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Daumer, Georg Friedrich: Die dreifache Krone Rom's. Münster, 1859.

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zuordnen, und zwar galt derselbe auch für diejenigen Perso-
nen, die mit dem Glanze der höchsten Macht umgeben waren.
Die irdische Größe nahm niemals Anstand, sich
dem Heiligen zu unterwerfen
." Unter den Beispie-
len, die er gibt, ist folgendes. Der Consul Postumius,
der zugleich Priester des Mars war, wollte sich eben zum
Kriege nach Afrika begeben. Da verbot ihm der Ober-
priester Metellus mit Strafandrohung, die Stadt zu
verlassen und sich von seinem Tempeldienst zu entfernen.
"Und es beugte sich die höchste Behörde vor dem Stabe
der Religion." Der alte Autor nennt dies duodecim
fascium religiosum obsequium.
Unter solchen Umständen,
meint er, sei es nicht verwunderlich, wenn sich die Gnade
der Götter die Beschirmung und Vergrößerung des Reiches
stets angelegen sein ließ. Er erzählt auch folgende That-
sache. "Nach der Schlacht bei Kannä war kein Haus ohne
Trauer, da der größte Theil der römischen Helden auf je-
ner jammervollen, fluchbedeckten Stätte lag." Da gebot
der Staat eine bedeutende Abkürzung der herkömmlichen
Trauerzeit, damit sich die Frauen, in weiße Gewänder ge-
kleidet, dem Dienste der Ceres widmen könnten. Das habe,
meint Valerius Maximus, auf die Götter einen so
beschämenden Eindruck gemacht, daß sie beschlossen, fortan
nicht mehr ein Volk zu verfolgen, das selbst durch die bit-
tersten Erfahrungen nicht lässig in ihrem Dienste wurde.

Die Religion der Römer kann uns jetzt in vielem
Betrachte nur als ein kindischer Aberglaube erscheinen, dem
eine spätere Aufklärung das ihm gebührende Recht anthat.
Aber das ist hier von keinem Belange. Es handelt sich
um das religiöse Moment überhaupt, um die Anlage zu
seiner Ausbildung und um die Thatsache, daß mit dem
militärisch-politischen Charakter der Römer ein so hochge-
steigerter Sinn für Religion und eine so vorherrschende

zuordnen, und zwar galt derſelbe auch für diejenigen Perſo-
nen, die mit dem Glanze der höchſten Macht umgeben waren.
Die irdiſche Größe nahm niemals Anſtand, ſich
dem Heiligen zu unterwerfen
.“ Unter den Beiſpie-
len, die er gibt, iſt folgendes. Der Conſul Poſtumius,
der zugleich Prieſter des Mars war, wollte ſich eben zum
Kriege nach Afrika begeben. Da verbot ihm der Ober-
prieſter Metellus mit Strafandrohung, die Stadt zu
verlaſſen und ſich von ſeinem Tempeldienſt zu entfernen.
„Und es beugte ſich die höchſte Behörde vor dem Stabe
der Religion.“ Der alte Autor nennt dies duodecim
fascium religiosum obsequium.
Unter ſolchen Umſtänden,
meint er, ſei es nicht verwunderlich, wenn ſich die Gnade
der Götter die Beſchirmung und Vergrößerung des Reiches
ſtets angelegen ſein ließ. Er erzählt auch folgende That-
ſache. „Nach der Schlacht bei Kannä war kein Haus ohne
Trauer, da der größte Theil der römiſchen Helden auf je-
ner jammervollen, fluchbedeckten Stätte lag.“ Da gebot
der Staat eine bedeutende Abkürzung der herkömmlichen
Trauerzeit, damit ſich die Frauen, in weiße Gewänder ge-
kleidet, dem Dienſte der Ceres widmen könnten. Das habe,
meint Valerius Maximus, auf die Götter einen ſo
beſchämenden Eindruck gemacht, daß ſie beſchloſſen, fortan
nicht mehr ein Volk zu verfolgen, das ſelbſt durch die bit-
terſten Erfahrungen nicht läſſig in ihrem Dienſte wurde.

Die Religion der Römer kann uns jetzt in vielem
Betrachte nur als ein kindiſcher Aberglaube erſcheinen, dem
eine ſpätere Aufklärung das ihm gebührende Recht anthat.
Aber das iſt hier von keinem Belange. Es handelt ſich
um das religiöſe Moment überhaupt, um die Anlage zu
ſeiner Ausbildung und um die Thatſache, daß mit dem
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ſteigerter Sinn für Religion und eine ſo vorherrſchende

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[13/0035] zuordnen, und zwar galt derſelbe auch für diejenigen Perſo- nen, die mit dem Glanze der höchſten Macht umgeben waren. Die irdiſche Größe nahm niemals Anſtand, ſich dem Heiligen zu unterwerfen.“ Unter den Beiſpie- len, die er gibt, iſt folgendes. Der Conſul Poſtumius, der zugleich Prieſter des Mars war, wollte ſich eben zum Kriege nach Afrika begeben. Da verbot ihm der Ober- prieſter Metellus mit Strafandrohung, die Stadt zu verlaſſen und ſich von ſeinem Tempeldienſt zu entfernen. „Und es beugte ſich die höchſte Behörde vor dem Stabe der Religion.“ Der alte Autor nennt dies duodecim fascium religiosum obsequium. Unter ſolchen Umſtänden, meint er, ſei es nicht verwunderlich, wenn ſich die Gnade der Götter die Beſchirmung und Vergrößerung des Reiches ſtets angelegen ſein ließ. Er erzählt auch folgende That- ſache. „Nach der Schlacht bei Kannä war kein Haus ohne Trauer, da der größte Theil der römiſchen Helden auf je- ner jammervollen, fluchbedeckten Stätte lag.“ Da gebot der Staat eine bedeutende Abkürzung der herkömmlichen Trauerzeit, damit ſich die Frauen, in weiße Gewänder ge- kleidet, dem Dienſte der Ceres widmen könnten. Das habe, meint Valerius Maximus, auf die Götter einen ſo beſchämenden Eindruck gemacht, daß ſie beſchloſſen, fortan nicht mehr ein Volk zu verfolgen, das ſelbſt durch die bit- terſten Erfahrungen nicht läſſig in ihrem Dienſte wurde. Die Religion der Römer kann uns jetzt in vielem Betrachte nur als ein kindiſcher Aberglaube erſcheinen, dem eine ſpätere Aufklärung das ihm gebührende Recht anthat. Aber das iſt hier von keinem Belange. Es handelt ſich um das religiöſe Moment überhaupt, um die Anlage zu ſeiner Ausbildung und um die Thatſache, daß mit dem militäriſch-politiſchen Charakter der Römer ein ſo hochge- ſteigerter Sinn für Religion und eine ſo vorherrſchende

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Zitationshilfe: Daumer, Georg Friedrich: Die dreifache Krone Rom's. Münster, 1859, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/daumer_krone_1859/35>, abgerufen am 09.11.2024.