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Daumer, Georg Friedrich: Die dreifache Krone Rom's. Münster, 1859.

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gerischem und gewaltthätigem Charakter in ein sanftes,
liebevolles Gegentheil zum Vorschein kommt.

Das Wort des Räthsels, wie es weiterhin die Welt-
geschichte thatsächlich ausgesprochen hat, ist dieses, daß in
dem äußeren, offenbaren, militärisch-politischen, mit einem
Worte weltlichen Rom, wie in einer Hülle und Ver-
puppung, noch ein anderes, das späterhin im Christenthume
zu entwickelnde geistliche stak; daß diese große Erschei-
nung mit einer künftigen, noch größeren, dem zum Träger
und Organe eines höheren Princips gewordenen christlichen
Römerthum, schwanger ging, wie dies noch weiter aus
Folgendem erhellt.

Der alte Römer war Krieger, Feldherr, Staats-
mann
. Das ist die am meisten hervortretende Seite sei-
nes Wesens; ja es kann scheinen, als sei dies seine ganze
Bestimmung und Befriedigung gewesen. Aber eine eben so
große Rolle spielte das religiöse Moment. Cicero
rühmt die Römer als die frömmste Nation, die überall an
die Götter denke, Alles mit Religion thue und den Göt-
tern für Alles dankbar sei. Posidonius sagt von den
älteren Römern: "Herkömmlich war bei ihnen Ausdauer und
einfache Lebensweise und ein einfältiger, ungesuchter Genuß
ihrer Güter, ingleichen eine bewundernswürdige Ver-
ehrung und Frömmigkeit gegen die Gottheit

(eusebia thaumaste peri to daimonion), auch Gerechtigkeit,
sehr viel Enthaltsamkeit in Betreff der Beeinträchtigung Ande-
rer, verbunden mit fleißiger Betreibung des Ackerbaues." *)
In ähnlicher Weise äußert sich Valerius Maximus:
"Es war," sagt er, "ein beständiger Grundsatz unseres
Staates, den Religionspflichten jede andere Rücksicht unter-

*) Vergl. Posidonii Rhodii reliquiae. p. 169. ed. Bake. --
Creuzer, Symbolik. 2. Ausg. II. S. 494.

geriſchem und gewaltthätigem Charakter in ein ſanftes,
liebevolles Gegentheil zum Vorſchein kommt.

Das Wort des Räthſels, wie es weiterhin die Welt-
geſchichte thatſächlich ausgeſprochen hat, iſt dieſes, daß in
dem äußeren, offenbaren, militäriſch-politiſchen, mit einem
Worte weltlichen Rom, wie in einer Hülle und Ver-
puppung, noch ein anderes, das ſpäterhin im Chriſtenthume
zu entwickelnde geiſtliche ſtak; daß dieſe große Erſchei-
nung mit einer künftigen, noch größeren, dem zum Träger
und Organe eines höheren Princips gewordenen chriſtlichen
Römerthum, ſchwanger ging, wie dies noch weiter aus
Folgendem erhellt.

Der alte Römer war Krieger, Feldherr, Staats-
mann
. Das iſt die am meiſten hervortretende Seite ſei-
nes Weſens; ja es kann ſcheinen, als ſei dies ſeine ganze
Beſtimmung und Befriedigung geweſen. Aber eine eben ſo
große Rolle ſpielte das religiöſe Moment. Cicero
rühmt die Römer als die frömmſte Nation, die überall an
die Götter denke, Alles mit Religion thue und den Göt-
tern für Alles dankbar ſei. Poſidonius ſagt von den
älteren Römern: „Herkömmlich war bei ihnen Ausdauer und
einfache Lebensweiſe und ein einfältiger, ungeſuchter Genuß
ihrer Güter, ingleichen eine bewundernswürdige Ver-
ehrung und Frömmigkeit gegen die Gottheit

(ευσεβια ϑαυμαστη περι το δαιμονιον), auch Gerechtigkeit,
ſehr viel Enthaltſamkeit in Betreff der Beeinträchtigung Ande-
rer, verbunden mit fleißiger Betreibung des Ackerbaues.“ *)
In ähnlicher Weiſe äußert ſich Valerius Maximus:
„Es war,“ ſagt er, „ein beſtändiger Grundſatz unſeres
Staates, den Religionspflichten jede andere Rückſicht unter-

*) Vergl. Posidonii Rhodii reliquiae. p. 169. ed. Bake.
Creuzer, Symbolik. 2. Ausg. II. S. 494.
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[12/0034] geriſchem und gewaltthätigem Charakter in ein ſanftes, liebevolles Gegentheil zum Vorſchein kommt. Das Wort des Räthſels, wie es weiterhin die Welt- geſchichte thatſächlich ausgeſprochen hat, iſt dieſes, daß in dem äußeren, offenbaren, militäriſch-politiſchen, mit einem Worte weltlichen Rom, wie in einer Hülle und Ver- puppung, noch ein anderes, das ſpäterhin im Chriſtenthume zu entwickelnde geiſtliche ſtak; daß dieſe große Erſchei- nung mit einer künftigen, noch größeren, dem zum Träger und Organe eines höheren Princips gewordenen chriſtlichen Römerthum, ſchwanger ging, wie dies noch weiter aus Folgendem erhellt. Der alte Römer war Krieger, Feldherr, Staats- mann. Das iſt die am meiſten hervortretende Seite ſei- nes Weſens; ja es kann ſcheinen, als ſei dies ſeine ganze Beſtimmung und Befriedigung geweſen. Aber eine eben ſo große Rolle ſpielte das religiöſe Moment. Cicero rühmt die Römer als die frömmſte Nation, die überall an die Götter denke, Alles mit Religion thue und den Göt- tern für Alles dankbar ſei. Poſidonius ſagt von den älteren Römern: „Herkömmlich war bei ihnen Ausdauer und einfache Lebensweiſe und ein einfältiger, ungeſuchter Genuß ihrer Güter, ingleichen eine bewundernswürdige Ver- ehrung und Frömmigkeit gegen die Gottheit (ευσεβια ϑαυμαστη περι το δαιμονιον), auch Gerechtigkeit, ſehr viel Enthaltſamkeit in Betreff der Beeinträchtigung Ande- rer, verbunden mit fleißiger Betreibung des Ackerbaues.“ *) In ähnlicher Weiſe äußert ſich Valerius Maximus: „Es war,“ ſagt er, „ein beſtändiger Grundſatz unſeres Staates, den Religionspflichten jede andere Rückſicht unter- *) Vergl. Posidonii Rhodii reliquiae. p. 169. ed. Bake. — Creuzer, Symbolik. 2. Ausg. II. S. 494.

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Zitationshilfe: Daumer, Georg Friedrich: Die dreifache Krone Rom's. Münster, 1859, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/daumer_krone_1859/34>, abgerufen am 19.04.2024.