Ebenso würden in Bamberg wahrscheinlich noch viel mehr An- klänge an Reims, als ich sie habe nachweisen können, zum Vorschein kommen.
Zunächst im Innern des Chores ist sicher von derselben Hand wie Elisabeth und Maria die Reiterstatue König Konrads am nächstfolgenden Pfeiler gegen Westen; französische Parallelen dazu sind mir nicht gegenwärtig. Wohl aber finde ich das Akanthusornament am Sockel ungemein bezeichnend. Wenn mir jemand dieses Stück, ohne daß ich von seiner Herkunft Kenntnis hätte, vorlegte, so würde meine Antwort ohne Zaudern sein: es stammt höchstwahrscheinlich aus Burgund oder der Champagne. Es ist merkwürdig, daß unser Meister gerade von den antiken Reminiszenzen, die ihm in Frankreich begegnet waren, sich besonders angezogen fühlt.
Ferner gehören ihm nach Bodes Urteil noch die Statuen des Nordostportals. Ich möchte etwas vorsichtiger sagen: falls nicht ihm selbst, so einem ganz nahestehenden Genossen. Um auch hier auf die Vergleichung mit Reims einzugehen, sind meine Erinnerungen bei der verwirrenden Massenhaftigkeit der dortigen Skulpturwerke nicht mehr vollständig und deutlich genug. Indes finde ich unter den leider zu wenigen mir vorliegenden Photogra- phien zwei mir beachtenswert scheinende Stücke. Es sind der früher erwähnte Mann mit dem Odysseuskopf und neben ihm eine gekrönte Frau. Beide sind in der Gewandung, die Frau auch in der Gesichtsbildung, namentlich in den Augen und dem lächelnden Munde, dem kaiserlichen Ehepaare des Bamberger Portals sehr ähnlich. Da es einmal feststeht, daß der Urheber der letzteren die erstere gekannt hat, zweifle ich nicht, daß sie seine Vorbilder waren. Daneben ist ein Fortschreiten des Stiles in naturalistischer Richtung nicht zu verkennen.
Wenn auch das Ergebnis meiner Untersuchung -- die aus- geprägt französische Schulung der jüngeren Bamberger Bild- hauergruppe -- von der bisher gültigen Auffassung abweicht, so liegt darin doch nichts eigentlich Verwunderliches. Daß in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts deutsche Bauleute in großer Menge auf französischen Bauplätzen tätig waren,
Dehio, Kunsthistorische Aufsätze 7
Zu den Skulpturen des Bamberger Domes
Ebenso würden in Bamberg wahrscheinlich noch viel mehr An- klänge an Reims, als ich sie habe nachweisen können, zum Vorschein kommen.
Zunächst im Innern des Chores ist sicher von derselben Hand wie Elisabeth und Maria die Reiterstatue König Konrads am nächstfolgenden Pfeiler gegen Westen; französische Parallelen dazu sind mir nicht gegenwärtig. Wohl aber finde ich das Akanthusornament am Sockel ungemein bezeichnend. Wenn mir jemand dieses Stück, ohne daß ich von seiner Herkunft Kenntnis hätte, vorlegte, so würde meine Antwort ohne Zaudern sein: es stammt höchstwahrscheinlich aus Burgund oder der Champagne. Es ist merkwürdig, daß unser Meister gerade von den antiken Reminiszenzen, die ihm in Frankreich begegnet waren, sich besonders angezogen fühlt.
Ferner gehören ihm nach Bodes Urteil noch die Statuen des Nordostportals. Ich möchte etwas vorsichtiger sagen: falls nicht ihm selbst, so einem ganz nahestehenden Genossen. Um auch hier auf die Vergleichung mit Reims einzugehen, sind meine Erinnerungen bei der verwirrenden Massenhaftigkeit der dortigen Skulpturwerke nicht mehr vollständig und deutlich genug. Indes finde ich unter den leider zu wenigen mir vorliegenden Photogra- phien zwei mir beachtenswert scheinende Stücke. Es sind der früher erwähnte Mann mit dem Odysseuskopf und neben ihm eine gekrönte Frau. Beide sind in der Gewandung, die Frau auch in der Gesichtsbildung, namentlich in den Augen und dem lächelnden Munde, dem kaiserlichen Ehepaare des Bamberger Portals sehr ähnlich. Da es einmal feststeht, daß der Urheber der letzteren die erstere gekannt hat, zweifle ich nicht, daß sie seine Vorbilder waren. Daneben ist ein Fortschreiten des Stiles in naturalistischer Richtung nicht zu verkennen.
Wenn auch das Ergebnis meiner Untersuchung — die aus- geprägt französische Schulung der jüngeren Bamberger Bild- hauergruppe — von der bisher gültigen Auffassung abweicht, so liegt darin doch nichts eigentlich Verwunderliches. Daß in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts deutsche Bauleute in großer Menge auf französischen Bauplätzen tätig waren,
Dehio, Kunsthistorische Aufsätze 7
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Zu den Skulpturen des Bamberger Domes
Ebenso würden in Bamberg wahrscheinlich noch viel mehr An-
klänge an Reims, als ich sie habe nachweisen können, zum
Vorschein kommen.
Zunächst im Innern des Chores ist sicher von derselben
Hand wie Elisabeth und Maria die Reiterstatue König Konrads
am nächstfolgenden Pfeiler gegen Westen; französische Parallelen
dazu sind mir nicht gegenwärtig. Wohl aber finde ich das
Akanthusornament am Sockel ungemein bezeichnend. Wenn mir
jemand dieses Stück, ohne daß ich von seiner Herkunft Kenntnis
hätte, vorlegte, so würde meine Antwort ohne Zaudern sein: es
stammt höchstwahrscheinlich aus Burgund oder der Champagne.
Es ist merkwürdig, daß unser Meister gerade von den antiken
Reminiszenzen, die ihm in Frankreich begegnet waren, sich
besonders angezogen fühlt.
Ferner gehören ihm nach Bodes Urteil noch die Statuen
des Nordostportals. Ich möchte etwas vorsichtiger sagen: falls
nicht ihm selbst, so einem ganz nahestehenden Genossen. Um
auch hier auf die Vergleichung mit Reims einzugehen, sind meine
Erinnerungen bei der verwirrenden Massenhaftigkeit der dortigen
Skulpturwerke nicht mehr vollständig und deutlich genug. Indes
finde ich unter den leider zu wenigen mir vorliegenden Photogra-
phien zwei mir beachtenswert scheinende Stücke. Es sind der
früher erwähnte Mann mit dem Odysseuskopf und neben ihm
eine gekrönte Frau. Beide sind in der Gewandung, die Frau
auch in der Gesichtsbildung, namentlich in den Augen und dem
lächelnden Munde, dem kaiserlichen Ehepaare des Bamberger
Portals sehr ähnlich. Da es einmal feststeht, daß der Urheber
der letzteren die erstere gekannt hat, zweifle ich nicht, daß sie
seine Vorbilder waren. Daneben ist ein Fortschreiten des Stiles
in naturalistischer Richtung nicht zu verkennen.
Wenn auch das Ergebnis meiner Untersuchung — die aus-
geprägt französische Schulung der jüngeren Bamberger Bild-
hauergruppe — von der bisher gültigen Auffassung abweicht,
so liegt darin doch nichts eigentlich Verwunderliches. Daß
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Dehio, Georg: Kunsthistorische Aufsätze. München u. a., 1914, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dehio_aufsaetze_1914/111>, abgerufen am 22.07.2024.
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