Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Daumer, Georg Friedrich: Die dreifache Krone Rom's. Münster, 1859.

Bild:
<< vorherige Seite

selbe zu Delphi an, was er thun solle, und folgt dem
wenn auch noch so harten, Götterspruche. Der elende Eu-
rystheus ruft ihn zu sich, um ihn durch Auflegung schwe-
rer und unmöglicher Arbeiten und Abentheuer zu verderben.
Da Herakles widersteht, so gebeut ihm Zeus, zu gehor-
chen, und das delphische Orakel bestätigt diesen Befehl. *)
In seiner letzten Krankheit wünscht er Genesung; der Gott
aber befiehlt ihm, zu sterben, und er stirbt. "Vater, ist's
möglich, so gehe dieser Kelch vorüber vor mir; doch nicht
mein Wille geschehe, sondern der deinige." Matth. 26, 39.
Vergl. Jes. 50, 5 f. Cap. 53, 7. Philipp. 2, 8: "Er
demüthigte sich und ward gehorsam bis zum Tode, u. s. w.

Herakles hieß bestimmt der Heiland, er wurde He-
rakles Apotropaios, Alexikakos und Keramyn-
tes
, der Abwehrer des Unheils und Verderbens, Soter,
der Retter, Parastates, der Helfer, Pacifer, der Frie-
denbringer, euergetes ton anthropon oder auch bloß He-
rakles Euergetes
, der Wohlthäter, ja der Abweh-
rer des Fluches für Götter und Menschen
ge-
nannt. Um dies Letztere zu sein, dazu hatte ihn nach ei-
ner uralten Vorstellung sein erhabener Vater erzeugt.

Unter den sogenannten Arbeiten des Herakles sind zwei
die merkwürdigsten; sie möchten auch wohl die wesentlich-
sten, wenn nicht die einzigen, in der ältesten Fassung des
Mythus gewesen sein. Wir meinen den Kampf mit der
lernäischen Schlange und den mit Hades und Tod, wobei
das bekannte Heraufbringen des Kerberus aus der Unter-
welt nur Nebensache ist. Der christliche Heiland überwin-
det Teufel und Tod; der erstere wird als Schlange, Drache
dargestellt, und auch die lernäische Hydra ist im Grunde
wohl nichts Anderes, als ein Symbol des bösen Princips,

*) Diodor 4, 10.

ſelbe zu Delphi an, was er thun ſolle, und folgt dem
wenn auch noch ſo harten, Götterſpruche. Der elende Eu-
ryſtheus ruft ihn zu ſich, um ihn durch Auflegung ſchwe-
rer und unmöglicher Arbeiten und Abentheuer zu verderben.
Da Herakles widerſteht, ſo gebeut ihm Zeus, zu gehor-
chen, und das delphiſche Orakel beſtätigt dieſen Befehl. *)
In ſeiner letzten Krankheit wünſcht er Geneſung; der Gott
aber befiehlt ihm, zu ſterben, und er ſtirbt. „Vater, iſt’s
möglich, ſo gehe dieſer Kelch vorüber vor mir; doch nicht
mein Wille geſchehe, ſondern der deinige.“ Matth. 26, 39.
Vergl. Jeſ. 50, 5 f. Cap. 53, 7. Philipp. 2, 8: „Er
demüthigte ſich und ward gehorſam bis zum Tode, u. ſ. w.

Herakles hieß beſtimmt der Heiland, er wurde He-
rakles Apotropaios, Alexikakos und Keramyn-
tes
, der Abwehrer des Unheils und Verderbens, Soter,
der Retter, Paraſtates, der Helfer, Pacifer, der Frie-
denbringer, ευεργετης των ανϑρωπων oder auch bloß He-
rakles Euergetes
, der Wohlthäter, ja der Abweh-
rer des Fluches für Götter und Menſchen
ge-
nannt. Um dies Letztere zu ſein, dazu hatte ihn nach ei-
ner uralten Vorſtellung ſein erhabener Vater erzeugt.

Unter den ſogenannten Arbeiten des Herakles ſind zwei
die merkwürdigſten; ſie möchten auch wohl die weſentlich-
ſten, wenn nicht die einzigen, in der älteſten Faſſung des
Mythus geweſen ſein. Wir meinen den Kampf mit der
lernäiſchen Schlange und den mit Hades und Tod, wobei
das bekannte Heraufbringen des Kerberus aus der Unter-
welt nur Nebenſache iſt. Der chriſtliche Heiland überwin-
det Teufel und Tod; der erſtere wird als Schlange, Drache
dargeſtellt, und auch die lernäiſche Hydra iſt im Grunde
wohl nichts Anderes, als ein Symbol des böſen Princips,

*) Diodor 4, 10.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0053" n="31"/>
&#x017F;elbe zu Delphi an, was er thun &#x017F;olle, und folgt dem<lb/>
wenn auch noch &#x017F;o harten, Götter&#x017F;pruche. Der elende Eu-<lb/>
ry&#x017F;theus ruft ihn zu &#x017F;ich, um ihn durch Auflegung &#x017F;chwe-<lb/>
rer und unmöglicher Arbeiten und Abentheuer zu verderben.<lb/>
Da Herakles wider&#x017F;teht, &#x017F;o gebeut ihm Zeus, zu gehor-<lb/>
chen, und das delphi&#x017F;che Orakel be&#x017F;tätigt die&#x017F;en Befehl. <note place="foot" n="*)">Diodor 4, 10.</note><lb/>
In &#x017F;einer letzten Krankheit wün&#x017F;cht er Gene&#x017F;ung; der Gott<lb/>
aber befiehlt ihm, zu &#x017F;terben, und er &#x017F;tirbt. &#x201E;Vater, i&#x017F;t&#x2019;s<lb/>
möglich, &#x017F;o gehe die&#x017F;er Kelch vorüber vor mir; doch nicht<lb/>
mein Wille ge&#x017F;chehe, &#x017F;ondern der deinige.&#x201C; Matth. 26, 39.<lb/>
Vergl. Je&#x017F;. 50, 5 f. Cap. 53, 7. Philipp. 2, 8: &#x201E;Er<lb/>
demüthigte &#x017F;ich und ward gehor&#x017F;am bis zum Tode, u. &#x017F;. w.</p><lb/>
          <p>Herakles hieß be&#x017F;timmt der <hi rendition="#g">Heiland</hi>, er wurde He-<lb/>
rakles <hi rendition="#g">Apotropaios, Alexikakos</hi> und <hi rendition="#g">Keramyn-<lb/>
tes</hi>, der Abwehrer des Unheils und Verderbens, <hi rendition="#g">Soter</hi>,<lb/>
der Retter, <hi rendition="#g">Para&#x017F;tates</hi>, der Helfer, <hi rendition="#g">Pacifer</hi>, der Frie-<lb/>
denbringer, &#x03B5;&#x03C5;&#x03B5;&#x03C1;&#x03B3;&#x03B5;&#x03C4;&#x03B7;&#x03C2; &#x03C4;&#x03C9;&#x03BD; &#x03B1;&#x03BD;&#x03D1;&#x03C1;&#x03C9;&#x03C0;&#x03C9;&#x03BD; oder auch bloß <hi rendition="#g">He-<lb/>
rakles Euergetes</hi>, der Wohlthäter, ja <hi rendition="#g">der Abweh-<lb/>
rer des Fluches für Götter und Men&#x017F;chen</hi> ge-<lb/>
nannt. Um dies Letztere zu &#x017F;ein, dazu hatte ihn nach ei-<lb/>
ner uralten Vor&#x017F;tellung &#x017F;ein erhabener Vater erzeugt.</p><lb/>
          <p>Unter den &#x017F;ogenannten Arbeiten des Herakles &#x017F;ind zwei<lb/>
die merkwürdig&#x017F;ten; &#x017F;ie möchten auch wohl die we&#x017F;entlich-<lb/>
&#x017F;ten, wenn nicht die einzigen, in der älte&#x017F;ten Fa&#x017F;&#x017F;ung des<lb/>
Mythus gewe&#x017F;en &#x017F;ein. Wir meinen den Kampf mit der<lb/>
lernäi&#x017F;chen Schlange und den mit Hades und Tod, wobei<lb/>
das bekannte Heraufbringen des Kerberus aus der Unter-<lb/>
welt nur Neben&#x017F;ache i&#x017F;t. Der chri&#x017F;tliche Heiland überwin-<lb/>
det Teufel und Tod; der er&#x017F;tere wird als Schlange, Drache<lb/>
darge&#x017F;tellt, und auch die lernäi&#x017F;che Hydra i&#x017F;t im Grunde<lb/>
wohl nichts Anderes, als ein Symbol des bö&#x017F;en Princips,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[31/0053] ſelbe zu Delphi an, was er thun ſolle, und folgt dem wenn auch noch ſo harten, Götterſpruche. Der elende Eu- ryſtheus ruft ihn zu ſich, um ihn durch Auflegung ſchwe- rer und unmöglicher Arbeiten und Abentheuer zu verderben. Da Herakles widerſteht, ſo gebeut ihm Zeus, zu gehor- chen, und das delphiſche Orakel beſtätigt dieſen Befehl. *) In ſeiner letzten Krankheit wünſcht er Geneſung; der Gott aber befiehlt ihm, zu ſterben, und er ſtirbt. „Vater, iſt’s möglich, ſo gehe dieſer Kelch vorüber vor mir; doch nicht mein Wille geſchehe, ſondern der deinige.“ Matth. 26, 39. Vergl. Jeſ. 50, 5 f. Cap. 53, 7. Philipp. 2, 8: „Er demüthigte ſich und ward gehorſam bis zum Tode, u. ſ. w. Herakles hieß beſtimmt der Heiland, er wurde He- rakles Apotropaios, Alexikakos und Keramyn- tes, der Abwehrer des Unheils und Verderbens, Soter, der Retter, Paraſtates, der Helfer, Pacifer, der Frie- denbringer, ευεργετης των ανϑρωπων oder auch bloß He- rakles Euergetes, der Wohlthäter, ja der Abweh- rer des Fluches für Götter und Menſchen ge- nannt. Um dies Letztere zu ſein, dazu hatte ihn nach ei- ner uralten Vorſtellung ſein erhabener Vater erzeugt. Unter den ſogenannten Arbeiten des Herakles ſind zwei die merkwürdigſten; ſie möchten auch wohl die weſentlich- ſten, wenn nicht die einzigen, in der älteſten Faſſung des Mythus geweſen ſein. Wir meinen den Kampf mit der lernäiſchen Schlange und den mit Hades und Tod, wobei das bekannte Heraufbringen des Kerberus aus der Unter- welt nur Nebenſache iſt. Der chriſtliche Heiland überwin- det Teufel und Tod; der erſtere wird als Schlange, Drache dargeſtellt, und auch die lernäiſche Hydra iſt im Grunde wohl nichts Anderes, als ein Symbol des böſen Princips, *) Diodor 4, 10.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/daumer_krone_1859
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/daumer_krone_1859/53
Zitationshilfe: Daumer, Georg Friedrich: Die dreifache Krone Rom's. Münster, 1859, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/daumer_krone_1859/53>, abgerufen am 03.05.2024.