seit dieser Zeit
den Geist der Renaissance in Gestalt des Humanismus zu seinem
vertrauten Hausgenossen macht, da doch dieser gegen alle mora-
lischen Wurzeln der Papstmacht die Axt erhebt. Nichts bezeichnet
den vollzogenen Bruch schärfer, als eben Nikolaus' Beschluß der
Niederreißung des alten, der Errichtung eines neuen Petersdomes.
Dieses glorreiche Symbol der völkerbeherrschenden Macht des
Apostelfürsten, dieser durch seinen Stifter, seine Bestimmung,
seine tausendjährigen Erinnerungen ehrwürdigste Tempel der
abendländischen Christenheit sollte fallen vor moderner Schön-
heitsbegeisterung und moderner Ruhmessehnsucht! Nikolaus, der
als ein bescheidener Mann gerühmt wird, war in diesem Punkte
ganz ein Kind seiner Zeit. "Er wollte die Ehre des apostolischen
Stuhles und die Devotion der Völker befördern, drittens aber
auch, wonach er sehr begierig war, seinen eigenen Ruhm,
indem er erkannte, daß nichts so sehr imstande wäre, dem Ge-
dächtnis eines Menschen ewige Dauer zu schaffen, wie Denkmale
der Baukunst und der Literatur" -- so schreibt Manetti, der eine
so ehrliche Kirchengläubigkeit hegte als der Papst selbst. Bei-
läufig sei es bemerkt: ein ähnlicher innerer Widerspruch ist auch
bei Alberti wahrzunehmen. In seinem Werke "Della famiglia"
hält er die christliche Glaubens- und Lebenstradition mit einer
Entschiedenheit aufrecht, wie kaum ein anderer seiner humani-
stischen Genossen; und doch äußert er sich, wo er als Architekt
auf den Kirchenbau zu sprechen kommt, mit einer rein ästhetischen,
man muß sagen: heidnischen Begeisterung. Anderthalb Jahr-
hunderte später freilich, als die Konsequenzen der Renaissance-
bildung zutage getreten sind, hat ihr die Kirche und das Papsttum
den unversöhnlichen Krieg erklärt: und wieder wird der Bau

Die Bauprojekte Nikolaus V. und L. B. Alberti
der übrigen heraus, als etwas Besonderes, aus einem anderen Geist
und einer neuen Zeit Geborenes, als echte Renaissancegedanken,
während jene auf der hergebrachten Linie mittelaltrig-päpst-
licher Bautätigkeit beharren. Mit Nikolaus V. beginnt über-
haupt eine neue Ära in der Geschichte des Papsttums. Es ist
überaus merkwürdig, zu sehen, mit welcher Unbefangenheit —
man weiß nicht, geschieht es mehr aus Blindheit oder aus wahrer
furchtloser Erkenntnisgröße? — das Papsttum seit dieser Zeit
den Geist der Renaissance in Gestalt des Humanismus zu seinem
vertrauten Hausgenossen macht, da doch dieser gegen alle mora-
lischen Wurzeln der Papstmacht die Axt erhebt. Nichts bezeichnet
den vollzogenen Bruch schärfer, als eben Nikolaus' Beschluß der
Niederreißung des alten, der Errichtung eines neuen Petersdomes.
Dieses glorreiche Symbol der völkerbeherrschenden Macht des
Apostelfürsten, dieser durch seinen Stifter, seine Bestimmung,
seine tausendjährigen Erinnerungen ehrwürdigste Tempel der
abendländischen Christenheit sollte fallen vor moderner Schön-
heitsbegeisterung und moderner Ruhmessehnsucht! Nikolaus, der
als ein bescheidener Mann gerühmt wird, war in diesem Punkte
ganz ein Kind seiner Zeit. »Er wollte die Ehre des apostolischen
Stuhles und die Devotion der Völker befördern, drittens aber
auch, wonach er sehr begierig war, seinen eigenen Ruhm,
indem er erkannte, daß nichts so sehr imstande wäre, dem Ge-
dächtnis eines Menschen ewige Dauer zu schaffen, wie Denkmale
der Baukunst und der Literatur« — so schreibt Manetti, der eine
so ehrliche Kirchengläubigkeit hegte als der Papst selbst. Bei-
läufig sei es bemerkt: ein ähnlicher innerer Widerspruch ist auch
bei Alberti wahrzunehmen. In seinem Werke »Della famiglia«
hält er die christliche Glaubens- und Lebenstradition mit einer
Entschiedenheit aufrecht, wie kaum ein anderer seiner humani-
stischen Genossen; und doch äußert er sich, wo er als Architekt
auf den Kirchenbau zu sprechen kommt, mit einer rein ästhetischen,
man muß sagen: heidnischen Begeisterung. Anderthalb Jahr-
hunderte später freilich, als die Konsequenzen der Renaissance-
bildung zutage getreten sind, hat ihr die Kirche und das Papsttum
den unversöhnlichen Krieg erklärt: und wieder wird der Bau

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[167/0209] Die Bauprojekte Nikolaus V. und L. B. Alberti der übrigen heraus, als etwas Besonderes, aus einem anderen Geist und einer neuen Zeit Geborenes, als echte Renaissancegedanken, während jene auf der hergebrachten Linie mittelaltrig-päpst- licher Bautätigkeit beharren. Mit Nikolaus V. beginnt über- haupt eine neue Ära in der Geschichte des Papsttums. Es ist überaus merkwürdig, zu sehen, mit welcher Unbefangenheit — man weiß nicht, geschieht es mehr aus Blindheit oder aus wahrer furchtloser Erkenntnisgröße? — das Papsttum seit dieser Zeit den Geist der Renaissance in Gestalt des Humanismus zu seinem vertrauten Hausgenossen macht, da doch dieser gegen alle mora- lischen Wurzeln der Papstmacht die Axt erhebt. Nichts bezeichnet den vollzogenen Bruch schärfer, als eben Nikolaus' Beschluß der Niederreißung des alten, der Errichtung eines neuen Petersdomes. Dieses glorreiche Symbol der völkerbeherrschenden Macht des Apostelfürsten, dieser durch seinen Stifter, seine Bestimmung, seine tausendjährigen Erinnerungen ehrwürdigste Tempel der abendländischen Christenheit sollte fallen vor moderner Schön- heitsbegeisterung und moderner Ruhmessehnsucht! Nikolaus, der als ein bescheidener Mann gerühmt wird, war in diesem Punkte ganz ein Kind seiner Zeit. »Er wollte die Ehre des apostolischen Stuhles und die Devotion der Völker befördern, drittens aber auch, wonach er sehr begierig war, seinen eigenen Ruhm, indem er erkannte, daß nichts so sehr imstande wäre, dem Ge- dächtnis eines Menschen ewige Dauer zu schaffen, wie Denkmale der Baukunst und der Literatur« — so schreibt Manetti, der eine so ehrliche Kirchengläubigkeit hegte als der Papst selbst. Bei- läufig sei es bemerkt: ein ähnlicher innerer Widerspruch ist auch bei Alberti wahrzunehmen. In seinem Werke »Della famiglia« hält er die christliche Glaubens- und Lebenstradition mit einer Entschiedenheit aufrecht, wie kaum ein anderer seiner humani- stischen Genossen; und doch äußert er sich, wo er als Architekt auf den Kirchenbau zu sprechen kommt, mit einer rein ästhetischen, man muß sagen: heidnischen Begeisterung. Anderthalb Jahr- hunderte später freilich, als die Konsequenzen der Renaissance- bildung zutage getreten sind, hat ihr die Kirche und das Papsttum den unversöhnlichen Krieg erklärt: und wieder wird der Bau

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Zitationshilfe: Dehio, Georg: Kunsthistorische Aufsätze. München u. a., 1914, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dehio_aufsaetze_1914/209>, abgerufen am 04.05.2024.