Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876.

Bild:
<< vorherige Seite

Drosera rotundifolia. Cap. 6.
auch nicht erwarten können, da die Entkalkung in den drei Exemplaren
welche sorgfältig untersucht wurden, nicht vollständig war.

Faserige Grundsubstanz des Knochens. -- Ich war, wie
ich bereits angeführt habe, zuerst zu dem Schlusse gelangt, dasz das
Secret diese Substanz nicht verdauen könne. Ich bat daher Dr. Bur-
don Sanderson,
die Verdauung von Knochen, Schmelz und Zahnbein
in künstlichem Magensaft zu versuchen, und er fand, dasz sie nach
einer beträchtlichen Zeit vollständig aufgelöst wurden. Dr. Klein
untersuchte einige der kleinen Lamellen, in welche sich ein Stück
eines Katzenschädels nach einem ungefähr einwöchentlichen Liegen
in jener Flüssigkeit spaltete, und fand, dasz nach den Rändern zu
"die Grundsubstanz rarificirt war, so dasz das Aussehen entstand, als
"wenn die Canälchen der Knochenkörperchen gröszer geworden wären.
"Übrigens waren die Körperchen und ihre Canälchen sehr deutlich."
Es geht daher bei Knochen, welche der Einwirkung künstlichen Magen-
saftes ausgesetzt werden, die vollständige Entkalkung der Auflösung
der faserigen Grundsubstanz voraus. Dr. Burdon Sanderson sprach
die Vermuthung gegen mich aus, dasz das scheinbare Unvermögen der
Drosera, die faserige Grundsubstanz des Knochens, Schmelzes und
Zahnbeins zu verdauen, vielleicht eine Folge davon sei, dasz die Säure
bei der Zersetzung der erdigen Salze aufgebraucht werde, so dasz keine
übrig bleibe für die Arbeit der Verdauung. Dementsprechend ent-
kalkte mein Sohn den Knochen eines Schafes gänzlich mittelst schwa-
cher Salzsäure; sieben äuszerst kleine Fragmente der faserigen Grund-
substanz wurden auf ebenso viele Blätter gebracht, wobei vier dieser
Bruchstücke zuerst mit Speichel befeuchtet wurden, um die sofortige
Einbiegung zu unterstützen. Sämmtliche sieben Blätter wurden ein-
gebogen, aber nur sehr mäszig, und zwar im Verlaufe eines Tages.
Sie fiengen schnell an, sich wieder auszubreiten, fünf von ihnen schon
am zweiten und die andern beiden am dritten Tag. Auf allen sieben
Blättern war das fasrige Gewebe in vollkommen durchscheinende,
klebrige, mehr oder weniger verflüssigte kleine Massen verwandelt. In
der Mitte einer derselben sah indessen mein Sohn bei starker Ver-
gröszerung einige wenige Körperchen mit Spuren einer Faserung in
der umgebenden durchscheinenden Substanz. Nach diesen Thatsachen
ist es klar, dasz die Blätter von der fasrigen Grundsubstanz des Kno-
chens sehr wenig gereizt werden, dasz aber das Secret dieselbe leicht
und schnell verflüssigt, wenn sie vollständig entkalkt ist. Die Drüsen,

Drosera rotundifolia. Cap. 6.
auch nicht erwarten können, da die Entkalkung in den drei Exemplaren
welche sorgfältig untersucht wurden, nicht vollständig war.

Faserige Grundsubstanz des Knochens. — Ich war, wie
ich bereits angeführt habe, zuerst zu dem Schlusse gelangt, dasz das
Secret diese Substanz nicht verdauen könne. Ich bat daher Dr. Bur-
don Sanderson,
die Verdauung von Knochen, Schmelz und Zahnbein
in künstlichem Magensaft zu versuchen, und er fand, dasz sie nach
einer beträchtlichen Zeit vollständig aufgelöst wurden. Dr. Klein
untersuchte einige der kleinen Lamellen, in welche sich ein Stück
eines Katzenschädels nach einem ungefähr einwöchentlichen Liegen
in jener Flüssigkeit spaltete, und fand, dasz nach den Rändern zu
„die Grundsubstanz rarificirt war, so dasz das Aussehen entstand, als
„wenn die Canälchen der Knochenkörperchen gröszer geworden wären.
„Übrigens waren die Körperchen und ihre Canälchen sehr deutlich.‟
Es geht daher bei Knochen, welche der Einwirkung künstlichen Magen-
saftes ausgesetzt werden, die vollständige Entkalkung der Auflösung
der faserigen Grundsubstanz voraus. Dr. Burdon Sanderson sprach
die Vermuthung gegen mich aus, dasz das scheinbare Unvermögen der
Drosera, die faserige Grundsubstanz des Knochens, Schmelzes und
Zahnbeins zu verdauen, vielleicht eine Folge davon sei, dasz die Säure
bei der Zersetzung der erdigen Salze aufgebraucht werde, so dasz keine
übrig bleibe für die Arbeit der Verdauung. Dementsprechend ent-
kalkte mein Sohn den Knochen eines Schafes gänzlich mittelst schwa-
cher Salzsäure; sieben äuszerst kleine Fragmente der faserigen Grund-
substanz wurden auf ebenso viele Blätter gebracht, wobei vier dieser
Bruchstücke zuerst mit Speichel befeuchtet wurden, um die sofortige
Einbiegung zu unterstützen. Sämmtliche sieben Blätter wurden ein-
gebogen, aber nur sehr mäszig, und zwar im Verlaufe eines Tages.
Sie fiengen schnell an, sich wieder auszubreiten, fünf von ihnen schon
am zweiten und die andern beiden am dritten Tag. Auf allen sieben
Blättern war das fasrige Gewebe in vollkommen durchscheinende,
klebrige, mehr oder weniger verflüssigte kleine Massen verwandelt. In
der Mitte einer derselben sah indessen mein Sohn bei starker Ver-
gröszerung einige wenige Körperchen mit Spuren einer Faserung in
der umgebenden durchscheinenden Substanz. Nach diesen Thatsachen
ist es klar, dasz die Blätter von der fasrigen Grundsubstanz des Kno-
chens sehr wenig gereizt werden, dasz aber das Secret dieselbe leicht
und schnell verflüssigt, wenn sie vollständig entkalkt ist. Die Drüsen,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0110" n="96"/><fw place="top" type="header">Drosera rotundifolia. Cap. 6.</fw><lb/>
auch nicht erwarten können, da die Entkalkung in den drei Exemplaren<lb/>
welche sorgfältig untersucht wurden, nicht vollständig war.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Faserige Grundsubstanz des Knochens.</hi> &#x2014; Ich war, wie<lb/>
ich bereits angeführt habe, zuerst zu dem Schlusse gelangt, dasz das<lb/>
Secret diese Substanz nicht verdauen könne. Ich bat daher Dr. <hi rendition="#k">Bur-<lb/>
don Sanderson,</hi> die Verdauung von Knochen, Schmelz und Zahnbein<lb/>
in künstlichem Magensaft zu versuchen, und er fand, dasz sie nach<lb/>
einer beträchtlichen Zeit vollständig aufgelöst wurden. Dr. <hi rendition="#k">Klein</hi><lb/>
untersuchte einige der kleinen Lamellen, in welche sich ein Stück<lb/>
eines Katzenschädels nach einem ungefähr einwöchentlichen Liegen<lb/>
in jener Flüssigkeit spaltete, und fand, dasz nach den Rändern zu<lb/>
&#x201E;die Grundsubstanz rarificirt war, so dasz das Aussehen entstand, als<lb/>
&#x201E;wenn die Canälchen der Knochenkörperchen gröszer geworden wären.<lb/>
&#x201E;Übrigens waren die Körperchen und ihre Canälchen sehr deutlich.&#x201F;<lb/>
Es geht daher bei Knochen, welche der Einwirkung künstlichen Magen-<lb/>
saftes ausgesetzt werden, die vollständige Entkalkung der Auflösung<lb/>
der faserigen Grundsubstanz voraus. Dr. <hi rendition="#k">Burdon Sanderson</hi> sprach<lb/>
die Vermuthung gegen mich aus, dasz das scheinbare Unvermögen der<lb/><hi rendition="#i">Drosera</hi>, die faserige Grundsubstanz des Knochens, Schmelzes und<lb/>
Zahnbeins zu verdauen, vielleicht eine Folge davon sei, dasz die Säure<lb/>
bei der Zersetzung der erdigen Salze aufgebraucht werde, so dasz keine<lb/>
übrig bleibe für die Arbeit der Verdauung. Dementsprechend ent-<lb/>
kalkte mein Sohn den Knochen eines Schafes gänzlich mittelst schwa-<lb/>
cher Salzsäure; sieben äuszerst kleine Fragmente der faserigen Grund-<lb/>
substanz wurden auf ebenso viele Blätter gebracht, wobei vier dieser<lb/>
Bruchstücke zuerst mit Speichel befeuchtet wurden, um die sofortige<lb/>
Einbiegung zu unterstützen. Sämmtliche sieben Blätter wurden ein-<lb/>
gebogen, aber nur sehr mäszig, und zwar im Verlaufe eines Tages.<lb/>
Sie fiengen schnell an, sich wieder auszubreiten, fünf von ihnen schon<lb/>
am zweiten und die andern beiden am dritten Tag. Auf allen sieben<lb/>
Blättern war das fasrige Gewebe in vollkommen durchscheinende,<lb/>
klebrige, mehr oder weniger verflüssigte kleine Massen verwandelt. In<lb/>
der Mitte einer derselben sah indessen mein Sohn bei starker Ver-<lb/>
gröszerung einige wenige Körperchen mit Spuren einer Faserung in<lb/>
der umgebenden durchscheinenden Substanz. Nach diesen Thatsachen<lb/>
ist es klar, dasz die Blätter von der fasrigen Grundsubstanz des Kno-<lb/>
chens sehr wenig gereizt werden, dasz aber das Secret dieselbe leicht<lb/>
und schnell verflüssigt, wenn sie vollständig entkalkt ist. Die Drüsen,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[96/0110] Drosera rotundifolia. Cap. 6. auch nicht erwarten können, da die Entkalkung in den drei Exemplaren welche sorgfältig untersucht wurden, nicht vollständig war. Faserige Grundsubstanz des Knochens. — Ich war, wie ich bereits angeführt habe, zuerst zu dem Schlusse gelangt, dasz das Secret diese Substanz nicht verdauen könne. Ich bat daher Dr. Bur- don Sanderson, die Verdauung von Knochen, Schmelz und Zahnbein in künstlichem Magensaft zu versuchen, und er fand, dasz sie nach einer beträchtlichen Zeit vollständig aufgelöst wurden. Dr. Klein untersuchte einige der kleinen Lamellen, in welche sich ein Stück eines Katzenschädels nach einem ungefähr einwöchentlichen Liegen in jener Flüssigkeit spaltete, und fand, dasz nach den Rändern zu „die Grundsubstanz rarificirt war, so dasz das Aussehen entstand, als „wenn die Canälchen der Knochenkörperchen gröszer geworden wären. „Übrigens waren die Körperchen und ihre Canälchen sehr deutlich.‟ Es geht daher bei Knochen, welche der Einwirkung künstlichen Magen- saftes ausgesetzt werden, die vollständige Entkalkung der Auflösung der faserigen Grundsubstanz voraus. Dr. Burdon Sanderson sprach die Vermuthung gegen mich aus, dasz das scheinbare Unvermögen der Drosera, die faserige Grundsubstanz des Knochens, Schmelzes und Zahnbeins zu verdauen, vielleicht eine Folge davon sei, dasz die Säure bei der Zersetzung der erdigen Salze aufgebraucht werde, so dasz keine übrig bleibe für die Arbeit der Verdauung. Dementsprechend ent- kalkte mein Sohn den Knochen eines Schafes gänzlich mittelst schwa- cher Salzsäure; sieben äuszerst kleine Fragmente der faserigen Grund- substanz wurden auf ebenso viele Blätter gebracht, wobei vier dieser Bruchstücke zuerst mit Speichel befeuchtet wurden, um die sofortige Einbiegung zu unterstützen. Sämmtliche sieben Blätter wurden ein- gebogen, aber nur sehr mäszig, und zwar im Verlaufe eines Tages. Sie fiengen schnell an, sich wieder auszubreiten, fünf von ihnen schon am zweiten und die andern beiden am dritten Tag. Auf allen sieben Blättern war das fasrige Gewebe in vollkommen durchscheinende, klebrige, mehr oder weniger verflüssigte kleine Massen verwandelt. In der Mitte einer derselben sah indessen mein Sohn bei starker Ver- gröszerung einige wenige Körperchen mit Spuren einer Faserung in der umgebenden durchscheinenden Substanz. Nach diesen Thatsachen ist es klar, dasz die Blätter von der fasrigen Grundsubstanz des Kno- chens sehr wenig gereizt werden, dasz aber das Secret dieselbe leicht und schnell verflüssigt, wenn sie vollständig entkalkt ist. Die Drüsen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876/110
Zitationshilfe: Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876/110>, abgerufen am 24.11.2024.