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Daumer, Georg Friedrich: Die dreifache Krone Rom's. Münster, 1859.

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Größte ausgedrückt, was gesagt werden konnte, indem ein
Gottmensch, wie Herakles, nöthig war, um die Feinde des
Göttlichen zu überwältigen und die allgemeine Weltökono-
mie vor Auflösung und Ruin zu bewahren.

Als Herakles jenes mit der Galle der Hydra getränkte
Kleid angezogen und das furchtbare Gift in die Haut ein-
drang, ward er von wüthenden Schmerzen ergriffen und
beschloß, sein Leben durch Feuer zu enden. Er begab sich
auf den Öta, errichtete einen Scheiterhaufen und befahl,
ihn anzuzünden, wenn er ihn bestiegen habe. Niemand
wollte sich dazu verstehen, bis es endlich Poias that, dem
Herakles dafür seine Pfeile schenkte. Als der Holzstoß
brannte, nahm den an's Ziel seiner Leiden gekommenen
Helden eine Wolke auf und trug ihn unter Donnerschlä-
gen zum Himmel empor. Von da wurde er der Unsterb-
lichkeit theilhaftig, mit der feindseligen Here versöhnt und
mit ihrer Tochter Hebe vermählt. So Apollodor II.
7, 7. Nach Diodor's Erzählung IV, 38. sandte Hera-
kles nach Delphi, um den Gott nach möglicher Hülfe zu
fragen. Dieser antwortete, man solle den Helden mit sei-
ner Rüstung auf den Öta bringen und daselbst einen Holz-
stoß errichten; für das Uebrige werde Zeus sorgen. Dies
führte Jolaos aus. Öta ist der Berg des Todes auch
dem Namen nach; vergl. oitos, Unglück, Tod -- ein
griechisches Golgatha.

Der Ausgang des Heraklesmythus zeigt eine auffallende
Verschiedenheit von allen übrigen Vorstellungen des bezüg-
lichen Alterthums. "Die ganze Fabel ist voll von Göt-
tersöhnen und besonders von Söhnen des Zeus, die von
sterblichen Müttern geboren sind. Aber alle solche werden
entweder ohne Weiteres zu Göttern, wie Dionysos, oder
sie sterben gleich anderen Menschen, wie Sarpedon vor
Troja, oder werden nach ihrem Tode nur für Heroen ge-

Größte ausgedrückt, was geſagt werden konnte, indem ein
Gottmenſch, wie Herakles, nöthig war, um die Feinde des
Göttlichen zu überwältigen und die allgemeine Weltökono-
mie vor Auflöſung und Ruin zu bewahren.

Als Herakles jenes mit der Galle der Hydra getränkte
Kleid angezogen und das furchtbare Gift in die Haut ein-
drang, ward er von wüthenden Schmerzen ergriffen und
beſchloß, ſein Leben durch Feuer zu enden. Er begab ſich
auf den Öta, errichtete einen Scheiterhaufen und befahl,
ihn anzuzünden, wenn er ihn beſtiegen habe. Niemand
wollte ſich dazu verſtehen, bis es endlich Poias that, dem
Herakles dafür ſeine Pfeile ſchenkte. Als der Holzſtoß
brannte, nahm den an’s Ziel ſeiner Leiden gekommenen
Helden eine Wolke auf und trug ihn unter Donnerſchlä-
gen zum Himmel empor. Von da wurde er der Unſterb-
lichkeit theilhaftig, mit der feindſeligen Here verſöhnt und
mit ihrer Tochter Hebe vermählt. So Apollodor II.
7, 7. Nach Diodor’s Erzählung IV, 38. ſandte Hera-
kles nach Delphi, um den Gott nach möglicher Hülfe zu
fragen. Dieſer antwortete, man ſolle den Helden mit ſei-
ner Rüſtung auf den Öta bringen und daſelbſt einen Holz-
ſtoß errichten; für das Uebrige werde Zeus ſorgen. Dies
führte Jolaos aus. Öta iſt der Berg des Todes auch
dem Namen nach; vergl. οιτος, Unglück, Tod — ein
griechiſches Golgatha.

Der Ausgang des Heraklesmythus zeigt eine auffallende
Verſchiedenheit von allen übrigen Vorſtellungen des bezüg-
lichen Alterthums. „Die ganze Fabel iſt voll von Göt-
terſöhnen und beſonders von Söhnen des Zeus, die von
ſterblichen Müttern geboren ſind. Aber alle ſolche werden
entweder ohne Weiteres zu Göttern, wie Dionyſos, oder
ſie ſterben gleich anderen Menſchen, wie Sarpedon vor
Troja, oder werden nach ihrem Tode nur für Heroen ge-

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[37/0059] Größte ausgedrückt, was geſagt werden konnte, indem ein Gottmenſch, wie Herakles, nöthig war, um die Feinde des Göttlichen zu überwältigen und die allgemeine Weltökono- mie vor Auflöſung und Ruin zu bewahren. Als Herakles jenes mit der Galle der Hydra getränkte Kleid angezogen und das furchtbare Gift in die Haut ein- drang, ward er von wüthenden Schmerzen ergriffen und beſchloß, ſein Leben durch Feuer zu enden. Er begab ſich auf den Öta, errichtete einen Scheiterhaufen und befahl, ihn anzuzünden, wenn er ihn beſtiegen habe. Niemand wollte ſich dazu verſtehen, bis es endlich Poias that, dem Herakles dafür ſeine Pfeile ſchenkte. Als der Holzſtoß brannte, nahm den an’s Ziel ſeiner Leiden gekommenen Helden eine Wolke auf und trug ihn unter Donnerſchlä- gen zum Himmel empor. Von da wurde er der Unſterb- lichkeit theilhaftig, mit der feindſeligen Here verſöhnt und mit ihrer Tochter Hebe vermählt. So Apollodor II. 7, 7. Nach Diodor’s Erzählung IV, 38. ſandte Hera- kles nach Delphi, um den Gott nach möglicher Hülfe zu fragen. Dieſer antwortete, man ſolle den Helden mit ſei- ner Rüſtung auf den Öta bringen und daſelbſt einen Holz- ſtoß errichten; für das Uebrige werde Zeus ſorgen. Dies führte Jolaos aus. Öta iſt der Berg des Todes auch dem Namen nach; vergl. οιτος, Unglück, Tod — ein griechiſches Golgatha. Der Ausgang des Heraklesmythus zeigt eine auffallende Verſchiedenheit von allen übrigen Vorſtellungen des bezüg- lichen Alterthums. „Die ganze Fabel iſt voll von Göt- terſöhnen und beſonders von Söhnen des Zeus, die von ſterblichen Müttern geboren ſind. Aber alle ſolche werden entweder ohne Weiteres zu Göttern, wie Dionyſos, oder ſie ſterben gleich anderen Menſchen, wie Sarpedon vor Troja, oder werden nach ihrem Tode nur für Heroen ge-

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Zitationshilfe: Daumer, Georg Friedrich: Die dreifache Krone Rom's. Münster, 1859, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/daumer_krone_1859/59>, abgerufen am 03.05.2024.