Dannhauer, Johann Conrad: Catechismus Milch. Bd. 10. Straßburg, 1673.Vom Gewalt der Schlüssel. & injuria privata ac occulia, eine geheime/ verborgene/ unbekan-te Beleidigung/ die Sünde an dir oder für dir begangen. Zum Exempel/ mit Fluchen/ Schwören/ Sabbath-schänden/ oder auch mit Jnjurien. Wann man in choro, foro & thoro, in allen Ständen ein- ander in die Haar kommt. Wann dich der Nächste durch ungerechte Wort und Werck beleidiget/ dir zu nahe gehet/ und auff den Fuß tritt/ dich zum Zorn reitzet und anhetzet. Wann zum Exempel dein Mit-Collega in dem Rath/ in der Kirchen/ Schulen und anderswo dir einen Schimpff erwiesen/ oder Abbruch der Authorttät gethan. Wann dein Nachhar sein Mauel zuviel wider dich gebrauchet/ oder etwa auch ein convitium und übels nachreden fürgangen/ daß er gesagt/ du leugst. Wann dein Dienst-Bott etwas verwahrloset/ und böse Wort gibt. Wann dein Bluts-Freund dir nicht widerfahren läßt/ was dir gebühret. Wann Ehegatten sich nicht wohl mit einander stellen können/ oder wann dich ein anderer Christ zum Unwillen bewegte/ und dir Ubertrang thäte mit Worten oder Wercken/ wie dergleichen unter uns täglich fürgehet. Das alles wird mit und durch die Sünde an dir gemeinet. Daß aber dieselbe allhier verstanden werde/ ist zu vernehmen auß der phrasi, eis se, an dir/ hernach ex remedii solitate, weil sie allein zwischen Beleidigern und Be- leidigten soll geandet werden. Zwischen dir und ihm allein; und letzt- lich auß der Frag Petri/ die er auff Christi Wort eingewendet: HErr/ wie offt muß ich dann meinem Bruder/ der an mir sündiget/ vergeben? Jsts gnug siebenmahl? II. Remedium das Zucht-Mittel ist nun nicht retorsio verba- Backen/
Vom Gewalt der Schluͤſſel. & injuria privata ac occulia, eine geheime/ verborgene/ unbekan-te Beleidigung/ die Suͤnde an dir oder fuͤr dir begangen. Zum Exempel/ mit Fluchen/ Schwoͤren/ Sabbath-ſchaͤnden/ oder auch mit Jnjurien. Wann man in choro, foro & thoro, in allen Staͤnden ein- ander in die Haar kommt. Wann dich der Naͤchſte durch ungerechte Wort und Werck beleidiget/ dir zu nahe gehet/ und auff den Fuß tritt/ dich zum Zorn reitzet und anhetzet. Wann zum Exempel dein Mit-Collega in dem Rath/ in der Kirchen/ Schulen und anderswo dir einen Schimpff erwieſen/ oder Abbruch der Authorttaͤt gethan. Wann dein Nachhar ſein Mauel zuviel wider dich gebrauchet/ oder etwa auch ein convitium und uͤbels nachreden fuͤrgangen/ daß er geſagt/ du leugſt. Wann dein Dienſt-Bott etwas verwahrloſet/ und boͤſe Wort gibt. Wann dein Bluts-Freund dir nicht widerfahren laͤßt/ was dir gebuͤhret. Wann Ehegatten ſich nicht wohl mit einander ſtellen koͤnnen/ oder wann dich ein anderer Chriſt zum Unwillen bewegte/ und dir Ubertrang thaͤte mit Worten oder Wercken/ wie dergleichen unter uns taͤglich fuͤrgehet. Das alles wird mit und durch die Suͤnde an dir gemeinet. Daß aber dieſelbe allhier verſtanden werde/ iſt zu vernehmen auß der phraſi, εις σὲ, an dir/ hernach ex remedii ſolitate, weil ſie allein zwiſchen Beleidigern und Be- leidigten ſoll geandet werden. Zwiſchen dir und ihm allein; und letzt- lich auß der Frag Petri/ die er auff Chriſti Wort eingewendet: HErꝛ/ wie offt muß ich dann meinem Bruder/ der an mir ſuͤndiget/ vergeben? Jſts gnug ſiebenmahl? II. Remedium das Zucht-Mittel iſt nun nicht retorſio verba- Backen/
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Vom Gewalt der Schluͤſſel.
& injuria privata ac occulia, eine geheime/ verborgene/ unbekan-
te Beleidigung/ die Suͤnde an dir oder fuͤr dir begangen. Zum
Exempel/ mit Fluchen/ Schwoͤren/ Sabbath-ſchaͤnden/ oder auch mit
Jnjurien. Wann man in choro, foro & thoro, in allen Staͤnden ein-
ander in die Haar kommt. Wann dich der Naͤchſte durch ungerechte Wort
und Werck beleidiget/ dir zu nahe gehet/ und auff den Fuß tritt/ dich zum
Zorn reitzet und anhetzet. Wann zum Exempel dein Mit-Collega in
dem Rath/ in der Kirchen/ Schulen und anderswo dir einen Schimpff
erwieſen/ oder Abbruch der Authorttaͤt gethan. Wann dein Nachhar
ſein Mauel zuviel wider dich gebrauchet/ oder etwa auch ein convitium
und uͤbels nachreden fuͤrgangen/ daß er geſagt/ du leugſt. Wann dein
Dienſt-Bott etwas verwahrloſet/ und boͤſe Wort gibt. Wann dein
Bluts-Freund dir nicht widerfahren laͤßt/ was dir gebuͤhret. Wann
Ehegatten ſich nicht wohl mit einander ſtellen koͤnnen/ oder wann dich
ein anderer Chriſt zum Unwillen bewegte/ und dir Ubertrang thaͤte mit
Worten oder Wercken/ wie dergleichen unter uns taͤglich fuͤrgehet. Das
alles wird mit und durch die Suͤnde an dir gemeinet. Daß aber dieſelbe
allhier verſtanden werde/ iſt zu vernehmen auß der phraſi, εις σὲ, an dir/
hernach ex remedii ſolitate, weil ſie allein zwiſchen Beleidigern und Be-
leidigten ſoll geandet werden. Zwiſchen dir und ihm allein; und letzt-
lich auß der Frag Petri/ die er auff Chriſti Wort eingewendet: HErꝛ/
wie offt muß ich dann meinem Bruder/ der an mir ſuͤndiget/
vergeben? Jſts gnug ſiebenmahl?
II. Remedium das Zucht-Mittel iſt nun nicht retorſio verba-
lis, Wort-Streit/ zancken/ balgen/ auß dem Wald herauß ſchreyen/
wie man hinein geſchryen. Jm Rechten mag es wol erlaubet ſeyn/ iſt aber
dem Chriſtenthum nicht gemaͤß/ wann man Haar auff Haar richtet/ wie-
der ſchilt/ du biſt der und die/ du biſt auch der und der ſo lang biß du etwas
auff mich bringeſt oder erweiſeſt. Gebuͤhrliche Entſchuldigung iſt wohl
erlaubet/ wie der Herr Chriſtus auch gethan/ Joh. 18 23. Hab ich uͤbel
geredt/ ſo beweiſe es/ hab ich aber recht geredet/ was ſchlaͤgſt du
mich. Es gehoͤret nicht dahin vindicta realis, thaͤtliche Raach/
rauffen/ ſchlagen/ darauff ſchmeiſſen/ das Fauſt-Recht brauchen/ (ich rede
nicht von der vaͤtterlichen Kinder-Zucht/ oder wie Præceptores ihre Diſci-
pulos corrigiren/ oder von erlaubter Noth-Wehr) mit Benglen drein
werffen. Jn der Welt mag es zwar erlaubet ſeyn/ auff die Lugen eine
Maulſchell zugeben/ aber nicht in foro conſcientiæ, im Gewiſſen. Da
heiſſet es: So dir jemand einen Streich gibt auff den rechten
Backen/
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