2. Felix nativitate temporali, glückselig seiner Ankunfft nach/ daß er gleich in den freyen adelichen Stand gesetzet worden. Dann die Umstände gebens/ daß er nicht von geringen/ schlechten Eltern/ nicht von einem Bauren oder Leibeigenen/ sondern frey gebohren: ist etlicher mas- sen abzunehmen ex insigni annuli & stolae, auß dem stattlichen Finger- Reiff und Kleid/ das ihm der Vater bringen und anziehen sassen/ solen ten proten, das erste/ edelste nnd beste Kleid. Das waren insignia nobilitatis, und wie vermuthlich/ hat er es zuvor auch getragen. Also ist der Unterscheid zwischen den Söhnen/ und dann den Knechten und Taglöhnern im Text fundiret.
3. Felix ingenio & indole, glückselig seinem Verstand und Gaben nach/ adeliches Geblüt und adeliches Gemüth war bey einander/ ist auß der guten freymüthigen Lust zu reisen abzunehmen/ er wolt kein Stuben-Hüter oder Mutter-Kind seyn/ immer hinder dem Ofen sitzen/ sondern sich auch versuchen in der Welt. Die Intention war bey ihm gar gut/ und der Zweck nicht böß/ aber der Schuß war nicht just/ der des Zwecks verfehlet. Darauß abzunehmen/ was noch für an- dere semina, virtutes & talenta darunter verborgen gelegen. Sonder Zweiffel wird er zum Schutz der Synagog angezogen worden seyn/ dann damals hielten die Edel-Leute die Studia für eine Ehr.
4. Felix corpore & valetudine, er war guter Gesundheit: Dann so er nicht frisch/ gesund/ starck und schön von Leib gewesen/ und irgends einen Bresten/ Bruch/ Hoffer/ lames Glied/ oder dergleichen Wehbengel einen am Halß gehabt/ der Reyß-Kützel wird ihn nicht an- kommen seyn.
5. Felix opibus, reich an Gütern; Er begehret von seinem Va- ter das Theil seiner Güter/ und erlangts/ samlet alles zusammen/ und zie- het mit davon. Er erinnert sich hernach in seiner Buß/ daß die Taglöh- ner Brods die Fülle haben: so muß der Vater auch nicht übel gestanden seyn/ die reichen Gaben/ der güldene Finger-Ring/ das köstliche Kleid/ das gemäste Kalb in parato, und die stattliche Mahlzeit/ die Taglöhner und Knechte seind lauter Zeugen des Reichthums. Dazu komt die monadelphia, daß er nur einen einigen Bruder gehabt/ da wäre dann das Gut bald getheilet.
6. Felix favore, er hat gute Gunst. Dann er war der jüngste/ consequenter der liebste/ wie Benjamin und Joseph/ Gen. 37. Das wußt ihm wol der ältere Bruder auffs Brod zu schmieren; Nun aber
dieser
Die Andere Predigt
2. Felix nativitate temporali, gluͤckſelig ſeiner Ankunfft nach/ daß er gleich in den freyen adelichen Stand geſetzet worden. Dann die Umſtaͤnde gebens/ daß er nicht von geringen/ ſchlechten Eltern/ nicht von einem Bauren oder Leibeigenen/ ſondern frey gebohren: iſt etlicher maſ- ſen abzunehmen ex inſigni annuli & ſtolæ, auß dem ſtattlichen Finger- Reiff und Kleid/ das ihm der Vater bringen und anziehen ſaſſen/ ςόλην τὴν ϖρώτην, das erſte/ edelſte nnd beſte Kleid. Das waren inſignia nobilitatis, und wie vermuthlich/ hat er es zuvor auch getragen. Alſo iſt der Unterſcheid zwiſchen den Soͤhnen/ und dann den Knechten und Tagloͤhnern im Text fundiret.
3. Felix ingenio & indole, gluͤckſelig ſeinem Verſtand und Gaben nach/ adeliches Gebluͤt und adeliches Gemuͤth war bey einander/ iſt auß der guten freymuͤthigen Luſt zu reiſen abzunehmen/ er wolt kein Stuben-Huͤter oder Mutter-Kind ſeyn/ immer hinder dem Ofen ſitzen/ ſondern ſich auch verſuchen in der Welt. Die Intention war bey ihm gar gut/ und der Zweck nicht boͤß/ aber der Schuß war nicht juſt/ der des Zwecks verfehlet. Darauß abzunehmen/ was noch fuͤr an- dere ſemina, virtutes & talenta darunter verborgen gelegen. Sonder Zweiffel wird er zum Schutz der Synagog angezogen worden ſeyn/ dann damals hielten die Edel-Leute die Studia fuͤr eine Ehr.
4. Felix corpore & valetudine, er war guter Geſundheit: Dann ſo er nicht friſch/ geſund/ ſtarck und ſchoͤn von Leib geweſen/ und irgends einen Breſten/ Bruch/ Hoffer/ lames Glied/ oder dergleichen Wehbengel einen am Halß gehabt/ der Reyß-Kuͤtzel wird ihn nicht an- kommen ſeyn.
5. Felix opibus, reich an Guͤtern; Er begehret von ſeinem Va- ter das Theil ſeiner Guͤter/ und erlangts/ ſamlet alles zuſammen/ und zie- het mit davon. Er erinnert ſich hernach in ſeiner Buß/ daß die Tagloͤh- ner Brods die Fuͤlle haben: ſo muß der Vater auch nicht uͤbel geſtanden ſeyn/ die reichen Gaben/ der guͤldene Finger-Ring/ das koͤſtliche Kleid/ das gemaͤſte Kalb in parato, und die ſtattliche Mahlzeit/ die Tagloͤhner und Knechte ſeind lauter Zeugen des Reichthums. Dazu komt die monadelphia, daß er nur einen einigen Bruder gehabt/ da waͤre dann das Gut bald getheilet.
6. Felix favore, er hat gute Gunſt. Dann er war der juͤngſte/ conſequenter der liebſte/ wie Benjamin und Joſeph/ Gen. 37. Das wußt ihm wol der aͤltere Bruder auffs Brod zu ſchmieren; Nun aber
dieſer
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Die Andere Predigt
2. Felix nativitate temporali, gluͤckſelig ſeiner Ankunfft nach/
daß er gleich in den freyen adelichen Stand geſetzet worden. Dann die
Umſtaͤnde gebens/ daß er nicht von geringen/ ſchlechten Eltern/ nicht von
einem Bauren oder Leibeigenen/ ſondern frey gebohren: iſt etlicher maſ-
ſen abzunehmen ex inſigni annuli & ſtolæ, auß dem ſtattlichen Finger-
Reiff und Kleid/ das ihm der Vater bringen und anziehen ſaſſen/ ςόλην
τὴν ϖρώτην, das erſte/ edelſte nnd beſte Kleid. Das waren inſignia
nobilitatis, und wie vermuthlich/ hat er es zuvor auch getragen. Alſo
iſt der Unterſcheid zwiſchen den Soͤhnen/ und dann den Knechten und
Tagloͤhnern im Text fundiret.
3. Felix ingenio & indole, gluͤckſelig ſeinem Verſtand und
Gaben nach/ adeliches Gebluͤt und adeliches Gemuͤth war bey
einander/ iſt auß der guten freymuͤthigen Luſt zu reiſen abzunehmen/ er
wolt kein Stuben-Huͤter oder Mutter-Kind ſeyn/ immer hinder dem
Ofen ſitzen/ ſondern ſich auch verſuchen in der Welt. Die Intention
war bey ihm gar gut/ und der Zweck nicht boͤß/ aber der Schuß war nicht
juſt/ der des Zwecks verfehlet. Darauß abzunehmen/ was noch fuͤr an-
dere ſemina, virtutes & talenta darunter verborgen gelegen. Sonder
Zweiffel wird er zum Schutz der Synagog angezogen worden ſeyn/ dann
damals hielten die Edel-Leute die Studia fuͤr eine Ehr.
4. Felix corpore & valetudine, er war guter Geſundheit:
Dann ſo er nicht friſch/ geſund/ ſtarck und ſchoͤn von Leib geweſen/ und
irgends einen Breſten/ Bruch/ Hoffer/ lames Glied/ oder dergleichen
Wehbengel einen am Halß gehabt/ der Reyß-Kuͤtzel wird ihn nicht an-
kommen ſeyn.
5. Felix opibus, reich an Guͤtern; Er begehret von ſeinem Va-
ter das Theil ſeiner Guͤter/ und erlangts/ ſamlet alles zuſammen/ und zie-
het mit davon. Er erinnert ſich hernach in ſeiner Buß/ daß die Tagloͤh-
ner Brods die Fuͤlle haben: ſo muß der Vater auch nicht uͤbel geſtanden
ſeyn/ die reichen Gaben/ der guͤldene Finger-Ring/ das koͤſtliche Kleid/
das gemaͤſte Kalb in parato, und die ſtattliche Mahlzeit/ die Tagloͤhner
und Knechte ſeind lauter Zeugen des Reichthums. Dazu komt die
monadelphia, daß er nur einen einigen Bruder gehabt/ da waͤre dann
das Gut bald getheilet.
6. Felix favore, er hat gute Gunſt. Dann er war der juͤngſte/
conſequenter der liebſte/ wie Benjamin und Joſeph/ Gen. 37. Das
wußt ihm wol der aͤltere Bruder auffs Brod zu ſchmieren; Nun aber
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Dannhauer, Johann Conrad: Catechismus Milch. Bd. 10. Straßburg, 1673, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dannhauer_catechismus10_1673/32>, abgerufen am 16.02.2025.
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