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Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835.

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Neuere Staatsverfassung. Frankreich.
wo das Römische Recht nur als Hülfs-Recht galt (pays
de coutume
), fand zwar bis in's achtzehnte Jahrhundert
eine gewisse Primogenitur statt, indem der Haupttheil vom
Lehen (preciput) dem ältesten Sohne zufiel und daneben
auch ein größerer Theil vom sonstigen Vermögen, aber die
Sitte der Theilungen nahm immer mehr zu, die jüngeren
Söhne entzogen sich der Lehnsfolge und der Antheil des
Ältesten ward verringert. So zerfiel der Lehnsdienst durch
die verlassene Lehnsordnung, ehe er noch vor der veränder-
ten Kriegsordnung veraltete. Je stärker die Zahl der
Adlichen geworden war, um so geringer die politische Be-
deutung des Adels, je zertheilter die Grundstücke, um so
strenger ward auf den Feudalrechten derselben, auf ihrer
Steuerfreiheit gehalten. Mit dem Adel stimmte, wer gegen
eine Abgabe an die Krone ein adliches Grundstück erworben
hatte. Seit 1270. gab es auch Briefadel.

76. Auf den Reichstagen erschienen zwei Stände, die
hohe Geistlichkeit und als zweiter Stand die Besitzer adlicher
Grundstücke, die den Adel ausmachten. Seit Philipp dem
Schönen auch ein dritter, die Städte (1302.). Ein
Reichstag von drei Curien kommt nie leicht zum Ziele,
die Städte aber halfen gern die Macht des Adels vollends
stürzen, der kein Staats-Princip mehr für sich hat, und
den steigenden Staatsbedarf gegen sich.

Die Krone hatte den Adel als Staatsgewalt (die sich
auch gegen die Krone wenden konnte) folgerecht von Lud-
wig XI. bis auf Richelieu bekämpft und endlich zerstört;
sie wünschte ihn indeß als Vormauer gegen die Ansprüche
des dritten Standes beizubehalten. Die Gerechtsame der
Städte mußten vor den Angriffen einer auf Unumschränkt-
heit gestellten Königsmacht fallen, während dem Adel die

Neuere Staatsverfaſſung. Frankreich.
wo das Roͤmiſche Recht nur als Huͤlfs-Recht galt (pays
de coutume
), fand zwar bis in’s achtzehnte Jahrhundert
eine gewiſſe Primogenitur ſtatt, indem der Haupttheil vom
Lehen (préciput) dem aͤlteſten Sohne zufiel und daneben
auch ein groͤßerer Theil vom ſonſtigen Vermoͤgen, aber die
Sitte der Theilungen nahm immer mehr zu, die juͤngeren
Soͤhne entzogen ſich der Lehnsfolge und der Antheil des
Älteſten ward verringert. So zerfiel der Lehnsdienſt durch
die verlaſſene Lehnsordnung, ehe er noch vor der veraͤnder-
ten Kriegsordnung veraltete. Je ſtaͤrker die Zahl der
Adlichen geworden war, um ſo geringer die politiſche Be-
deutung des Adels, je zertheilter die Grundſtuͤcke, um ſo
ſtrenger ward auf den Feudalrechten derſelben, auf ihrer
Steuerfreiheit gehalten. Mit dem Adel ſtimmte, wer gegen
eine Abgabe an die Krone ein adliches Grundſtuͤck erworben
hatte. Seit 1270. gab es auch Briefadel.

76. Auf den Reichstagen erſchienen zwei Staͤnde, die
hohe Geiſtlichkeit und als zweiter Stand die Beſitzer adlicher
Grundſtuͤcke, die den Adel ausmachten. Seit Philipp dem
Schoͤnen auch ein dritter, die Staͤdte (1302.). Ein
Reichstag von drei Curien kommt nie leicht zum Ziele,
die Staͤdte aber halfen gern die Macht des Adels vollends
ſtuͤrzen, der kein Staats-Princip mehr fuͤr ſich hat, und
den ſteigenden Staatsbedarf gegen ſich.

Die Krone hatte den Adel als Staatsgewalt (die ſich
auch gegen die Krone wenden konnte) folgerecht von Lud-
wig XI. bis auf Richelieu bekaͤmpft und endlich zerſtoͤrt;
ſie wuͤnſchte ihn indeß als Vormauer gegen die Anſpruͤche
des dritten Standes beizubehalten. Die Gerechtſame der
Staͤdte mußten vor den Angriffen einer auf Unumſchraͤnkt-
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[59/0071] Neuere Staatsverfaſſung. Frankreich. wo das Roͤmiſche Recht nur als Huͤlfs-Recht galt (pays de coutume), fand zwar bis in’s achtzehnte Jahrhundert eine gewiſſe Primogenitur ſtatt, indem der Haupttheil vom Lehen (préciput) dem aͤlteſten Sohne zufiel und daneben auch ein groͤßerer Theil vom ſonſtigen Vermoͤgen, aber die Sitte der Theilungen nahm immer mehr zu, die juͤngeren Soͤhne entzogen ſich der Lehnsfolge und der Antheil des Älteſten ward verringert. So zerfiel der Lehnsdienſt durch die verlaſſene Lehnsordnung, ehe er noch vor der veraͤnder- ten Kriegsordnung veraltete. Je ſtaͤrker die Zahl der Adlichen geworden war, um ſo geringer die politiſche Be- deutung des Adels, je zertheilter die Grundſtuͤcke, um ſo ſtrenger ward auf den Feudalrechten derſelben, auf ihrer Steuerfreiheit gehalten. Mit dem Adel ſtimmte, wer gegen eine Abgabe an die Krone ein adliches Grundſtuͤck erworben hatte. Seit 1270. gab es auch Briefadel. 76. Auf den Reichstagen erſchienen zwei Staͤnde, die hohe Geiſtlichkeit und als zweiter Stand die Beſitzer adlicher Grundſtuͤcke, die den Adel ausmachten. Seit Philipp dem Schoͤnen auch ein dritter, die Staͤdte (1302.). Ein Reichstag von drei Curien kommt nie leicht zum Ziele, die Staͤdte aber halfen gern die Macht des Adels vollends ſtuͤrzen, der kein Staats-Princip mehr fuͤr ſich hat, und den ſteigenden Staatsbedarf gegen ſich. Die Krone hatte den Adel als Staatsgewalt (die ſich auch gegen die Krone wenden konnte) folgerecht von Lud- wig XI. bis auf Richelieu bekaͤmpft und endlich zerſtoͤrt; ſie wuͤnſchte ihn indeß als Vormauer gegen die Anſpruͤche des dritten Standes beizubehalten. Die Gerechtſame der Staͤdte mußten vor den Angriffen einer auf Unumſchraͤnkt- heit geſtellten Koͤnigsmacht fallen, waͤhrend dem Adel die

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Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_politik_1835/71>, abgerufen am 22.11.2024.