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Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876.

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Cap. 1. Secret der Drüsen.
während die dritte Scheibe durchaus gar nicht afficirt wurde, obgleich
die Tentakeln genau so dicht eingebogen waren, wie in den beiden
vorhergehenden Fällen. Gewöhnlich erhebt sich auch oder biegt sich
die ganze Scheibe aufwärts und bildet so einen kleineren Winkel mit
dem Stiel als vorher. Dies erscheint auf den ersten Blick als eine
bestimmte Art von Bewegung, aber sie geht aus der Einbiegung des
Theils des Randes hervor, welcher an den Stiel befestigt ist, wodurch
die Scheibe als ein Ganzes sich zu krümmen oder nach oben zu be-
wegen veranlaszt wird.

Die Länge der Zeit, während welcher die Tentakeln sowohl als
die Scheibe über einen auf der letztern liegenden Gegenstand zusam-
men gebogen bleiben, hängt von verschiedenen Umständen ab; nämlich
von der Lebenskraft und dem Alter des Blattes, und der Angabe
Dr. Nitschke's zufolge, von der Temperatur, denn während kaltem
Wetters, wenn die Blätter unthätig sind, strecken sie sich in einer
früheren Zeit wieder aus, als wenn das Wetter warm ist. Aber die
Beschaffenheit des fremden Körpers ist bei Weitem der wichtigste Um-
stand; ich habe wiederholt gefunden, dasz die Tentakeln eine durch-
schnittlich viel längere Zeit über Gegenständen zusammen geschlagen
bleiben, welche auflösliche, stickstoffhaltige Substanzen darbieten, als
über solchen, mögen es nun organische oder unorganische sein, welche
keine solche Substanz hergeben. Nach einer von einem bis zu sieben
Tagen variirenden Periode strecken sich die Tentakeln wieder aus und
sind dann bereit, von Neuem in Thätigkeit zu treten. Ich habe das-
selbe Blatt sich drei aufeinander folgende Male über Insecten biegen
sehen, welche auf die Scheibe gelegt waren; und wahrscheinlich würde
es noch öfter so gehandelt haben.

Die Absonderung der Drüsen ist auszerordentlich klebrig, so dasz
sie in lange Fäden aufgezogen werden kann. Sie erscheint farblos,
aber färbt kleine Kugeln von Papier blasz rosa. Ein Gegenstand irgend
welcher Art verursacht, wie ich glaube, wenn er auf die Drüse gelegt
wird, eine noch reichlichere Absonderung; aber schon die blosze An-
wesenheit des Körpers macht es schwierig, dies festzustellen. In eini-
gen Fällen jedoch war die Wirkung deutlich bemerkbar, so wenn Theil-
chen von Zucker dazu gethan wurden; das Resultat ist aber in diesem
Falle wahrscheinlich eine Folge der Exosmose. Stückchen von kohlen-
saurem und phosphorsaurem Ammoniak und einigen andren Salzen,
z. B. schwefelsaurem Zink, vermehren gleichfalls die Absonderung.

Cap. 1. Secret der Drüsen.
während die dritte Scheibe durchaus gar nicht afficirt wurde, obgleich
die Tentakeln genau so dicht eingebogen waren, wie in den beiden
vorhergehenden Fällen. Gewöhnlich erhebt sich auch oder biegt sich
die ganze Scheibe aufwärts und bildet so einen kleineren Winkel mit
dem Stiel als vorher. Dies erscheint auf den ersten Blick als eine
bestimmte Art von Bewegung, aber sie geht aus der Einbiegung des
Theils des Randes hervor, welcher an den Stiel befestigt ist, wodurch
die Scheibe als ein Ganzes sich zu krümmen oder nach oben zu be-
wegen veranlaszt wird.

Die Länge der Zeit, während welcher die Tentakeln sowohl als
die Scheibe über einen auf der letztern liegenden Gegenstand zusam-
men gebogen bleiben, hängt von verschiedenen Umständen ab; nämlich
von der Lebenskraft und dem Alter des Blattes, und der Angabe
Dr. Nitschke’s zufolge, von der Temperatur, denn während kaltem
Wetters, wenn die Blätter unthätig sind, strecken sie sich in einer
früheren Zeit wieder aus, als wenn das Wetter warm ist. Aber die
Beschaffenheit des fremden Körpers ist bei Weitem der wichtigste Um-
stand; ich habe wiederholt gefunden, dasz die Tentakeln eine durch-
schnittlich viel längere Zeit über Gegenständen zusammen geschlagen
bleiben, welche auflösliche, stickstoffhaltige Substanzen darbieten, als
über solchen, mögen es nun organische oder unorganische sein, welche
keine solche Substanz hergeben. Nach einer von einem bis zu sieben
Tagen variirenden Periode strecken sich die Tentakeln wieder aus und
sind dann bereit, von Neuem in Thätigkeit zu treten. Ich habe das-
selbe Blatt sich drei aufeinander folgende Male über Insecten biegen
sehen, welche auf die Scheibe gelegt waren; und wahrscheinlich würde
es noch öfter so gehandelt haben.

Die Absonderung der Drüsen ist auszerordentlich klebrig, so dasz
sie in lange Fäden aufgezogen werden kann. Sie erscheint farblos,
aber färbt kleine Kugeln von Papier blasz rosa. Ein Gegenstand irgend
welcher Art verursacht, wie ich glaube, wenn er auf die Drüse gelegt
wird, eine noch reichlichere Absonderung; aber schon die blosze An-
wesenheit des Körpers macht es schwierig, dies festzustellen. In eini-
gen Fällen jedoch war die Wirkung deutlich bemerkbar, so wenn Theil-
chen von Zucker dazu gethan wurden; das Resultat ist aber in diesem
Falle wahrscheinlich eine Folge der Exosmose. Stückchen von kohlen-
saurem und phosphorsaurem Ammoniak und einigen andren Salzen,
z. B. schwefelsaurem Zink, vermehren gleichfalls die Absonderung.

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[11/0025] Cap. 1. Secret der Drüsen. während die dritte Scheibe durchaus gar nicht afficirt wurde, obgleich die Tentakeln genau so dicht eingebogen waren, wie in den beiden vorhergehenden Fällen. Gewöhnlich erhebt sich auch oder biegt sich die ganze Scheibe aufwärts und bildet so einen kleineren Winkel mit dem Stiel als vorher. Dies erscheint auf den ersten Blick als eine bestimmte Art von Bewegung, aber sie geht aus der Einbiegung des Theils des Randes hervor, welcher an den Stiel befestigt ist, wodurch die Scheibe als ein Ganzes sich zu krümmen oder nach oben zu be- wegen veranlaszt wird. Die Länge der Zeit, während welcher die Tentakeln sowohl als die Scheibe über einen auf der letztern liegenden Gegenstand zusam- men gebogen bleiben, hängt von verschiedenen Umständen ab; nämlich von der Lebenskraft und dem Alter des Blattes, und der Angabe Dr. Nitschke’s zufolge, von der Temperatur, denn während kaltem Wetters, wenn die Blätter unthätig sind, strecken sie sich in einer früheren Zeit wieder aus, als wenn das Wetter warm ist. Aber die Beschaffenheit des fremden Körpers ist bei Weitem der wichtigste Um- stand; ich habe wiederholt gefunden, dasz die Tentakeln eine durch- schnittlich viel längere Zeit über Gegenständen zusammen geschlagen bleiben, welche auflösliche, stickstoffhaltige Substanzen darbieten, als über solchen, mögen es nun organische oder unorganische sein, welche keine solche Substanz hergeben. Nach einer von einem bis zu sieben Tagen variirenden Periode strecken sich die Tentakeln wieder aus und sind dann bereit, von Neuem in Thätigkeit zu treten. Ich habe das- selbe Blatt sich drei aufeinander folgende Male über Insecten biegen sehen, welche auf die Scheibe gelegt waren; und wahrscheinlich würde es noch öfter so gehandelt haben. Die Absonderung der Drüsen ist auszerordentlich klebrig, so dasz sie in lange Fäden aufgezogen werden kann. Sie erscheint farblos, aber färbt kleine Kugeln von Papier blasz rosa. Ein Gegenstand irgend welcher Art verursacht, wie ich glaube, wenn er auf die Drüse gelegt wird, eine noch reichlichere Absonderung; aber schon die blosze An- wesenheit des Körpers macht es schwierig, dies festzustellen. In eini- gen Fällen jedoch war die Wirkung deutlich bemerkbar, so wenn Theil- chen von Zucker dazu gethan wurden; das Resultat ist aber in diesem Falle wahrscheinlich eine Folge der Exosmose. Stückchen von kohlen- saurem und phosphorsaurem Ammoniak und einigen andren Salzen, z. B. schwefelsaurem Zink, vermehren gleichfalls die Absonderung.

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Zitationshilfe: Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876/25>, abgerufen am 28.03.2024.