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Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876.

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Cap. 3. Zusammenballung des Protoplasma.
einer grünlichen Färbung ist. Diese kleinen Massen verändern un-
aufhörlich ihre Form und Stellung, und ruhen niemals. Eine einzige
Masse theilt sich oft in zwei, welche sich nachher wieder vereinigen.
Ihre Bewegungen sind ziemlich langsam, und gleichen denen der
Amoeben oder der weiszen Blutkörperchen. Wir können daher fol-
gern, dasz sie aus Protoplasma bestehen. Wenn ihre Formen in Pau-
sen von wenigen Minuten skizzirt werden, so sieht man ausnahmslos,
dasz sie viele Veränderungen durchgemacht haben; und eine und die-
[Abbildung] Fig. 7. (Drosera rotundifolia) Schematische Darstellung einer und derselben Zolle, die verschie-
denen, auf einander folgenden, von den zusammengeballten Protoplasma-Massen angenommenen
Formen zeigend.
selbe Zelle ist mehrere Stunden lang beobachtet worden. Acht rohe,
aber genaue Skizzen derselben Zelle in Pausen von 2 oder 3 Minuten
gemacht, werden hier gegeben (Fig. 7) und illustriren einige der ein-
facheren und häufigsten Veränderungen. Die Zelle A enthielt, als sie
zuerst gezeichnet wurde, zwei ovale Massen von purpurnem Protoplasma
die sich berührten. Diese wurden getrennt, wie B zeigt, und dann
wieder vereinigt, wie es C darstellt. Nach Verlauf der nächsten 2 -- 3
Minuten zeigte sich eine sehr häufig zu sehende Erscheinung -- D --,
nämlich die Bildung eines auszerordentlich kleinen Kügelchens an
einem Ende einer verlängerten Masse. Dieses nahm rapid an Umfang
zu, wie in E gezeigt wird, und wurde dann wieder aufgesaugt, wie
in F, in welcher Zeit sich ein anderes Kügelchen am entgegengesetz-
ten Ende gebildet hatte.

Die oben abgebildete Zelle war von einem Tentakel eines dunkel-
rothen Blattes, welches eine kleine Motte gefangen hatte, und wurde
unter Wasser untersucht. Da ich zuerst dachte, dasz die Bewegungen
der Massen eine Folge der Aufsaugung von Wasser sein könnten,
that ich eine Fliege auf ein Blatt, und als nach 18 Stunden alle
Tentakeln gut eingebogen waren, wurden diese untersucht ohne in
Wasser getaucht zu werden. Die hier dargestellte Zelle (Fig. 8) war
von diesem Blatt, und wurde acht Mal im Lauf von 15 Minuten ge-
zeichnet. Diese Skizzen zeigen einige von den bemerkenswertheren
Veränderungen, welche das Protoplasma durchmacht. Zuerst war an

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einer grünlichen Färbung ist. Diese kleinen Massen verändern un-
aufhörlich ihre Form und Stellung, und ruhen niemals. Eine einzige
Masse theilt sich oft in zwei, welche sich nachher wieder vereinigen.
Ihre Bewegungen sind ziemlich langsam, und gleichen denen der
Amoeben oder der weiszen Blutkörperchen. Wir können daher fol-
gern, dasz sie aus Protoplasma bestehen. Wenn ihre Formen in Pau-
sen von wenigen Minuten skizzirt werden, so sieht man ausnahmslos,
dasz sie viele Veränderungen durchgemacht haben; und eine und die-
[Abbildung] Fig. 7. (Drosera rotundifolia) Schematische Darstellung einer und derselben Zolle, die verschie-
denen, auf einander folgenden, von den zusammengeballten Protoplasma-Massen angenommenen
Formen zeigend.
selbe Zelle ist mehrere Stunden lang beobachtet worden. Acht rohe,
aber genaue Skizzen derselben Zelle in Pausen von 2 oder 3 Minuten
gemacht, werden hier gegeben (Fig. 7) und illustriren einige der ein-
facheren und häufigsten Veränderungen. Die Zelle A enthielt, als sie
zuerst gezeichnet wurde, zwei ovale Massen von purpurnem Protoplasma
die sich berührten. Diese wurden getrennt, wie B zeigt, und dann
wieder vereinigt, wie es C darstellt. Nach Verlauf der nächsten 2 — 3
Minuten zeigte sich eine sehr häufig zu sehende Erscheinung — D —,
nämlich die Bildung eines auszerordentlich kleinen Kügelchens an
einem Ende einer verlängerten Masse. Dieses nahm rapid an Umfang
zu, wie in E gezeigt wird, und wurde dann wieder aufgesaugt, wie
in F, in welcher Zeit sich ein anderes Kügelchen am entgegengesetz-
ten Ende gebildet hatte.

Die oben abgebildete Zelle war von einem Tentakel eines dunkel-
rothen Blattes, welches eine kleine Motte gefangen hatte, und wurde
unter Wasser untersucht. Da ich zuerst dachte, dasz die Bewegungen
der Massen eine Folge der Aufsaugung von Wasser sein könnten,
that ich eine Fliege auf ein Blatt, und als nach 18 Stunden alle
Tentakeln gut eingebogen waren, wurden diese untersucht ohne in
Wasser getaucht zu werden. Die hier dargestellte Zelle (Fig. 8) war
von diesem Blatt, und wurde acht Mal im Lauf von 15 Minuten ge-
zeichnet. Diese Skizzen zeigen einige von den bemerkenswertheren
Veränderungen, welche das Protoplasma durchmacht. Zuerst war an

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[35/0049] Cap. 3. Zusammenballung des Protoplasma. einer grünlichen Färbung ist. Diese kleinen Massen verändern un- aufhörlich ihre Form und Stellung, und ruhen niemals. Eine einzige Masse theilt sich oft in zwei, welche sich nachher wieder vereinigen. Ihre Bewegungen sind ziemlich langsam, und gleichen denen der Amoeben oder der weiszen Blutkörperchen. Wir können daher fol- gern, dasz sie aus Protoplasma bestehen. Wenn ihre Formen in Pau- sen von wenigen Minuten skizzirt werden, so sieht man ausnahmslos, dasz sie viele Veränderungen durchgemacht haben; und eine und die- [Abbildung Fig. 7. (Drosera rotundifolia) Schematische Darstellung einer und derselben Zolle, die verschie- denen, auf einander folgenden, von den zusammengeballten Protoplasma-Massen angenommenen Formen zeigend.] selbe Zelle ist mehrere Stunden lang beobachtet worden. Acht rohe, aber genaue Skizzen derselben Zelle in Pausen von 2 oder 3 Minuten gemacht, werden hier gegeben (Fig. 7) und illustriren einige der ein- facheren und häufigsten Veränderungen. Die Zelle A enthielt, als sie zuerst gezeichnet wurde, zwei ovale Massen von purpurnem Protoplasma die sich berührten. Diese wurden getrennt, wie B zeigt, und dann wieder vereinigt, wie es C darstellt. Nach Verlauf der nächsten 2 — 3 Minuten zeigte sich eine sehr häufig zu sehende Erscheinung — D —, nämlich die Bildung eines auszerordentlich kleinen Kügelchens an einem Ende einer verlängerten Masse. Dieses nahm rapid an Umfang zu, wie in E gezeigt wird, und wurde dann wieder aufgesaugt, wie in F, in welcher Zeit sich ein anderes Kügelchen am entgegengesetz- ten Ende gebildet hatte. Die oben abgebildete Zelle war von einem Tentakel eines dunkel- rothen Blattes, welches eine kleine Motte gefangen hatte, und wurde unter Wasser untersucht. Da ich zuerst dachte, dasz die Bewegungen der Massen eine Folge der Aufsaugung von Wasser sein könnten, that ich eine Fliege auf ein Blatt, und als nach 18 Stunden alle Tentakeln gut eingebogen waren, wurden diese untersucht ohne in Wasser getaucht zu werden. Die hier dargestellte Zelle (Fig. 8) war von diesem Blatt, und wurde acht Mal im Lauf von 15 Minuten ge- zeichnet. Diese Skizzen zeigen einige von den bemerkenswertheren Veränderungen, welche das Protoplasma durchmacht. Zuerst war an 3*

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Zitationshilfe: Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876/49>, abgerufen am 19.04.2024.