welche zwei oder drei Tage lang mit den klebrigen Massen in Be- rührung geblieben waren, waren nicht entfärbt und hatten dem An- scheine nach wenig von dem verflüssigten Gewebe absorbirt, oder waren nur wenig von ihm afficirt worden.
Phosphorsaurer Kalk. -- Da, wie wir gesehen haben, die Tentakeln der ersten Reihe Blätter neun oder zehn Tage lang über minutiösen Knochenfragmenten eingeschlagen geblieben waren, die Ten- takeln der Blätter der zweiten Reihe über denselben Fragmenten sechs oder sieben Tage lang, so wurde ich auf die Vermuthung ge- führt, dasz es der phosphorsaure Kalk und nicht irgend welche ein- geschlossene thierische Substanz sei, welcher eine so lange andauernde Einbiegung bewirke. Nach dem, was soeben erst gezeigt worden ist, ist es wenigstens sicher, dasz letztere nicht in Folge der Anwesen- heit der fasrigen Grundsubstanz eintrat. Bei Schmelz und Zahnbein (ersterer enthält nur 4 Procent organischer Substanz) blieben die Tentakeln zweier nach einander versuchter Reihen von Blättern im Ganzen elf Tage lang eingebogen. Um meine Meinung über die Wirksamkeit des phosphorsauren Kalks zu prüfen, verschaffte ich mir durch Professor Frankland etwas von thierischer Substanz und von irgend einer Säure absolut freies Phosphat. Eine kleine mit Wasser angefeuchtete Quantität wurde auf die Scheiben von zwei Blättern gebracht. Eines derselben wurde nur unbedeutend afficirt; das andere blieb zehn Tage lang dicht eingebogen, worauf dann einige wenige Tentakeln sich wieder auszustrecken begannen, während die übrigen bedeutend beschädigt oder getödtet waren. Ich wiederholte das Ex- periment, befeuchtete aber das Phosphat mit Speichel, um einer sofor- tigen Einbiegung mich zu versichern. Ein Blatt blieb sechs Tage lang eingebogen (die geringe Menge des angewandten Speichels würde auch nicht annähernd so lange gewirkt haben) und starb dann ab; das andere Blatt versuchte am sechsten Tage sich wieder auszubrei- ten, es gelang ihm aber nach neun Tagen nicht, dann starb es gleichfalls. Obgleich die diesen vier Blättern gegebene Quantität von Phosphat äuszerst klein war, blieb doch in allen Fällen viel ungelöst zurück. Eine gröszere mit Wasser befeuchtete Quantität wurde nun zunächst auf die Scheiben von drei Blättern gebracht; diese wurden im Laufe von 24 Stunden äuszerst stark eingebogen. Sie breiteten sich niemals wieder aus; am vierten Tage sahen sie kränklich aus und am sechsten waren sie beinahe todt. Grosze Tropfen nicht sehr
Darwin, Insectenfressende Pflanzen. (VIII.) 7
Cap. 6. Verdauung.
welche zwei oder drei Tage lang mit den klebrigen Massen in Be- rührung geblieben waren, waren nicht entfärbt und hatten dem An- scheine nach wenig von dem verflüssigten Gewebe absorbirt, oder waren nur wenig von ihm afficirt worden.
Phosphorsaurer Kalk. — Da, wie wir gesehen haben, die Tentakeln der ersten Reihe Blätter neun oder zehn Tage lang über minutiösen Knochenfragmenten eingeschlagen geblieben waren, die Ten- takeln der Blätter der zweiten Reihe über denselben Fragmenten sechs oder sieben Tage lang, so wurde ich auf die Vermuthung ge- führt, dasz es der phosphorsaure Kalk und nicht irgend welche ein- geschlossene thierische Substanz sei, welcher eine so lange andauernde Einbiegung bewirke. Nach dem, was soeben erst gezeigt worden ist, ist es wenigstens sicher, dasz letztere nicht in Folge der Anwesen- heit der fasrigen Grundsubstanz eintrat. Bei Schmelz und Zahnbein (ersterer enthält nur 4 Procent organischer Substanz) blieben die Tentakeln zweier nach einander versuchter Reihen von Blättern im Ganzen elf Tage lang eingebogen. Um meine Meinung über die Wirksamkeit des phosphorsauren Kalks zu prüfen, verschaffte ich mir durch Professor Frankland etwas von thierischer Substanz und von irgend einer Säure absolut freies Phosphat. Eine kleine mit Wasser angefeuchtete Quantität wurde auf die Scheiben von zwei Blättern gebracht. Eines derselben wurde nur unbedeutend afficirt; das andere blieb zehn Tage lang dicht eingebogen, worauf dann einige wenige Tentakeln sich wieder auszustrecken begannen, während die übrigen bedeutend beschädigt oder getödtet waren. Ich wiederholte das Ex- periment, befeuchtete aber das Phosphat mit Speichel, um einer sofor- tigen Einbiegung mich zu versichern. Ein Blatt blieb sechs Tage lang eingebogen (die geringe Menge des angewandten Speichels würde auch nicht annähernd so lange gewirkt haben) und starb dann ab; das andere Blatt versuchte am sechsten Tage sich wieder auszubrei- ten, es gelang ihm aber nach neun Tagen nicht, dann starb es gleichfalls. Obgleich die diesen vier Blättern gegebene Quantität von Phosphat äuszerst klein war, blieb doch in allen Fällen viel ungelöst zurück. Eine gröszere mit Wasser befeuchtete Quantität wurde nun zunächst auf die Scheiben von drei Blättern gebracht; diese wurden im Laufe von 24 Stunden äuszerst stark eingebogen. Sie breiteten sich niemals wieder aus; am vierten Tage sahen sie kränklich aus und am sechsten waren sie beinahe todt. Grosze Tropfen nicht sehr
Darwin, Insectenfressende Pflanzen. (VIII.) 7
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Cap. 6. Verdauung.
welche zwei oder drei Tage lang mit den klebrigen Massen in Be-
rührung geblieben waren, waren nicht entfärbt und hatten dem An-
scheine nach wenig von dem verflüssigten Gewebe absorbirt, oder
waren nur wenig von ihm afficirt worden.
Phosphorsaurer Kalk. — Da, wie wir gesehen haben, die
Tentakeln der ersten Reihe Blätter neun oder zehn Tage lang über
minutiösen Knochenfragmenten eingeschlagen geblieben waren, die Ten-
takeln der Blätter der zweiten Reihe über denselben Fragmenten
sechs oder sieben Tage lang, so wurde ich auf die Vermuthung ge-
führt, dasz es der phosphorsaure Kalk und nicht irgend welche ein-
geschlossene thierische Substanz sei, welcher eine so lange andauernde
Einbiegung bewirke. Nach dem, was soeben erst gezeigt worden ist,
ist es wenigstens sicher, dasz letztere nicht in Folge der Anwesen-
heit der fasrigen Grundsubstanz eintrat. Bei Schmelz und Zahnbein
(ersterer enthält nur 4 Procent organischer Substanz) blieben die
Tentakeln zweier nach einander versuchter Reihen von Blättern im
Ganzen elf Tage lang eingebogen. Um meine Meinung über die
Wirksamkeit des phosphorsauren Kalks zu prüfen, verschaffte ich mir
durch Professor Frankland etwas von thierischer Substanz und von
irgend einer Säure absolut freies Phosphat. Eine kleine mit Wasser
angefeuchtete Quantität wurde auf die Scheiben von zwei Blättern
gebracht. Eines derselben wurde nur unbedeutend afficirt; das andere
blieb zehn Tage lang dicht eingebogen, worauf dann einige wenige
Tentakeln sich wieder auszustrecken begannen, während die übrigen
bedeutend beschädigt oder getödtet waren. Ich wiederholte das Ex-
periment, befeuchtete aber das Phosphat mit Speichel, um einer sofor-
tigen Einbiegung mich zu versichern. Ein Blatt blieb sechs Tage
lang eingebogen (die geringe Menge des angewandten Speichels würde
auch nicht annähernd so lange gewirkt haben) und starb dann ab;
das andere Blatt versuchte am sechsten Tage sich wieder auszubrei-
ten, es gelang ihm aber nach neun Tagen nicht, dann starb es
gleichfalls. Obgleich die diesen vier Blättern gegebene Quantität von
Phosphat äuszerst klein war, blieb doch in allen Fällen viel ungelöst
zurück. Eine gröszere mit Wasser befeuchtete Quantität wurde nun
zunächst auf die Scheiben von drei Blättern gebracht; diese wurden
im Laufe von 24 Stunden äuszerst stark eingebogen. Sie breiteten
sich niemals wieder aus; am vierten Tage sahen sie kränklich aus
und am sechsten waren sie beinahe todt. Grosze Tropfen nicht sehr
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Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876/111>, abgerufen am 25.11.2024.
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