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Dannhauer, Johann Conrad: Catechismus-Milch. Bd. 9. Straßburg, 1672.

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Predigt.
Wahl. Es gibt die Erfahrung/ daß es wahr sey/ was Aristoteles ge-
schrieben: Intus existens prohibere alienum, wann der Mund oder die
Zung mit einem Geschmack inficirt/ so laßt sie keinen widrigen Geschmack
recht kosten/ wann der Mund oder die Zung mit Gall übergossen so kommt
ihr alle Speiß bitter vor/ eine volle Seele vertritt auch Honig-
seim/
Prov. 27, 7. Christus erklärets mit einem Gleichnuß Matth. 9, 17.
Manfaßt nicht Most in alte Schläuch/ anders die Schläu-
che zerreissen/ und der Most wird verschüttet.
Ein alt stinckend
Faß kan ohne Schaden kein neuen Wein fassen: Also war das Gemüth
der Juden zu Zeiten Christi mit vorgefaßten Opinionen und Pharisei-
schen Auffsätzen alt und stinckend worden/ darum kunt auch die neue
Lehr/ die übernatürliche Geheimnusse des Evangelii nicht penetriren/ si
vas impurum, quicquid infundis acetum.
Wäre nun das Hertz Ma-
riä auch also mit dem alten Saurteig behafftet gewesen/ so würde sie Chri-
sti Lehr nicht erwehlet haben/ sondern auff ihren alten Heffen liegen
geblieben seyn. Aber o nein! sie bedienet sich der reflexion und ed-
len Krafft ihrer Seelen/ und wie Salomo redet/ circumit cor suum,
Eccles.
7, 26. Sie kehret ihr Hertz um/ zu suchen Weißheit und Kunst. q. d.
Ey bin ich auch recht dran? Vielleicht ist die Pharisäische Religion recht/
vielleicht ist die Nazarenische gut? sie abstrahirts und ziehets ab von allen
vorgefaßten Meynungen/ legt alle fleischliche Affecten und Passionen
von sich/ und kostet mit reinem Mund.

III. Electio dialectica, eine dialectische/ das ist/ solche Wahl/ da sie
die Lehren und Glaubens-Articul der unterschiedenen Religionen geko-
stet/ angebissen/ gegen einander verglichen/ auff die Wag gelegt/ und eine
der andern vor gezogen. Dann das geschicht bey einem Gast-Mahl/ die
Credentzer und Schencken seind darzu geordnet/ daß sie eine Speiß gegen
der andern halten sollen. So machte es Daniel und seine Gesellen/ sie
halten die Königliche Tractamenten/ und dero Art und Krafft gegen den
Zugemüssen. Solche Wehlerin war auch Maria/ sie spielet in ihrem
Hertzen und Gemüth/ sie disputirt mit ihr selbs/ sie conferirt die Lehren
und deroselben Gründe mit einander; und zwar die Sadduceische Sau-
Religion/ aber sie siehet/ daß es ein Religion ohne Trost und ohne Hoff-
nung; die Pharisäische Auffsätze/ und eingebildete Selbs-Gerechtigkeit/
traut ihr aber nicht wider den grimmigen Zorn GOttes mit derselben zu
bestehen; die Herodianische Hoff-Religion/ welche aber nichts anders/
als außwendig Heucheley und Syncretisterey/ inwendig Epicureismus
und Atheismus.

Habue-
Neunter Theil. R r r

Predigt.
Wahl. Es gibt die Erfahrung/ daß es wahr ſey/ was Ariſtoteles ge-
ſchrieben: Intus exiſtens prohibere alienum, wann der Mund oder die
Zung mit einem Geſchmack inficirt/ ſo laßt ſie keinen widrigen Geſchmack
recht koſten/ wann der Mund oder die Zung mit Gall uͤbergoſſen ſo kom̃t
ihr alle Speiß bitter vor/ eine volle Seele vertritt auch Honig-
ſeim/
Prov. 27, 7. Chriſtus erklaͤrets mit einem Gleichnuß Matth. 9, 17.
Manfaßt nicht Moſt in alte Schlaͤuch/ anders die Schlaͤu-
che zerreiſſen/ und der Moſt wird verſchuͤttet.
Ein alt ſtinckend
Faß kan ohne Schaden kein neuen Wein faſſen: Alſo war das Gemuͤth
der Juden zu Zeiten Chriſti mit vorgefaßten Opinionen und Phariſei-
ſchen Auffſaͤtzen alt und ſtinckend worden/ darum kunt auch die neue
Lehr/ die uͤbernatuͤrliche Geheimnuſſe des Evangelii nicht penetriren/ ſi
vas impurum, quicquid infundis acetum.
Waͤre nun das Hertz Ma-
riaͤ auch alſo mit dem alten Saurteig behafftet geweſen/ ſo wuͤrde ſie Chri-
ſti Lehr nicht erwehlet haben/ ſondern auff ihren alten Heffen liegen
geblieben ſeyn. Aber ô nein! ſie bedienet ſich der reflexion und ed-
len Krafft ihrer Seelen/ und wie Salomo redet/ circumit cor ſuum,
Eccleſ.
7, 26. Sie kehret ihr Hertz um/ zu ſuchen Weißheit und Kunſt. q. d.
Ey bin ich auch recht dran? Vielleicht iſt die Phariſaͤiſche Religion recht/
vielleicht iſt die Nazareniſche gut? ſie abſtrahirts und ziehets ab von allen
vorgefaßten Meynungen/ legt alle fleiſchliche Affecten und Paſſionen
von ſich/ und koſtet mit reinem Mund.

III. Electio dialectica, eine dialectiſche/ das iſt/ ſolche Wahl/ da ſie
die Lehren und Glaubens-Articul der unterſchiedenen Religionen geko-
ſtet/ angebiſſen/ gegen einander verglichen/ auff die Wag gelegt/ und eine
der andern vor gezogen. Dann das geſchicht bey einem Gaſt-Mahl/ die
Credentzer und Schencken ſeind darzu geordnet/ daß ſie eine Speiß gegen
der andern halten ſollen. So machte es Daniel und ſeine Geſellen/ ſie
halten die Koͤnigliche Tractamenten/ und dero Art und Krafft gegen den
Zugemuͤſſen. Solche Wehlerin war auch Maria/ ſie ſpielet in ihrem
Hertzen und Gemuͤth/ ſie diſputirt mit ihr ſelbs/ ſie conferirt die Lehren
und deroſelben Gruͤnde mit einander; und zwar die Sadduceiſche Sau-
Religion/ aber ſie ſiehet/ daß es ein Religion ohne Troſt und ohne Hoff-
nung; die Phariſaͤiſche Auffſaͤtze/ und eingebildete Selbs-Gerechtigkeit/
traut ihr aber nicht wider den grimmigen Zorn GOttes mit derſelben zu
beſtehen; die Herodianiſche Hoff-Religion/ welche aber nichts anders/
als außwendig Heucheley und Syncretiſterey/ inwendig Epicureiſmus
und Atheiſmus.

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Neunter Theil. R r r
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[497/0517] Predigt. Wahl. Es gibt die Erfahrung/ daß es wahr ſey/ was Ariſtoteles ge- ſchrieben: Intus exiſtens prohibere alienum, wann der Mund oder die Zung mit einem Geſchmack inficirt/ ſo laßt ſie keinen widrigen Geſchmack recht koſten/ wann der Mund oder die Zung mit Gall uͤbergoſſen ſo kom̃t ihr alle Speiß bitter vor/ eine volle Seele vertritt auch Honig- ſeim/ Prov. 27, 7. Chriſtus erklaͤrets mit einem Gleichnuß Matth. 9, 17. Manfaßt nicht Moſt in alte Schlaͤuch/ anders die Schlaͤu- che zerreiſſen/ und der Moſt wird verſchuͤttet. Ein alt ſtinckend Faß kan ohne Schaden kein neuen Wein faſſen: Alſo war das Gemuͤth der Juden zu Zeiten Chriſti mit vorgefaßten Opinionen und Phariſei- ſchen Auffſaͤtzen alt und ſtinckend worden/ darum kunt auch die neue Lehr/ die uͤbernatuͤrliche Geheimnuſſe des Evangelii nicht penetriren/ ſi vas impurum, quicquid infundis acetum. Waͤre nun das Hertz Ma- riaͤ auch alſo mit dem alten Saurteig behafftet geweſen/ ſo wuͤrde ſie Chri- ſti Lehr nicht erwehlet haben/ ſondern auff ihren alten Heffen liegen geblieben ſeyn. Aber ô nein! ſie bedienet ſich der reflexion und ed- len Krafft ihrer Seelen/ und wie Salomo redet/ circumit cor ſuum, Eccleſ. 7, 26. Sie kehret ihr Hertz um/ zu ſuchen Weißheit und Kunſt. q. d. Ey bin ich auch recht dran? Vielleicht iſt die Phariſaͤiſche Religion recht/ vielleicht iſt die Nazareniſche gut? ſie abſtrahirts und ziehets ab von allen vorgefaßten Meynungen/ legt alle fleiſchliche Affecten und Paſſionen von ſich/ und koſtet mit reinem Mund. III. Electio dialectica, eine dialectiſche/ das iſt/ ſolche Wahl/ da ſie die Lehren und Glaubens-Articul der unterſchiedenen Religionen geko- ſtet/ angebiſſen/ gegen einander verglichen/ auff die Wag gelegt/ und eine der andern vor gezogen. Dann das geſchicht bey einem Gaſt-Mahl/ die Credentzer und Schencken ſeind darzu geordnet/ daß ſie eine Speiß gegen der andern halten ſollen. So machte es Daniel und ſeine Geſellen/ ſie halten die Koͤnigliche Tractamenten/ und dero Art und Krafft gegen den Zugemuͤſſen. Solche Wehlerin war auch Maria/ ſie ſpielet in ihrem Hertzen und Gemuͤth/ ſie diſputirt mit ihr ſelbs/ ſie conferirt die Lehren und deroſelben Gruͤnde mit einander; und zwar die Sadduceiſche Sau- Religion/ aber ſie ſiehet/ daß es ein Religion ohne Troſt und ohne Hoff- nung; die Phariſaͤiſche Auffſaͤtze/ und eingebildete Selbs-Gerechtigkeit/ traut ihr aber nicht wider den grimmigen Zorn GOttes mit derſelben zu beſtehen; die Herodianiſche Hoff-Religion/ welche aber nichts anders/ als außwendig Heucheley und Syncretiſterey/ inwendig Epicureiſmus und Atheiſmus. Habue- Neunter Theil. R r r

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Zitationshilfe: Dannhauer, Johann Conrad: Catechismus-Milch. Bd. 9. Straßburg, 1672, S. 497. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dannhauer_catechismus09_1672/517>, abgerufen am 22.11.2024.