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Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876.

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Drosera rotundifolia. Cap. 1.
schiedenen Reizmitteln beeinfluszt. Sie bestehen aus einer äuszeren Schicht
von kleinen polygonalen Zellen, welche eine purpurne körnige Substanz
oder Flüssigkeit enthalten und dickere Wände als die Stielzellen besitzen.
Innerhalb dieser Zellenschicht liegt eine innere, aus anders geformten
Zellen bestehend, welche gleichfalls mit purpurner Flüssigkeit, aber von
einer unbedeutend verschiedenen Färbung gefüllt sind und sich auch gegen
Gold-Chlorid verschieden verhalten. Diese beiden Schichten sind zuweilen
gut zu sehen, wenn eine Drüse zerdrückt oder in Ätzkali gekocht worden
ist. Der Angabe Dr. Warming's zufolge ist noch eine andere Schicht von
viel verlängerteren Zellen vorhanden, wie in dem beistehenden, aus seinem
Werke copirten Durchschnitt (Fig. 3), dargestellt ist. Diese Zellen wur-
den weder von Dr. Nitschke noch von mir gesehen. In der Mitte ist
eine Gruppe verlängerter cylindrischer Zellen von ungleicher Länge, welche
stumpf zugespitzt an ihren oberen, und abgestutzt oder abgerundet an
ihren unteren Enden, dicht an einander gedrückt und dadurch merkwür-
dig sind, dasz sie von einer Spirallinie umgeben werden, welche als eine
besondere Faser abgetrennt werden kann.

Diese letzteren Zellen sind mit einer klaren Flüssigkeit erfüllt, aus
welcher sich nach langem Eintauchen in Alkohol viel braune Substanz
niederschlägt. Ich vermuthe, dasz sie mit den Spiralgefässen, welche in
den Tentakeln hinauflaufen, factisch zusammenhängen; denn bei mehreren
Gelegenheiten wurde gesehen, wie die Letzteren sich in zwei oder drei
äuszerst dünne Zweige theilten, welche bis dicht an die spiralfadenhalten-
den Zellen verfolgt werden konnten. Ihre Entwickelung ist von Dr.
Warming beschrieben worden. Zellen derselben Art sind auch in andern
Pflanzen beobachtet worden, wie ich von Dr. Hooker höre, und wurden
von mir in den Rändern der Blätter der Pinguicula gesehen. Was auch
ihre Function sein mag, sie sind weder nothwendig für die Absonderung
der verdauenden Flüssigkeit, noch für die Aufsaugung, noch für die Mit-
theilung eines Bewegungsreizes an andere Theile des Blattes, wie wir aus
der Bauart der Drüsen bei einigen andern Gattungen der Droseraceen
schlieszen können.

Die äuszersten randständigen Tentakeln sind unbedeutend verschieden
von den andern. Ihre Basen sind breiter und auszer ihren eignen Ge-
fäszen erhalten sie noch einen schönen Zweig von denen, welche auf jeder
Blatthälfte in die Tentakeln eintreten. Ihre Drüsen sind sehr verlängert
und liegen auf der oberen Fläche des Stengels eingebettet, anstatt an der
Spitze zu stehen. In andrer Hinsicht sind sie nicht wesentlich verschie-
den von den ovalen und in einem Exemplar fand ich jeden möglichen
Uebergang zwischen den beiden Formzuständen. In einem andern Exem-
plar waren keine langköpfigen Drüsen vorhanden. Diese randständigen
Tentakeln verlieren ihre Reizbarkeit eher als die andern, und wenn ein
Reiz auf die Mitte des Blattes gebracht wird, werden sie erst nach
den andern zur Thätigkeit erregt. Wenn abgeschnittene Blätter in Wasser
eingetaucht werden, werden sie oft allein gebogen.

Die purpurne Flüssigkeit oder körnige Substanz, welche die Zellen
der Drüsen erfüllt, ist bis zu einem gewissen Grade verschieden von der
in den Zellen der Stengel. Denn wenn ein Blatt in heiszes Wasser oder
gewisse Säuren gethan wird, werden die Drüsen ganz weisz und undurch-

Drosera rotundifolia. Cap. 1.
schiedenen Reizmitteln beeinfluszt. Sie bestehen aus einer äuszeren Schicht
von kleinen polygonalen Zellen, welche eine purpurne körnige Substanz
oder Flüssigkeit enthalten und dickere Wände als die Stielzellen besitzen.
Innerhalb dieser Zellenschicht liegt eine innere, aus anders geformten
Zellen bestehend, welche gleichfalls mit purpurner Flüssigkeit, aber von
einer unbedeutend verschiedenen Färbung gefüllt sind und sich auch gegen
Gold-Chlorid verschieden verhalten. Diese beiden Schichten sind zuweilen
gut zu sehen, wenn eine Drüse zerdrückt oder in Ätzkali gekocht worden
ist. Der Angabe Dr. Warming’s zufolge ist noch eine andere Schicht von
viel verlängerteren Zellen vorhanden, wie in dem beistehenden, aus seinem
Werke copirten Durchschnitt (Fig. 3), dargestellt ist. Diese Zellen wur-
den weder von Dr. Nitschke noch von mir gesehen. In der Mitte ist
eine Gruppe verlängerter cylindrischer Zellen von ungleicher Länge, welche
stumpf zugespitzt an ihren oberen, und abgestutzt oder abgerundet an
ihren unteren Enden, dicht an einander gedrückt und dadurch merkwür-
dig sind, dasz sie von einer Spirallinie umgeben werden, welche als eine
besondere Faser abgetrennt werden kann.

Diese letzteren Zellen sind mit einer klaren Flüssigkeit erfüllt, aus
welcher sich nach langem Eintauchen in Alkohol viel braune Substanz
niederschlägt. Ich vermuthe, dasz sie mit den Spiralgefässen, welche in
den Tentakeln hinauflaufen, factisch zusammenhängen; denn bei mehreren
Gelegenheiten wurde gesehen, wie die Letzteren sich in zwei oder drei
äuszerst dünne Zweige theilten, welche bis dicht an die spiralfadenhalten-
den Zellen verfolgt werden konnten. Ihre Entwickelung ist von Dr.
Warming beschrieben worden. Zellen derselben Art sind auch in andern
Pflanzen beobachtet worden, wie ich von Dr. Hooker höre, und wurden
von mir in den Rändern der Blätter der Pinguicula gesehen. Was auch
ihre Function sein mag, sie sind weder nothwendig für die Absonderung
der verdauenden Flüssigkeit, noch für die Aufsaugung, noch für die Mit-
theilung eines Bewegungsreizes an andere Theile des Blattes, wie wir aus
der Bauart der Drüsen bei einigen andern Gattungen der Droseraceen
schlieszen können.

Die äuszersten randständigen Tentakeln sind unbedeutend verschieden
von den andern. Ihre Basen sind breiter und auszer ihren eignen Ge-
fäszen erhalten sie noch einen schönen Zweig von denen, welche auf jeder
Blatthälfte in die Tentakeln eintreten. Ihre Drüsen sind sehr verlängert
und liegen auf der oberen Fläche des Stengels eingebettet, anstatt an der
Spitze zu stehen. In andrer Hinsicht sind sie nicht wesentlich verschie-
den von den ovalen und in einem Exemplar fand ich jeden möglichen
Uebergang zwischen den beiden Formzuständen. In einem andern Exem-
plar waren keine langköpfigen Drüsen vorhanden. Diese randständigen
Tentakeln verlieren ihre Reizbarkeit eher als die andern, und wenn ein
Reiz auf die Mitte des Blattes gebracht wird, werden sie erst nach
den andern zur Thätigkeit erregt. Wenn abgeschnittene Blätter in Wasser
eingetaucht werden, werden sie oft allein gebogen.

Die purpurne Flüssigkeit oder körnige Substanz, welche die Zellen
der Drüsen erfüllt, ist bis zu einem gewissen Grade verschieden von der
in den Zellen der Stengel. Denn wenn ein Blatt in heiszes Wasser oder
gewisse Säuren gethan wird, werden die Drüsen ganz weisz und undurch-

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Zitationshilfe: Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876/20>, abgerufen am 25.04.2024.