Das Eintauchen in eine Lösung von einem Theil Gold-Chlorid oder einigen andren Salzen auf 437 Theile Wasser reizt die Drüse zu einer bedeutend verstärkten Absonderung an; auf der andern Seite bringt weinsteinsaures Antimon keine solche Wirkung hervor. Das Eintauchen in viele Säuren (ein Theil auf 437 Theile Wasser, stark) verursacht ebenfalls eine wunderbare Menge Absonderung, so dasz, wenn die Blät- ter herausgenommen werden, lange Fäden von auszerordentlich zäher Flüszigkeit von ihnen herabhängen. Andrerseits wirken einige Säuren nicht auf diese Weise. Die verstärkte Absonderung hängt nicht noth- wendigerweise von der Einbiegung der Tentakeln ab, denn Theilchen von Zucker und schwefelsaurem Zink verursachen keine solche Be- wegung.
Es ist eine viel merkwürdigere Thatsache, dasz wenn ein Gegen- stand, wie ein Stückchen Fleisch oder ein Insect auf die Scheibe des Blattes gelegt wird, sobald die umgebenden Tentakeln beträchtlich eingebogen werden, ihre Drüsen eine verstärkte Menge von Absonde- rung ergieszen. Ich vergewisserte mich dieser Thatsache dadurch, dasz ich Blätter mit gleich groszen Tropfen auf beiden Seiten aus- wählte und Stückchen Fleisch auf die eine Seite der Scheibe that; sobald als die Tentakeln auf dieser Seite sehr eingebogen wurden, aber noch ehe die Drüsen das Fleisch berührten, wurden die abgesonderten Tropfen gröszer. Dies wurde wiederholt beobachtet, aber nur dreizehn Fälle wurden protocollirt; in neun derselben wurde verstärkte Abson- derung deutlich bemerkt; dasz vier Versuche mislangen, daran war Schuld, entweder, dasz die Blätter im Ganzen torpid, oder dasz die Stückchen Fleisch zu klein waren, um eine starke Einbiegung zu ver- ursachen. Wir müssen daher schlieszen, dasz die mittleren Drüsen, wenn sie stark gereizt werden, einen gewissen Einflusz auf die Drüsen der randständigen Tentakeln äuszern, welcher dieselben veranlaszt, reichlicher abzusondern.
Es ist eine noch bedeutungsvollere Thatsache (wie wir noch aus- führlicher sehen werden, wenn wir die verdauende Kraft des Secrets behandeln), dasz, wenn die Tentakeln eingebogen werden, in Folge da- von, dasz die mittleren Drüsen mechanisch oder durch Berührung mit thierischer Substanz gereizt worden sind, die Absonderung nicht nur an Menge zunimmt, sondern auch ihre Beschaffenheit verändert und sauer wird; und zwar findet dies statt, ehe die Drüsen den Gegen- stand auf der Mitte des Blattes berührt haben. Diese Säure ist von
Drosera rotundifolia. Cap. 1.
Das Eintauchen in eine Lösung von einem Theil Gold-Chlorid oder einigen andren Salzen auf 437 Theile Wasser reizt die Drüse zu einer bedeutend verstärkten Absonderung an; auf der andern Seite bringt weinsteinsaures Antimon keine solche Wirkung hervor. Das Eintauchen in viele Säuren (ein Theil auf 437 Theile Wasser, stark) verursacht ebenfalls eine wunderbare Menge Absonderung, so dasz, wenn die Blät- ter herausgenommen werden, lange Fäden von auszerordentlich zäher Flüszigkeit von ihnen herabhängen. Andrerseits wirken einige Säuren nicht auf diese Weise. Die verstärkte Absonderung hängt nicht noth- wendigerweise von der Einbiegung der Tentakeln ab, denn Theilchen von Zucker und schwefelsaurem Zink verursachen keine solche Be- wegung.
Es ist eine viel merkwürdigere Thatsache, dasz wenn ein Gegen- stand, wie ein Stückchen Fleisch oder ein Insect auf die Scheibe des Blattes gelegt wird, sobald die umgebenden Tentakeln beträchtlich eingebogen werden, ihre Drüsen eine verstärkte Menge von Absonde- rung ergieszen. Ich vergewisserte mich dieser Thatsache dadurch, dasz ich Blätter mit gleich groszen Tropfen auf beiden Seiten aus- wählte und Stückchen Fleisch auf die eine Seite der Scheibe that; sobald als die Tentakeln auf dieser Seite sehr eingebogen wurden, aber noch ehe die Drüsen das Fleisch berührten, wurden die abgesonderten Tropfen gröszer. Dies wurde wiederholt beobachtet, aber nur dreizehn Fälle wurden protocollirt; in neun derselben wurde verstärkte Abson- derung deutlich bemerkt; dasz vier Versuche mislangen, daran war Schuld, entweder, dasz die Blätter im Ganzen torpid, oder dasz die Stückchen Fleisch zu klein waren, um eine starke Einbiegung zu ver- ursachen. Wir müssen daher schlieszen, dasz die mittleren Drüsen, wenn sie stark gereizt werden, einen gewissen Einflusz auf die Drüsen der randständigen Tentakeln äuszern, welcher dieselben veranlaszt, reichlicher abzusondern.
Es ist eine noch bedeutungsvollere Thatsache (wie wir noch aus- führlicher sehen werden, wenn wir die verdauende Kraft des Secrets behandeln), dasz, wenn die Tentakeln eingebogen werden, in Folge da- von, dasz die mittleren Drüsen mechanisch oder durch Berührung mit thierischer Substanz gereizt worden sind, die Absonderung nicht nur an Menge zunimmt, sondern auch ihre Beschaffenheit verändert und sauer wird; und zwar findet dies statt, ehe die Drüsen den Gegen- stand auf der Mitte des Blattes berührt haben. Diese Säure ist von
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Drosera rotundifolia. Cap. 1.
Das Eintauchen in eine Lösung von einem Theil Gold-Chlorid oder
einigen andren Salzen auf 437 Theile Wasser reizt die Drüse zu einer
bedeutend verstärkten Absonderung an; auf der andern Seite bringt
weinsteinsaures Antimon keine solche Wirkung hervor. Das Eintauchen
in viele Säuren (ein Theil auf 437 Theile Wasser, stark) verursacht
ebenfalls eine wunderbare Menge Absonderung, so dasz, wenn die Blät-
ter herausgenommen werden, lange Fäden von auszerordentlich zäher
Flüszigkeit von ihnen herabhängen. Andrerseits wirken einige Säuren
nicht auf diese Weise. Die verstärkte Absonderung hängt nicht noth-
wendigerweise von der Einbiegung der Tentakeln ab, denn Theilchen
von Zucker und schwefelsaurem Zink verursachen keine solche Be-
wegung.
Es ist eine viel merkwürdigere Thatsache, dasz wenn ein Gegen-
stand, wie ein Stückchen Fleisch oder ein Insect auf die Scheibe des
Blattes gelegt wird, sobald die umgebenden Tentakeln beträchtlich
eingebogen werden, ihre Drüsen eine verstärkte Menge von Absonde-
rung ergieszen. Ich vergewisserte mich dieser Thatsache dadurch,
dasz ich Blätter mit gleich groszen Tropfen auf beiden Seiten aus-
wählte und Stückchen Fleisch auf die eine Seite der Scheibe that;
sobald als die Tentakeln auf dieser Seite sehr eingebogen wurden, aber
noch ehe die Drüsen das Fleisch berührten, wurden die abgesonderten
Tropfen gröszer. Dies wurde wiederholt beobachtet, aber nur dreizehn
Fälle wurden protocollirt; in neun derselben wurde verstärkte Abson-
derung deutlich bemerkt; dasz vier Versuche mislangen, daran war
Schuld, entweder, dasz die Blätter im Ganzen torpid, oder dasz die
Stückchen Fleisch zu klein waren, um eine starke Einbiegung zu ver-
ursachen. Wir müssen daher schlieszen, dasz die mittleren Drüsen,
wenn sie stark gereizt werden, einen gewissen Einflusz auf die Drüsen
der randständigen Tentakeln äuszern, welcher dieselben veranlaszt,
reichlicher abzusondern.
Es ist eine noch bedeutungsvollere Thatsache (wie wir noch aus-
führlicher sehen werden, wenn wir die verdauende Kraft des Secrets
behandeln), dasz, wenn die Tentakeln eingebogen werden, in Folge da-
von, dasz die mittleren Drüsen mechanisch oder durch Berührung mit
thierischer Substanz gereizt worden sind, die Absonderung nicht nur
an Menge zunimmt, sondern auch ihre Beschaffenheit verändert und
sauer wird; und zwar findet dies statt, ehe die Drüsen den Gegen-
stand auf der Mitte des Blattes berührt haben. Diese Säure ist von
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Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876/26>, abgerufen am 03.07.2024.
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