Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876.

Bild:
<< vorherige Seite

Dionaea muscipula. Cap. 13.
folgte. Wenn wir bedenken, wie biegsam ein feines Haar ist, so
können wir uns eine Idee davon machen, wie leicht die von dem Ende
eines 1 Zoll langen, langsam bewegten Stückes verursachte Berührung
gewesen sein musz.

Obgleich diese Filamente für eine momentane und zarte Berüh-
rung so empfindlich sind, so sind sie doch für länger anhaltenden
Druck bei weitem weniger empfindlich als die Drüsen der Drosera.
Mehreremale gelang es mir, mit Hülfe einer mit äuszerster Langsam-
keit bewegten Nadel Stückchen von ziemlich dickem menschlichen
Haar auf die Spitze eines Filaments zu legen, und diese regten keine
Bewegung an, obschon sie mehr als zehnmal so lang waren wie die-
jenigen, die die Tentakeln der Drosera sich zu biegen veranlaszten;
und trotzdem sie in diesem letztern Falle zum groszen Theile von der
dicken Absonderung getragen wurden. Auf der andern Seite können
die Drüsen der Drosera mit einer Nadel oder irgend einem harten
Gegenstande einmal, zweimal oder selbst dreimal mit beträchtlicher
Kraft gestoszen werden, und es folgt doch keine Bewegung. Dieser
eigenthümliche Unterschied in der Natur der Empfindlichkeit der
Filamente der Dionaea und der Drüsen der Drosera steht offenbar
in Beziehung zu den Lebensgewohnheiten der beiden Pflanzen. Wenn
ein äuszerst kleines Insect sich mit seinen zarten Füszen auf den
Drüsen der Drosera niederläszt, so wird es von dem klebrigen Secrete
gefangen und der unbedeutende, indessen verlängerte Druck gibt die
Notiz von der Anwesenheit der Beute weiter, welche nun durch das
langsame Biegen der Tentakeln gesichert wird. Auf der andern Seite
sind die empfindlichen Filamente der Dionaea nicht klebrig und das
Fangen der Insecten kann nur durch ihre Empfindlichkeit für eine
augenblickliche Berührung gesichert werden, welcher das schnelle
Schlieszen der Lappen folgt.

Wie eben angeführt wurde, sind die Filamente nicht drüsig und
sondern nicht ab. Auch haben sie die Fähigkeit der Absorption
nicht, wie daraus geschlossen werden kann, dasz Tropfen einer Lösung
von kohlensaurem Ammoniak (1 Theil auf 146 Theile Wasser), auf
zwei Filamente gebracht, keine Wirkung auf den Inhalt ihrer Zellen
hervorbrachte und auch nicht die Lappen zu schlieszen veranlaszte.
Wenn indessen ein kleines Stück eines Blattes mit daran haftendem
Filament abgeschnitten und in die nämliche Lösung eingetaucht wurde,
so wurde die Flüssigkeit innerhalb der basalen Zellen beinahe augen-

Dionaea muscipula. Cap. 13.
folgte. Wenn wir bedenken, wie biegsam ein feines Haar ist, so
können wir uns eine Idee davon machen, wie leicht die von dem Ende
eines 1 Zoll langen, langsam bewegten Stückes verursachte Berührung
gewesen sein musz.

Obgleich diese Filamente für eine momentane und zarte Berüh-
rung so empfindlich sind, so sind sie doch für länger anhaltenden
Druck bei weitem weniger empfindlich als die Drüsen der Drosera.
Mehreremale gelang es mir, mit Hülfe einer mit äuszerster Langsam-
keit bewegten Nadel Stückchen von ziemlich dickem menschlichen
Haar auf die Spitze eines Filaments zu legen, und diese regten keine
Bewegung an, obschon sie mehr als zehnmal so lang waren wie die-
jenigen, die die Tentakeln der Drosera sich zu biegen veranlaszten;
und trotzdem sie in diesem letztern Falle zum groszen Theile von der
dicken Absonderung getragen wurden. Auf der andern Seite können
die Drüsen der Drosera mit einer Nadel oder irgend einem harten
Gegenstande einmal, zweimal oder selbst dreimal mit beträchtlicher
Kraft gestoszen werden, und es folgt doch keine Bewegung. Dieser
eigenthümliche Unterschied in der Natur der Empfindlichkeit der
Filamente der Dionaea und der Drüsen der Drosera steht offenbar
in Beziehung zu den Lebensgewohnheiten der beiden Pflanzen. Wenn
ein äuszerst kleines Insect sich mit seinen zarten Füszen auf den
Drüsen der Drosera niederläszt, so wird es von dem klebrigen Secrete
gefangen und der unbedeutende, indessen verlängerte Druck gibt die
Notiz von der Anwesenheit der Beute weiter, welche nun durch das
langsame Biegen der Tentakeln gesichert wird. Auf der andern Seite
sind die empfindlichen Filamente der Dionaea nicht klebrig und das
Fangen der Insecten kann nur durch ihre Empfindlichkeit für eine
augenblickliche Berührung gesichert werden, welcher das schnelle
Schlieszen der Lappen folgt.

Wie eben angeführt wurde, sind die Filamente nicht drüsig und
sondern nicht ab. Auch haben sie die Fähigkeit der Absorption
nicht, wie daraus geschlossen werden kann, dasz Tropfen einer Lösung
von kohlensaurem Ammoniak (1 Theil auf 146 Theile Wasser), auf
zwei Filamente gebracht, keine Wirkung auf den Inhalt ihrer Zellen
hervorbrachte und auch nicht die Lappen zu schlieszen veranlaszte.
Wenn indessen ein kleines Stück eines Blattes mit daran haftendem
Filament abgeschnitten und in die nämliche Lösung eingetaucht wurde,
so wurde die Flüssigkeit innerhalb der basalen Zellen beinahe augen-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0276" n="262"/><fw place="top" type="header">Dionaea muscipula. Cap. 13.</fw><lb/>
folgte. Wenn wir bedenken, wie biegsam ein feines Haar ist, so<lb/>
können wir uns eine Idee davon machen, wie leicht die von dem Ende<lb/>
eines 1 Zoll langen, langsam bewegten Stückes verursachte Berührung<lb/>
gewesen sein musz.</p><lb/>
          <p>Obgleich diese Filamente für eine momentane und zarte Berüh-<lb/>
rung so empfindlich sind, so sind sie doch für länger anhaltenden<lb/>
Druck bei weitem weniger empfindlich als die Drüsen der <hi rendition="#i">Drosera.</hi><lb/>
Mehreremale gelang es mir, mit Hülfe einer mit äuszerster Langsam-<lb/>
keit bewegten Nadel Stückchen von ziemlich dickem menschlichen<lb/>
Haar auf die Spitze eines Filaments zu legen, und diese regten keine<lb/>
Bewegung an, obschon sie mehr als zehnmal so lang waren wie die-<lb/>
jenigen, die die Tentakeln der <hi rendition="#i">Drosera</hi> sich zu biegen veranlaszten;<lb/>
und trotzdem sie in diesem letztern Falle zum groszen Theile von der<lb/>
dicken Absonderung getragen wurden. Auf der andern Seite können<lb/>
die Drüsen der <hi rendition="#i">Drosera</hi> mit einer Nadel oder irgend einem harten<lb/>
Gegenstande einmal, zweimal oder selbst dreimal mit beträchtlicher<lb/>
Kraft gestoszen werden, und es folgt doch keine Bewegung. Dieser<lb/>
eigenthümliche Unterschied in der Natur der Empfindlichkeit der<lb/>
Filamente der <hi rendition="#i">Dionaea</hi> und der Drüsen der <hi rendition="#i">Drosera</hi> steht offenbar<lb/>
in Beziehung zu den Lebensgewohnheiten der beiden Pflanzen. Wenn<lb/>
ein äuszerst kleines Insect sich mit seinen zarten Füszen auf den<lb/>
Drüsen der <hi rendition="#i">Drosera</hi> niederläszt, so wird es von dem klebrigen Secrete<lb/>
gefangen und der unbedeutende, indessen verlängerte Druck gibt die<lb/>
Notiz von der Anwesenheit der Beute weiter, welche nun durch das<lb/>
langsame Biegen der Tentakeln gesichert wird. Auf der andern Seite<lb/>
sind die empfindlichen Filamente der <hi rendition="#i">Dionaea</hi> nicht klebrig und das<lb/>
Fangen der Insecten kann nur durch ihre Empfindlichkeit für eine<lb/>
augenblickliche Berührung gesichert werden, welcher das schnelle<lb/>
Schlieszen der Lappen folgt.</p><lb/>
          <p>Wie eben angeführt wurde, sind die Filamente nicht drüsig und<lb/>
sondern nicht ab. Auch haben sie die Fähigkeit der Absorption<lb/>
nicht, wie daraus geschlossen werden kann, dasz Tropfen einer Lösung<lb/>
von kohlensaurem Ammoniak (1 Theil auf 146 Theile Wasser), auf<lb/>
zwei Filamente gebracht, keine Wirkung auf den Inhalt ihrer Zellen<lb/>
hervorbrachte und auch nicht die Lappen zu schlieszen veranlaszte.<lb/>
Wenn indessen ein kleines Stück eines Blattes mit daran haftendem<lb/>
Filament abgeschnitten und in die nämliche Lösung eingetaucht wurde,<lb/>
so wurde die Flüssigkeit innerhalb der basalen Zellen beinahe augen-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[262/0276] Dionaea muscipula. Cap. 13. folgte. Wenn wir bedenken, wie biegsam ein feines Haar ist, so können wir uns eine Idee davon machen, wie leicht die von dem Ende eines 1 Zoll langen, langsam bewegten Stückes verursachte Berührung gewesen sein musz. Obgleich diese Filamente für eine momentane und zarte Berüh- rung so empfindlich sind, so sind sie doch für länger anhaltenden Druck bei weitem weniger empfindlich als die Drüsen der Drosera. Mehreremale gelang es mir, mit Hülfe einer mit äuszerster Langsam- keit bewegten Nadel Stückchen von ziemlich dickem menschlichen Haar auf die Spitze eines Filaments zu legen, und diese regten keine Bewegung an, obschon sie mehr als zehnmal so lang waren wie die- jenigen, die die Tentakeln der Drosera sich zu biegen veranlaszten; und trotzdem sie in diesem letztern Falle zum groszen Theile von der dicken Absonderung getragen wurden. Auf der andern Seite können die Drüsen der Drosera mit einer Nadel oder irgend einem harten Gegenstande einmal, zweimal oder selbst dreimal mit beträchtlicher Kraft gestoszen werden, und es folgt doch keine Bewegung. Dieser eigenthümliche Unterschied in der Natur der Empfindlichkeit der Filamente der Dionaea und der Drüsen der Drosera steht offenbar in Beziehung zu den Lebensgewohnheiten der beiden Pflanzen. Wenn ein äuszerst kleines Insect sich mit seinen zarten Füszen auf den Drüsen der Drosera niederläszt, so wird es von dem klebrigen Secrete gefangen und der unbedeutende, indessen verlängerte Druck gibt die Notiz von der Anwesenheit der Beute weiter, welche nun durch das langsame Biegen der Tentakeln gesichert wird. Auf der andern Seite sind die empfindlichen Filamente der Dionaea nicht klebrig und das Fangen der Insecten kann nur durch ihre Empfindlichkeit für eine augenblickliche Berührung gesichert werden, welcher das schnelle Schlieszen der Lappen folgt. Wie eben angeführt wurde, sind die Filamente nicht drüsig und sondern nicht ab. Auch haben sie die Fähigkeit der Absorption nicht, wie daraus geschlossen werden kann, dasz Tropfen einer Lösung von kohlensaurem Ammoniak (1 Theil auf 146 Theile Wasser), auf zwei Filamente gebracht, keine Wirkung auf den Inhalt ihrer Zellen hervorbrachte und auch nicht die Lappen zu schlieszen veranlaszte. Wenn indessen ein kleines Stück eines Blattes mit daran haftendem Filament abgeschnitten und in die nämliche Lösung eingetaucht wurde, so wurde die Flüssigkeit innerhalb der basalen Zellen beinahe augen-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876/276
Zitationshilfe: Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876/276>, abgerufen am 17.05.2024.