Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Daumer, Georg Friedrich: Die dreifache Krone Rom's. Münster, 1859.

Bild:
<< vorherige Seite

Weihrauch in heiligen Körben, zu Patara Kuchen in Form
von Bogen, Pfeil und Leier, an die doppelte Natur des
Gottes erinnernd, während jedoch die letztere bei einem so
harmlosen Opfer entschieden überwog. An dem attischen
Herbstfeste der Panepsien pflegte man einen mit Wolle um-
wundenen Oliven- oder Lorbeerstab, Eiresione genannt, mit
Trauben, Früchten und kleinen Gefäßen voll Honig und
Öl zu behängen und an die Thüre eines Apollotempels
zu tragen. Auch Leierkuchen kamen in der Eiresione vor.
Der Name hängt mit Eirene, Friede zusammen. Es wurde
auf diese Weise ausgedrückt, daß der Geist mit der Natur
keinen Krieg führe, sofern sie durch ihn geweiht und ge-
heiligt und so wieder rein, unschuldig und gottvoll ge-
worden.

War doch auch die von dem Gotte bezwungene Del-
phyne,
in der wir die Natur, als Gegensatz des Geistes,
erkannten, nicht ganz verstoßen und verbannt, da sie bei
dem Erdspalt an den Füßen des Dreifußes im innern
Adyton lag. *) Dahin gehört auch, daß der Delphin,
dieses musikalische und menschenfreundliche Thier, als die
gleichsam geistig umgewandelte und so mit dem Gotte
versöhnte und befreundete Delphyne oder Delphine
dem Apollon heilig war; daß er selbst die Gestalt des
Delphins annahm, um seine Kreter nach Krissa zu füh-
ren, und als Delphinios Tempel und Verehrung hatte.

Der Geist ist an und für sich kein Ungeheuer, keine
bösartig verneinende Kraft und Macht; denn seine Nega-
tivität ist nur Mittel zum Zweck, ein Uebergangsprincip,
welches verschwindet, sowie der Uebergang vollbracht; das
Ziel ist die absolute Milde, Schönheit und Seligkeit. Aber
er kann als ein Ungeheuer und Schreckniß der furchtbar-

*) Lukian de astrol. 23.

Weihrauch in heiligen Körben, zu Patara Kuchen in Form
von Bogen, Pfeil und Leier, an die doppelte Natur des
Gottes erinnernd, während jedoch die letztere bei einem ſo
harmloſen Opfer entſchieden überwog. An dem attiſchen
Herbſtfeſte der Panepſien pflegte man einen mit Wolle um-
wundenen Oliven- oder Lorbeerſtab, Eireſione genannt, mit
Trauben, Früchten und kleinen Gefäßen voll Honig und
Öl zu behängen und an die Thüre eines Apollotempels
zu tragen. Auch Leierkuchen kamen in der Eireſione vor.
Der Name hängt mit Eirene, Friede zuſammen. Es wurde
auf dieſe Weiſe ausgedrückt, daß der Geiſt mit der Natur
keinen Krieg führe, ſofern ſie durch ihn geweiht und ge-
heiligt und ſo wieder rein, unſchuldig und gottvoll ge-
worden.

War doch auch die von dem Gotte bezwungene Del-
phyne,
in der wir die Natur, als Gegenſatz des Geiſtes,
erkannten, nicht ganz verſtoßen und verbannt, da ſie bei
dem Erdſpalt an den Füßen des Dreifußes im innern
Adyton lag. *) Dahin gehört auch, daß der Delphin,
dieſes muſikaliſche und menſchenfreundliche Thier, als die
gleichſam geiſtig umgewandelte und ſo mit dem Gotte
verſöhnte und befreundete Delphyne oder Delphine
dem Apollon heilig war; daß er ſelbſt die Geſtalt des
Delphins annahm, um ſeine Kreter nach Kriſſa zu füh-
ren, und als Delphinios Tempel und Verehrung hatte.

Der Geiſt iſt an und für ſich kein Ungeheuer, keine
bösartig verneinende Kraft und Macht; denn ſeine Nega-
tivität iſt nur Mittel zum Zweck, ein Uebergangsprincip,
welches verſchwindet, ſowie der Uebergang vollbracht; das
Ziel iſt die abſolute Milde, Schönheit und Seligkeit. Aber
er kann als ein Ungeheuer und Schreckniß der furchtbar-

*) Lukian de astrol. 23.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0120" n="98"/>
Weihrauch in heiligen Körben, zu Patara Kuchen in Form<lb/>
von Bogen, Pfeil und Leier, an die doppelte Natur des<lb/>
Gottes erinnernd, während jedoch die letztere bei einem &#x017F;o<lb/>
harmlo&#x017F;en Opfer ent&#x017F;chieden überwog. An dem atti&#x017F;chen<lb/>
Herb&#x017F;tfe&#x017F;te der Panep&#x017F;ien pflegte man einen mit Wolle um-<lb/>
wundenen Oliven- oder Lorbeer&#x017F;tab, Eire&#x017F;ione genannt, mit<lb/>
Trauben, Früchten und kleinen Gefäßen voll Honig und<lb/>
Öl zu behängen und an die Thüre eines Apollotempels<lb/>
zu tragen. Auch Leierkuchen kamen in der Eire&#x017F;ione vor.<lb/>
Der Name hängt mit Eirene, Friede zu&#x017F;ammen. Es wurde<lb/>
auf die&#x017F;e Wei&#x017F;e ausgedrückt, daß der Gei&#x017F;t mit der Natur<lb/>
keinen Krieg führe, &#x017F;ofern &#x017F;ie durch ihn geweiht und ge-<lb/>
heiligt und &#x017F;o wieder rein, un&#x017F;chuldig und gottvoll ge-<lb/>
worden.</p><lb/>
          <p>War doch auch die von dem Gotte bezwungene <hi rendition="#g">Del-<lb/>
phyne,</hi> in der wir die Natur, als Gegen&#x017F;atz des Gei&#x017F;tes,<lb/>
erkannten, nicht ganz ver&#x017F;toßen und verbannt, da &#x017F;ie bei<lb/>
dem Erd&#x017F;palt an den Füßen des Dreifußes im innern<lb/>
Adyton lag. <note place="foot" n="*)">Lukian <hi rendition="#aq">de astrol.</hi> 23.</note> Dahin gehört auch, daß der <hi rendition="#g">Delphin</hi>,<lb/>
die&#x017F;es mu&#x017F;ikali&#x017F;che und men&#x017F;chenfreundliche Thier, als die<lb/>
gleich&#x017F;am gei&#x017F;tig umgewandelte und &#x017F;o mit dem Gotte<lb/>
ver&#x017F;öhnte und befreundete <hi rendition="#g">Delphyne</hi> oder <hi rendition="#g">Delphine</hi><lb/>
dem Apollon heilig war; daß er &#x017F;elb&#x017F;t die Ge&#x017F;talt des<lb/>
Delphins annahm, um &#x017F;eine Kreter nach Kri&#x017F;&#x017F;a zu füh-<lb/>
ren, und als <hi rendition="#g">Delphinios</hi> Tempel und Verehrung hatte.</p><lb/>
          <p>Der Gei&#x017F;t i&#x017F;t an und für &#x017F;ich kein Ungeheuer, keine<lb/>
bösartig verneinende Kraft und Macht; denn &#x017F;eine Nega-<lb/>
tivität i&#x017F;t nur Mittel zum Zweck, ein Uebergangsprincip,<lb/>
welches ver&#x017F;chwindet, &#x017F;owie der Uebergang vollbracht; das<lb/>
Ziel i&#x017F;t die ab&#x017F;olute Milde, Schönheit und Seligkeit. Aber<lb/>
er kann als ein Ungeheuer und Schreckniß der furchtbar-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[98/0120] Weihrauch in heiligen Körben, zu Patara Kuchen in Form von Bogen, Pfeil und Leier, an die doppelte Natur des Gottes erinnernd, während jedoch die letztere bei einem ſo harmloſen Opfer entſchieden überwog. An dem attiſchen Herbſtfeſte der Panepſien pflegte man einen mit Wolle um- wundenen Oliven- oder Lorbeerſtab, Eireſione genannt, mit Trauben, Früchten und kleinen Gefäßen voll Honig und Öl zu behängen und an die Thüre eines Apollotempels zu tragen. Auch Leierkuchen kamen in der Eireſione vor. Der Name hängt mit Eirene, Friede zuſammen. Es wurde auf dieſe Weiſe ausgedrückt, daß der Geiſt mit der Natur keinen Krieg führe, ſofern ſie durch ihn geweiht und ge- heiligt und ſo wieder rein, unſchuldig und gottvoll ge- worden. War doch auch die von dem Gotte bezwungene Del- phyne, in der wir die Natur, als Gegenſatz des Geiſtes, erkannten, nicht ganz verſtoßen und verbannt, da ſie bei dem Erdſpalt an den Füßen des Dreifußes im innern Adyton lag. *) Dahin gehört auch, daß der Delphin, dieſes muſikaliſche und menſchenfreundliche Thier, als die gleichſam geiſtig umgewandelte und ſo mit dem Gotte verſöhnte und befreundete Delphyne oder Delphine dem Apollon heilig war; daß er ſelbſt die Geſtalt des Delphins annahm, um ſeine Kreter nach Kriſſa zu füh- ren, und als Delphinios Tempel und Verehrung hatte. Der Geiſt iſt an und für ſich kein Ungeheuer, keine bösartig verneinende Kraft und Macht; denn ſeine Nega- tivität iſt nur Mittel zum Zweck, ein Uebergangsprincip, welches verſchwindet, ſowie der Uebergang vollbracht; das Ziel iſt die abſolute Milde, Schönheit und Seligkeit. Aber er kann als ein Ungeheuer und Schreckniß der furchtbar- *) Lukian de astrol. 23.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/daumer_krone_1859
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/daumer_krone_1859/120
Zitationshilfe: Daumer, Georg Friedrich: Die dreifache Krone Rom's. Münster, 1859, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/daumer_krone_1859/120>, abgerufen am 22.11.2024.